Davis Cup:"Zeigt, was die Spieler vom Davis Cup halten"

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Keine Lust auf den Davis Cup: Tennisprofi Alexander Zverev (Foto: AFP)

Die deutsche Mannschaft muss gegen Polen den Abstieg verhindern. Doch kaum jemand hat Lust zu spielen. Die letzte fragwürdige Absage muss Teamchef Kohlmann von Alexander Zverev hinnehmen.

Von Jürgen Schmieder, New York

Es gab einmal eine Zeit, die Älteren werden sich erinnern, in den 1980ern, da waren Davis-Cup-Abende TV-Pflichtveranstaltungen, wie es sonst nur Wetten, dass...??? oder der Tatort waren. Straßenfeger wurde das damals genannt, wenn sich die Tennisspieler zum Länderduell trafen und Partien präsentierten, die sich auch die Jüngeren mal auf YouTube ansehen sollten. Michael Westphal gegen Tomas Smid. Boris Becker gegen John McEnroe. Charly Steeb gegen Mats Wilander. Diese legendäre Spiele, sie wurden auf den Kanälen im einstelligen Fernbedienungsbereich übertragen, Millionen von Menschen sahen zu.

In zwei Wochen wird in Berlin die Partie zwischen Deutschland und Polen ausgetragen, es geht gegen den Abstieg aus der Weltgruppe. Bislang war die offizielle Haltung des Deutschen Tennis-Bundes (DTB) stets gewesen: Keine Panik, der erste Abstieg seit 13 Jahren wird schon verhindert werden. Nun jedoch sitzt Teamchef Michael Kohlmann auf der Terrasse vom Arthur Ashe Stadium in New York. Er lächelt freundlich, doch sind in seinem Gesicht durchaus ein paar Falten zu erkennen, die nicht durch das Nach-oben-Ziehen der Mundwinkel entstehen.

"Das ist suboptimal gelaufen", findet Teamchef Kohlmann

Am kommenden Dienstag muss Kohlmann seinen Kader nominieren - eine Aufgabe, die nun so schwierig zu sein scheint wie jene für Westphal im Oktober 1985 oder die für Becker zwei Jahre später in Hartford gegen McEnroe. Der Einsatz von Philipp Kohlschreiber ist aufgrund einer Fußverletzung mehr als fraglich, Dustin Brown hat aufgrund anderer beruflicher Ziele bereits abgesagt, Alexander Zverev erklärte nach seiner Niederlage recht genervt, dass es noch zu früh sei, sich auf eine Zu- oder Absage festzulegen - fünf Tage, bevor der Kader nominiert werden muss.

Kohlschreiber hatte sich bei den Olympischen Spielen in Rio eine Stressfraktur im rechten Fuß zugezogen - und trat dennoch zu den US Open an. "Ich hatte keine Schmerzen und grünes Licht vom Arzt. Ich bin mit guter Hoffnung ins Match gegangen, aber am Ende habe ich wieder Druck im Schuh gespürt", sagte er nach seiner Aufgabe, die ihm dann doch auch 43 313 US-Dollar einbrachte. "Ich habe ihn in der Auslosung gesehen und konnte es nicht fassen", sagt Kohlmann nun: "So wie es hier gelaufen ist, ist es suboptimal."

Brown hatte den Teamchef bereits vor den US Open informiert. "Er hat als Begründung angegeben, andere Ziele zu haben", sagt Kohlmann. Brown wolle keine niederklassigen Turniere mehr spielen und fühle sich nicht bereit für Drei-Gewinnsatz-Partien. Bei den US Open absolvierte er so eine Drei-Gewinnsatz-Partie, er verlor in der ersten Runde gegen Milos Raonic mit 5:7, 3:6, 4:6. Zu Browns Absage sagt Kohlmann: "Das würde ich jetzt mal unkommentiert lassen."

Besonders knifflig wird es bei Alexander Zverev, weil es widersprüchliche Aussagen über die Gespräche gibt. Zverev hatte während der US Open behauptet, dass ihn noch niemand gefragt habe, ob er überhaupt antreten wolle. "Ich kann es mir nur so erklären, dass er das Thema damit beenden wollte", sagt Kohlmann: "Ich würde lügen, wenn ich jetzt sagen würde, ich hätte nicht mit ihm gesprochen. Wir haben mehrmals gesprochen." Er wolle ihn nun davon überzeugen, auf dem ungeliebten Sandbelag doch anzutreten: "Wir werden alles versuchen, er würde uns extrem weiterhelfen." Kohlmann sagt aber auch: "Ich gehe davon aus, dass er nicht spielt."

Und er behielt Recht mit seiner Einschätzung: Am Samstagabend deutscher Zeit verkündete der Teamchef, dass sein bestplatzierter Spieler abgesagt habe. Der Belagwechsel von Hardcourt auf Sand und der enge Terminplan seien die Gründe für Zverevs Verzicht. "Ich kann das aus Spielersicht verstehen", sagte Kohlmann: "Aber Dirk Hordorff (DTB-Vizepräsident, d. Red.) hat dazu einen wichtigen Satz gesagt: Der Davis Cup darf keine Vorbereitung auf ein 250er Turnier sein."

Der Davis Cup reizt die Spieler nicht mehr

Natürlich darf jeder Tennisprofi selbst entscheiden, ob er zu einer Davis-Cup-Partie antreten möchte oder nicht. Es wäre vermessen, Kohlschreiber wegen seines US-Open-Abenteuers, Zverev wegen seiner Sand-Unlust und Brown aufgrund seiner Gier nach persönlichen Punkten gleich Egoismus vorzuwerfen. Wer seine Karriere als Ein-Mann-Unternehmen selbst planen muss, der darf auch selbst über diese Firma bestimmen. Kohlmann sagt, er wirkt ein wenig resigniert: "Diese Partie zeigt auch, was manche Spieler vom Davis Cup halten."

Die Partie gegen Polen wird auf dem Spartenkanal Sat.1 Gold übertragen, der sonst Wiederholungen der Fernsehserien "Der Bulle von Tölz", "Bonanza" und "Mord ist ihr Hobby" zeigt und sich selbst als Sender "für die weibliche Zielgruppe ab 40 Jahren" sieht. So eine Davis-Cup-Partie begeistert nicht mehr Millionen von Menschen. Es ist kein Pflichtprogramm mehr. Nicht für die Zuschauer. Nicht für die Spieler.

© SZ vom 04.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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