Deutsche Nationalelf:"Ist doch kein Weltuntergang"

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Die deutschen Spieler gehen erstaunlich locker mit der Niederlage gegen Norwegen um - und machen sich lieber Gedanken über den Sinn von Testspielen.

Th. Hummel, Düsseldorf

Schnell ging die Diskussion ins Grundsätzliche. Soll die deutsche Nationalmannschaft überhaupt noch Testspiele austragen? Jeder Profi im hellblauen DFB-Trainingsanzug musste sich am Mittwochabend in Düsseldorf diese Frage anhören, und Bastian Schweinsteiger plapperte sich dabei bedrohlich weit in die Bredouille. "Ich seh' das nicht so dramatisch, die Niederlage ist doch kein Weltuntergang", sagte der 24-jährige Mittelfeldspieler, "wir sind auch keine Maschinen". Man spiele schon ein wenig anders als etwa in der WM-Qualifikation, werfe nicht alles in die Waagschale.

Einer der wenigen Aktivposten: Mario Gomez. (Foto: Foto: dpa)

Ein ganzer Strauß Mikrofone hatte der Münchner in diesem Moment vor dem Kinn, er zog die Worte lange auseinander, blinzelte im Scheinwerferlicht und lächelte den Menschen hinter den Mikrofonen freundlich zu. Bastian Schweinsteiger war nach dem Duschen weiterhin der Bastian Schweinsteiger, der zuvor auf dem Spielfeld, wie fast alle Kollegen, mit einem Schulterzucken sein Schicksal ertragen hatte.

Ein paar Schritte weiter stimmte Philipp Lahm seinem Bayern-Kollegen im Grunde zu: "Fünf bis zehn Prozent fehlen bei einem solchen Spiel immer." Nun hatten die 45.000 Zuschauer in der Düsseldorfer Arena vor dem Anpfiff durchaus hoffen dürfen, dass 90 Prozent Leistungsfähigkeit der DFB-Elf ausreichen, um gegen das Team aus Norwegen zu bestehen. Als der Schlusspfiff ertönte, waren dann auch sie so eingelullt, dass es nicht mal mehr zu einem ordentlichen Pfeifkonzert reichte.

Die Skandinavier hatten im gesamten Jahr 2008 kein Spiel gewonnen, liegen in ihrer WM-Qualifikationsgruppe auf dem letzten Platz hinter Mazedonien und mussten zudem auf all ihre international renommierten Spieler verzichten. Eine Auswahl aus zumindest in Deutschland völlig Unbekannten gewann dann trotzdem mit viel Kampf in der Abwehr und schnellem Konterspiel mit 1:0 (Tor: Christian Grindheim vom SC Heerenveen, 68.).

Es bleibt für den DFB zu hoffen, dass der Auftritt in Düsseldorf weit weniger als 90 Prozent der Leistungsfähigkeit der Spieler repräsentiert hat. Und das ist auch anzunehmen. Bis auf den emsigen Stuttgarter Mario Gomez machte kaum einer einen Sprint über mehr als drei Meter. Abwehr und Mittelfeld schoben gemütlich den Ball hin und her, so dass sich der Stürmer Klose danach beschwerte, man müsse "auch mal einen Risikopass nach vorne spielen" und Stürmer Gomez beklagte, "wir hätten mehr über außen spielen müssen".

Kein Mut, keine Leidenschaft, keine Ideen. Und dass die Gäste mit neun Mann den eigenen Strafraum verriegelten, drückte noch den Spaßfaktor im deutschen Team. Bundestrainer Joachim Löw nahm seine Spieler dennoch vor dem Vorwurf der Motivationslosigkeit in Schutz. "Ich denke, sie haben sich nicht bewusst geschont", sagte er. Die Mannschaft habe "keine Lösungen in der Offensive gefunden", woraus er seine Lehren ziehen wolle, "was wir künftig machen und was nicht".

Zieht der Bundestrainer das ebenfalls missglückte Testspiel im November gegen England in Betracht, käme indes ziemlich viel zusammen, was er in Zukunft nicht mehr machen sollte. In Berlin hatten sich im zentralen Mittelfeld Simon Rolfes und Jermaine Jones erschreckend überfordert gezeigt, diesmal verlor der Bremer Torsten Frings sein Duell gegen einen gewissen Morten Gamst Pedersen von den Blackburn Rovers.

Sinnfrage bei Testspielen

Auf den Außenpositionen gingen der schulterzuckende Schweinsteiger und Piotr Trochowski fast unter, zudem beobachtete der Hamburger vor dem 0:1 schulterzuckend den flankenden Pedersen. Und im Tor setzte René Adler seine Serie von Auftritten mit unsicheren Aktionen fort. Allein Stürmer Gomez (auch wenn er im Nationaltrikot wieder mal seine Chancen ausließ) und der eingewechselte Debütant Andreas Beck als rechter Verteidiger fielen positiv auf.

Wenn sich die Nationalspieler das nächste Mal treffen, dann geht es wenigstens wieder um Punkte. Ende März und Anfang April kommt in der WM-Qualifikation erst Liechtenstein nach Leipzig, dann geht es nach Wales. Selbst böse Kritiker glauben nicht, dass die deutsche Mannschaft dann die gleiche sein wird wie an diesem Mittwoch in Düsseldorf. Vielleicht wird Löw ein paar anderen Profis vertrauen, sicherlich aber wird niemand mehr schulterzuckend über den Rasen traben.

Bleibt also die Frage, ob diese Testspiele sinnvoll sind, wenn eine Ansammlung partiell lustloser Kicker sich meist behäbig den Ball zuschiebt und das Publikum verärgert. Wenigstens musste in der überdachten und klimatisierten Düsseldorfer Arena niemand frieren. Und wenn der DFB im September sein nächstes Test-Heimspiel gegen Südafrika austrägt, dürfen die Zuschauer wieder auf milde Temperaturen hoffen.

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