Darja Domratschewa:Zu dritt auf Weltcup-Tour

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Drei Monate nach der Geburt ihrer Tochter zurück auf der Biathlon-Tour: Darja Domratschewa. (Foto: AP)

Drei Monate nach der Geburt ihrer Tochter gibt Biathlon-Olympiasiegerin Darja Domratschewa ihr Comeback. Da ihr Mann Ole Einar Björndalen heißt, steht die Familie vor Herausforderungen.

Von Saskia Aleythe, Oberhof

Ein Anhänger mit drei Herzen baumelte am Gewehr-Rucksack von Darja Domratschewa, als sie durch die Oberhofer Arena lief, die Wärme suchend bei minus elf Grad. Die 30-Jährige hat hier schon wilde Geschichten erlebt, mal auf die falschen Scheiben gezielt, mal im Stehen statt im Liegen geschossen, das blieb ihr diesmal erspart. Die beste Geschichte lieferte sie trotzdem und das hat auch mit drei Herzen zu tun.

Es sind bewegte Tage in Oberhof, mit Darja Domratschewa kehrt eine Athletin in den Weltcup zurück, die etwas Positives in die aufgewühlte Biathlonszene bringt. 656 Tage ist es her, dass die Weißrussin ihr letztes Rennen bestritt, nun kam sie nicht nur als Ehefrau von Ole Einar Björndalen, dem großen Norweger, sondern auch als Mutter zurück. Ihre Geschichte ist auch eine vom Leben, das sich manchmal eben einmischt, wenn alles ein bisschen zu gut läuft.

Am 1. Oktober kam ihre Tochter zur Welt

28 Jahre war Domratschewa alt, als sie zum letzten Mal über die Ziellinie glitt, damals im März in Khanty-Mansiysk streckte sie nach neun Einzelsiegen den Pokal der Weltucp-Gesamtsiegerin in die Höhe. So hätte das gut weitergehen können mit der Karriere, doch in der Sommerpause erkrankte sie: Pfeiffersches Drüsenfieber machte ihrem Körper so zu schaffen, dass sie in der Folgesaison komplett aussetzen musste. "Die Pause war hart", sagt Domratschewa heute, aber sie sieht auch die positiven Seiten: Eine längere Erholungsphase kann einem Leistungssportler durchaus gut tun.

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Die 27-Jährige zeigt beim Sprintrennen ihre stärkste Saisonleistung und kommt auf Platz fünf. Eine Tschechin gewinnt.

Dass es dann nicht bei dieser einen Saison Auszeit blieb, hat vor allem mit dem Biathlon-Dauerrenner Ole Einar Björndalen zu tun: Dass der Norweger und die Weißrussin ein Paar sind, versuchten sie lange geheim zu halten, auch dann noch, als es allmählich durchsickerte in der Szene. Im April 2016 trug Björndalen plötzlich das Wort "Beziehung" in die Welt: Diese hätte sich "in letzter Zeit ein wenig weiterentwickelt. Wir sind jetzt so weit, dass wir ein Paar sind und ein Kind haben werden". Wenige Monate später heirateten der achtmalige Olympiasieger und die dreimalige Olympiasiegerin in Norwegen im kleinen Kreis, am 1. Oktober kam Tochter Xenia in Minsk zur Welt. "Es fühlt sich toll an, Mutter zu sein", sagt Domratschewa.

In Oberhof tritt die Familie Domratschewa-Björndalen mit ihren drei Herzen nun also im Gesamtpaket auf. Björndalen wurde am Donnerstag 32. im Sprint mit drei Fehlern, Domratschewa landete am Freitag mit zwei Fehlern am Schießstand auf Rang 37. "Es war hart heute", hauchte die junge Mutter nach dem Rennen ins Mikrofon, "aber es ist auch schön, wieder dabei zu sein."

Während die Eltern über die Loipe hetzen, kümmert sich Oma Domratschewa um Xenia, bei anderen Weltcups sind Babysitter im Einsatz. "Natürlich ist es eine Herausforderung mit Kind", sagt die Biathletin, "es ist einfacher, einfach über dein Training nachzudenken und nur mit dir selber beschäftigt zu sein, als sich noch um ein Kind kümmern zu müssen." Doch diese Herausforderung ist nun ihr Leben, das sie mit Björndalen genau so führen will. "Sie ist als Mutter genauso toll wie als Biathletin", sagt er. Alle drei zusammen unterwegs - das soll nicht als Versuch verstanden werden, ob es funktioniert. "Das ist Leben", sagt Björndalen, "als Familie experimentiert man nicht."

Wer Domratschewa in Oberhof sieht, würde nicht auf die Idee kommen, dass sie erst vor drei Monaten ein Kind bekommen hat. "In meiner Schwangerschaft habe ich mich fit gehalten", sagt sie, nicht zu extrem, aber mit leichten Übungen. Domratschewa gehörte schon immer zu den leichteren Athletinnen, ihre Form nun ist dennoch beeindruckend. Ihre Karriere wegen der Schwangerschaft zu beenden, hat sie nie in Erwägung gezogen: "Es war immer geplant zurückzukommen."

"Ich wollte erstmal gucken, wo ich jetzt stehe"

Wie sich der Sport in ihrer Abwesenheit weiterentwickelt hat, verfolgte Domratschewa aus der Ferne mit. "Es war schön, die Rennen zu schauen und zu gucken, wie die anderen in Form sind", sagt sie; die Konkurrenz ist heute ja auch teilweise eine andere. Mit der Finnin Kaisa Mäkäräinen lieferte sie sich damals viele Kämpfe, sie ist heute noch oben dabei. Auch Gabriela Koukalova, die in Oberhof siegte, war damals schon eine starke Konkurrentin, wohingegen Laura Dahlmeier seinerzeit erst so richtig in ihre Karriere startete - heute gehört die Deutsche zu den Gejagten.

Sonne gibt es im thüringischen Stadion nicht allzu oft, an diesem Freitag hatte sie sich ausgerechnet auf die Strafrunde gelegt. Darja Domratschewa wusste das zu schätzen und kreiselte gleich zwei Mal durch, aber das alles war fast schon nebensächlich. "Ich wollte erstmal gucken, wo ich jetzt stehe", sagte Domratschewa, "und versuchen, mich von Rennen zu Rennen zu verbessern." Sie sei ein bisschen vorsichtig gewesen und auch ein wenig ängstlich, das sah man ihr an: Mit vollem Risiko und der letzten Energie bestritt sie ihr Rennen nicht, was für den Einstand aber auch nicht die schlechteste Herangehensweise sein muss.

Schließlich steht in einem Monat schon die WM in Hochfilzen an; dass sie sich dafür noch qualifiziert, ist nicht unwahrscheinlich. Der deutsche Frauen-Bundestrainer Gerald Hönig hatte Domratschewa bei der Saisonvorbereitung in Norwegen beobachtet und was er sah, fand er beeindruckend: "Da hat sie sich bewegt und geschossen, als ob sie nie weg gewesen wäre." Sie sei keine andere Athletin als damals, sagte Domratschewa noch, aber als Mensch hätten sie die neuen Einflüsse natürlich verändert: "Wenn du nach Hause kommst und dein Kind dich anlächelt, ist die ganze Erschöpfung sofort verflogen."

© SZ vom 07.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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