Deutsche bei den French Open:Rennen zwischen den Plätzen

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Großes Match auf großer Bühne: Julia Görges schlägt Caroline Wozniacki (Foto: Kenzo Tribouillard/AFP)
  • Gleich drei Akteure des Deutschen Tennis-Bundes spielen am Donnerstag bei den French Open parallel.
  • Julia Görges glänzt, Andrea Petkovic flucht - beide ziehen am Ende in die dritte Runde ein.
  • Die aufstrebenden Carina Witthöft und Anna-Lena Friedsam scheitern knapp.
  • Hier geht es zu den Ergebnissen in Roland Garros

Von Gerald Kleffmann, Paris

Halt die Fresse! Das kann nicht wahr sein! Ich bring nix rüber! Andrea Petkovic war nicht nett zu sich in dieser Phase ihres Matches, aber es ging ihr ja wirklich nicht gut auf der Anlage der French Open. Später, im Presseraum, hat sie sich weiter beschimpft. Sie bezeichnete sich als Ochse, Traktor, LKW, Hund, und, auch griffig, als Elefant. Andrea Petkovic hatte übrigens gewonnen, die Halbfinalistin des Vorjahres besiegte die Spanierin Lourdes Domínguez Lino 4:6, 6:4, 6:4 und steht nun in der dritten Runde in Roland Garros. Aber bei Petkovic ist das Ergebnis eben unerheblich, wenn es darum geht, wort- und bildreich Analysen abzugeben. Daher ist sie eine der wenigen Deutschen, für die sich die Weltpresse interessiert, auch an diesem Donnerstag, der erstaunlich allemand war.

Kohlschreiber macht am Donnerstag kein Spiel

Julia Görges, 26, aus Bad Oldesloe schaltete die an Nummer fünf gesetzte Caroline Wozniacki 6:4, 7:6 (4) aus. Carina Witthöft, 20, aus Hamburg stand kurz vor der Überraschung und brachte die frühere Paris-Finalistin Sara Errani aus Italien ins Wanken, 3:6, 6:4, 2:6 unterlag sie nur. Philipp Kohlschreiber musste sein intensives Match vom Mittwoch fortsetzen, das nach seiner Aufholjagd mit dem Ergebnis von 1:6, 6:7 (5), 6:3, 6:3, 4:2 wegen Dunkelheit gestoppt wurde. Der 31-Jährige aus Augsburg machte kein Spiel mehr. Der Spanier Pablo Andujar holte Satz fünf mit 6:4.

Und dann war da Anna-Lena Friedsam. Die 21-Jährige aus Neuwied spielte sich mit forschen Schlägen fast zu einer Sensation: Sie unterlag zwar der 19-maligen Grand-Slam-Siegerin Serena Williams 7:5, 3:6, 3:6. Bis Mitte des zweiten Satzes war Friedsam aber die bessere Spielerin.

Drei deutsche Akteure spielen zur gleichen Zeit

So wie Kohlschreiber sein Match als "kurios" einstufte, so war es überhaupt ein kurioser Tag. Das Drehbuch der Organisatoren wollte es so, dass ab elf Uhr gleich drei Akteure des Deutschen Tennis-Bundes antreten mussten, tatsächlich sah man Fans mit schwarz-rot-goldenen Perücken und Hüten zwischen Court 3, Court 6 und Court Philippe Chatrier hin und her flitzen. Als Sympathisant von Görges, Witthöft und Petkovic konnte man wahrlich verrückt werden. Gerade, wenn man bei einer der Deutschen auftauchte, weil sich dort Brisantes anbahnte, vermeldete der Ticker Selbiges vom anderen Platz. Görges lag gegen Wozniacki zurück, konterte, gewann den ersten Satz 6:4. Witthöft lag gegen Errani zurück, 3:6, 1:4, plötzlich: 6:4. Petkovic lag zurück, 4:6, 1:3, zu diesem Zeitpunkt hatte sie sich ihren leicht lädierten Oberschenkel bandagieren lassen und sich ermahnt, die Fresse zu halten.

4:6, 6:3, 6:4 siegte sie schließlich, Vater Zoran durfte nun aufhören damit, nervös die Backen aufzublasen. Währenddessen tauchten Görges und Witthöft geduscht im Medientrakt auf, um von ihren Erlebnissen zu berichten. Görges strahlte. Witthöft nicht so.

Die Verliererin Wozniacki meinte zuvor noch, es sei egal, wo in der Weltrangliste diese Görges zu finden sei, sie sei stets gefährlich. Görges, die 2012 mal 15. im Ranking war und nun 72. ist, widersprach nicht. "Ich kann den Ball mal flach, mal hoch mit Spin im Spiel halten, ich kann variieren", sagte Görges, die diese Fähigkeit bereits Ende Januar bei den Australian Open demonstriert hatte. Da zog sie als einzige Deutsche ins Achtelfinale ein. Dann aber folgte wie so oft bei ihr eine schwächere Phase, mit einigen Erstrundenniederlagen, mitunter trotz ansehnlicher Leistung, das ist ihr Los. Görges ist oft nah dran.

Am Donnerstag war sie es nicht. Sie war besser, weil mutiger, entschlossener, facettenreicher. Ihr Spiel, das sagte sie laut ins Mikrofon, sei auf Sand nicht immer typisches Frauentennis, bei dem "eine Stunde nahezu gleich übers Netz gespielt wird". Bezeichnend war der Tie-Break. Görges beendete das Match nach einem 3:4-Rückstand mit einem Überkopfpunkt und drei direkten Winnern von der Grundlinie. Sie war die Chefin. Gegen die Amerikanerin Irina Falconi will sie nun wieder mit Trainer Sascha Nensel "die Taktik zusammenstiefeln".

Witthöft schleicht sich an die Weltspitze heran

Görges durfte ihre Aussagen im Main Interview Room tätigen, wo sonst die Nadals und Scharapowas sitzen. Witthöft erschien kurz darauf in Raum zwei, der rund 30 Personen Platz bietet. Zwei Reporter tauchten auf, von der Weltpresse niemand, was wiederum nicht ganz angemessen war. Witthöft hatte zwar ein mögliches Duell mit Petkovic verpasst, sie hätte selbst Gefallen daran gefunden, sich innerdeutsch und generationenübergreifend "zu messen". Aber ihre Leistung gegen Errani zeigte erneut: Sie schleicht sich immer näher an die Weltspitze heran. Witthöft nähert sich nun den Top 50, sie agiert kraftvoll, ist athletisch und wunderbar ehrgeizig. Die gute Leistung gegen Errani freute sie nur ungefähr eine Millisekunde: "Ich hätte mehr draus machen müssen. Ich war richtig gut drin Ende des zweiten Satzes, aber dann habe ich einen Ticken nachgedacht und an Tempo verloren."

Sie hatte sich ja speziell auf Errani vorbereitet, sie hatte sich bei der Turnierorganisation einen Hitting Partner gebucht, einen Profi, der in der Weltrangliste um Platz 1000 steht, sie bat ihn, mit hohen Topspinbällen auf sie zu spielen, die Italienerin ist ein echtes Unikat, spielerisch. Ihr Aufschlag ist eine abgehackte Bewegung, sie legt den Schläger ins Kreuz, der Wurf folgt, dann erst schnappt der Schläger zu. Es ist ein Wunder, dass vor allem ihr zweiter Aufschlag es von der Geschwindigkeit her übers Netz schafft, aber Witthöft konnte präzise erklären, warum dieses Manko von Errani doch nicht immer eines ist. "Im Fernsehen dachte ich, warum machen die da keinen Winner gegen sie, aber es ist schwer. Geht man zu sehr drauf, überpaced man gerne und spielt zu sehr an die Linien. Und sie ist schnell."

"Peinlich, wie ich mich benommen habe"

Witthöft hatte verloren, aber sie konnte sofort ihre Schwachpunkte benennen, das verbindet sie mit der erfahreneren Petkovic, die die Erklärung des Tages ablieferte. Nach ihrem Ausbruch Anfang des zweiten Satzes habe sie sich "von außen betrachtet", quasi wie ein Geist auf sich geschaut, "und das war mir peinlich, wie ich mich benommen habe", sagte sie. Dann machte sie sich nach, wie sie gejammert hatte, und meinte, zu ihrem bevorstehenden Doppel mit Sabine Lisicki: "Ich werde keinen Schritt machen. Wenn ihr Sabine laufen sehen wollt, dann kommt auf Platz acht." Petkovic ist wieder im echten Petkovic- Modus.

© SZ vom 29.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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