Deutscher Formel-1-Pilot verteidigt WM-Titel:Vettels Dominanz entnervt die Konkurrenten

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Er hat es wieder getan: Fünf Rennen vor Saisonende verteidigt Sebastian Vettel seinen Titel als Weltmeister der Formel 1. Die Großen der Branche schwärmen von dem Deutschen, die Konkurrenz aber ist frustriert - und manch einer fürchtet eine "Ära Vettel".

Michael König

Nach einer Ehrenrunde und einer kurzen Jubelpose beim Aussteigen aus dem Rennwagen wurde Sebastian Vettel in einen unscheinbaren Raum geleitet. Dunkle Sitzmöbel, mit schlichtem Holz verkleidete Wände, ein kleiner Couchtisch in der Mitte. Rechts auf dem Sofa saß Fernando Alonso, der im Ferrari auf Platz zwei gefahren war. Er erhob sich nicht einmal, um Vettel zu gratulieren. Links stand Jenson Button, McLaren-Pilot und Sieger des Rennens, der den Drittplatzierten immerhin kurz umarmte. Gleich darauf verschränkte er aber seine Arme hinter dem Kopf und wischte die Freundlichkeit beiseite.

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"Es war etwas eng beim Start", sagte der Brite und fixierte den Deutschen mit ernster Miene. "War es das?", gab Vettel zurück, während er versuchte, auf dem Sofa möglichst viel Platz zwischen sich und Alonso zu bringen. "Ja, ich war auf dem Gras", sagte Button, den Blick nicht von dem neuen und alten Weltmeister abwendend. Kurz darauf holte ein japanischer Funktionär das Trio zur Siegehrung ab, wo es sich mit Champagner abkühlten konnte. Es war vermutlich besser so.

Mit dem dritten Platz beim Großen Preis von Japan hat sich Sebastian Vettel, 24, den zweiten Weltmeistertitel seiner Karriere gesichert. Vorzeitig, vier Rennen vor dem Ende der Saison. Er ist der jüngste Doppelweltmeister aller Zeiten, Experten sehen ihn in einer Liga mit Nigel Mansell und Alain Prost. "Er kann wirklich alles, er ist der absolute beste Rennfahrer, den es heute gibt", schwärmte Niki Lauda, selbst dreimaliger Weltmeister, am Fernsehmikrofon.

Obwohl Vettel in Suzuka nicht an Button und Alonso vorbei kam, offenbarte er erneut viele Qualitäten, die die Konkurrenz nach dem Ende der Ära Schumacher die Dominanz eines Teutonen in der Formel 1 befürchten lässt. Nach dem fulminanten Start in die Saison mit sechs Siegen und drei zweiten Plätzen in den ersten neun Rennen hatte sein Fahrzeug zwischenzeitlich an Überlegenheit eingebüßt. Doch Platz vier beim Heimrennen am Nürburgring war schon das schlechteste Ergebnis, von nun an ging es wieder bergauf.

Dass Vettel in Japan ausgerechnet mit dem zweitschlechtesten Ergebnis der Saison den Titel perfekt machte, Platz drei, passte gut ins Bild. Ein hartes Manöver zu Beginn, feines Gespür für die Tücken der Technik und die Betonung des Teamgedankens - es war in vielerlei Hinsicht eine reife Leistung, die der Heppenheimer in Suzuka ablieferte.

"Verdammte Deutsche", raunte ihm Button im Ziel scherzhaft zu. Beim Start waren die beiden heftig aneinander geraten, Vettel bremste den späteren Sieger im McLaren rigoros aus. Button kam besser weg und war beinahe mit dem Red Bull des Deutschen gleichauf, als Vettel auf die rechte Spur wechselte und den Konkurrenten auf den Grünstreifen drängte. "Dafür bekommt er eine Strafe, ganz sicher", sagte der wütende Button anschließend via Boxenfunk. Die Stewards sahen es anders, Vettel blieb verschont.

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Auch technische Probleme beeindruckten Vettel zunächst nicht. Dabei verschliss sein Rennwagen die Reifen, als wären es Papiertaschentücher: Schnell waren drei Sätze weicher Pneus verbraucht. Ähnlich erging es zwar auch den anderen Teams. Aber ein Boxenstopp hatte bei Red Bull ungewöhnlich lange gedauert. Zudem bekam Vettel über den Boxenfunk die Ansage, materialschonend zu fahren. Der vierte Satz Reifen mit härterer Gummimischung sollte bis zur Zieldurchfahrt halten - Vettel gehorchte.

Im Zusammenspiel mit seinen Technikern ist Vettel mindestens genauso gut wie ehedem Michael Schumacher, der diese Fähigkeit für viele seiner sieben Weltmeistertitel mitverantwortlich machte. "Vettel hat ein Know-how, das die Ingenieure zum Optimum treibt", sagte dessen Entdecker und Mentor Helmut Marko im SZ-Interview.

Anders als der oft verbissen wirkende Kerpener Schumacher, dessen Comeback in der Formel 1 nach Platz sechs in Suzuka weiterhin keine Erfolgsgeschichte ist, scheint sich Vettel jedoch eine jugendliche Freude am Motorsport bewahrt zu haben. "Das Wichtigste ist, dass wir jedes Mal unseren Spaß hatten", sagte Vettel auf der Pressekonferenz nach dem Rennen.

Als ihm die aufgeregte Interviewerin des Bezahlsenders Sky jedoch in der Mixed Zone ein T-Shirt überreichte, dass Vettel in Anspielung auf einen Film seiner Lieblingsband The Beatles am Steuer eines "Magical-Mystery"-Tourbusses zeigte, wies der Formel-1-Weltmeister das Geschenk brüsk zurück: "Das Problem daran ist, dass solche Shirt lange vorbereitet werden", sagte Vettel im Tonfall des Bodenständigen. "Wir haben uns aber nie erlaubt, an den Titel zu denken, auch wenn er noch so wahrscheinlich war."

Die Mitbewerber Button und Alonso nahmen den Trubel um den Weltmeister mit unbewegten Mienen zur Kenntnis. Trotz ihres ersten und zweiten Platzes waren die Weltmeister der Jahre 2005 und 2006 (Alonso) sowie 2009 (Button) in Suzuka zu Statisten degradiert worden - nicht zum ersten Mal in dieser Saison. Genau wie Lewis Hamilton (Weltmeister 2008) müssen sie fürchten, ihre besten Jahre damit zu vergeuden, dem schnellen Deutschen aus Heppenheim hinterher zu fahren.

Relativ unverblümt sprach Mark Webber aus, was wohl viele im Fahrerlager an diesem Tag dachten. Webber ist Vettels Teamkollege und nicht unbedingt dessen größter Befürworter. Er sprach von einer "Situation", in der man sich angesichts der Dominanz des Deutschen nun "wiederfinde". Aber: "Uns ist klar, dass die Meisterschaft deswegen ziemlich langweilig ist."

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