Curling-Profi Baumann:"In Kanada werde ich auf der Straße erkannt"

04 04 2016 Basel Schweiz Curling Weltmeisterschaft St Jakobshalle Bild zeigt Skip Alexander Baum; Curling

Alexander Baumann will sich mit Deutschland für Olympia qualifizieren.

(Foto: imago/Geisser)

Alexander Baumann ist Deutschlands einziger Curling-Profi. Ein Gespräch über Einschaltquoten, Medaillen-Druck und die verzweifelte Suche der Nationalmannschaft nach einem Trainer.

Interview: Julian Budjan

Baumann ist der einzige hauptberufliche Curler Deutschlands und der Skip (eine Art Kapitän) des Teams. In der Olympia-Saison steht er täglich acht bis zehn Stunden auf dem Eis und versucht, möglichst viele Steine möglichst nahe an den Mittelpunkt des Zielkreises zu schieben. Weil es dabei viele taktische Kniffe gibt, wird das Spiel auch "Schach auf dem Eis" genannt.

Derzeit schrubbt Baumann bei der Europameisterschaft im Schweizer St. Gallen für Deutschland um die Wette. Das deutsche Team ist mit zwei Siegen gegen die Slowakei und Schottland sowie zwei erwartbaren Niederlagen gegen Schweden und die Schweiz gestartet. Das große Ziel bleibt Pyeongchang im Frühjahr.

SZ: Was glauben Sie, Herr Baumann, wie viele Leute wissen eigentlich, dass gerade eine Curling-Europameisterschaft stattfindet?

Alexander Baumann: Ich geh' mal davon aus, dass es nicht so viele wissen. Es ist hierzulande einfach nicht präsent genug in den Medien. Doch auch in Sachen Öffentlichkeitsarbeit könnte man mehr tun. Bei Olympia hat Curling enorm viel Sendezeit, in Pyeongchang wieder über 20 Stunden. In den vier Jahren zwischen den Olympischen Spielen läuft die Sportart aber wenig im Fernsehen und deshalb immer etwas unter dem Radar.

Bei Olympia hat Curling immer sehr hohe Einschaltquoten.

Genau, von den verschiedenen Disziplinen sogar eine der höchsten. Daran erkennt man ja, dass die Sportart gefragt ist. Curling interessiert die Leute. Und bei Olympia wissen die Zuschauer eben, dass Curling gezeigt wird.

Die beste Curling-Nation ist Kanada. Bei Olympia 2010 in Vancouver gab es überschwänglich jubelnde Kanadier zu sehen. Diese Begeisterung gibt es hierzulande höchstens für Fußball.

Die Kanadier sind verrückt nach Curling. Es ist dort Volkssport und kommt direkt nach Eishockey. Wir reisen öfter für Turniere dorthin. In Kanada fühle ich mich wie ein richtiger Star. Ich werde ständig auf der Straße erkannt, das passiert mir in Deutschland nicht so häufig. Sobald ich in Frankfurt am Flughafen lande, bin ich wieder komplett aus der Öffentlichkeit raus. Aber ich freue mich auch, wenn ich wieder meine Ruhe habe. Irgendwann wird es schon ein bisschen lästig, wenn alle fünf Minuten jemand kommt, Fragen stellt und Autogramme möchte.

Die Kanadier waren es auch, die Sie zum Curling gebracht haben.

Bei Baden-Baden waren früher kanadische Truppen stationiert. Mein Bruder und ich haben dort einen Schnupperkurs für Golf gemacht. In dem Verein wurde aber auch Curling angeboten. Wir wurden gefragt, ob wir das nicht auch mal ausprobieren wollen. So stand ich mit sieben Jahren das erste Mal auf dem Eis. Unter einem kanadischen Trainer in einer kanadischen Basis. Ich war komplett hin und weg von dem Sport. Wenn man als kleines Kind auf dem Eis rumrutschen und Steine rumschubsen darf, macht das immer Spaß. Ich habe kein Wort Englisch gesprochen, mein Trainer kein Wort Deutsch, aber wir haben uns trotzdem gut verstanden, haben heute noch Kontakt. Mit 15 wurde ich das erste Mal Deutscher Meister und durfte dann sowieso keine andere Sportart mehr machen.

Heute sind Sie Deutschlands einziger Curling-Profi. Wie kommt das?

Ich bin mittlerweile seit zwölf Jahren Soldat, habe dann irgendwann einen Versetzungsantrag gestellt, um in die Sportfördergruppe der Bundeswehr zu kommen. So bekomme ich mein Gehalt, bin aber freigestellt vom Dienst und kann meinen Sport frei ausüben. Ich trainiere das ganze Jahr. Momentan befinden wir uns gerade in der heißen Phase der Saison, da stehe ich acht bis zehn Stunden täglich auf dem Eis.

Wer ersetzt den Bundestrainer?

Der Rest des Teams geht einem geregelten Beruf nach. Wie koordinieren Sie das Training mit den Kollegen?

Vormittags bin ich meist alleine und kann mich auf mich konzentrieren. Als Skip bestimme ich unsere Taktik und spiele die letzten Steine. Nachmittags stößt der Rest des Teams zum Training. Die haben sehr loyale Chefs und arbeiten meist nur halbtags.

Trotzdem stehen Sie derzeit ohne Bundestrainer da: Wie schwer wiegt der Weggang von Thomas Lips in die Schweiz zum Ende der letzten Saison?

Sehr schwer, er ist einer der besten Trainer der Welt. Thomas hat uns viel beigebracht. Es ist schon schwierig ohne ihn. Leider gibt es auch noch keinen offiziellen Nachfolger. Wir haben aber mit Martin Beiser einen ehemaligen Bundestrainer als Teamtrainer, das passt auch sehr gut mit ihm. Mit Thomas telefoniere ich immer noch regelmäßig und hole mir Rat.

Woran liegt es, dass so ein renommierter Trainer nicht gehalten werden kann?

Die Schweiz ist im Curling einfach besser aufgestellt: Die haben mehr Spieler und auch mehr Hallen. Da ist es natürlich schwierig, dass so ein Trainer auf Dauer in Deutschland bleibt. Am Ende war es sicherlich auch eine Geldfrage.

Die finanzielle Situation der Sportart bleibt prekär. Der Curling-Verband muss sich jedes Jahr aufs Neue um Fördermittel bewerben. Ab 2019 kommt die Spitzensportreform, die sich an den Ergebnissen von 2018 orientiert. Fürchten Sie darum, ihrer Leidenschaft irgendwann nicht mehr nachgehen zu können?

Als Athlet macht man sich da natürlich darüber Gedanken. Wir sind ja in der Projektförderung vom Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) und kriegen schon jedes Jahr schon unsere Gelder, aber es hängt natürlich von unseren Leistungen ab. Der Druck auf die Athleten ist da: Wir tragen große Verantwortung, müssen uns jedes Jahr neu beweisen und langfristig Richtung Medaillen weiterkommen. Deswegen sollten wir uns jetzt unbedingt für Olympia qualifizieren. Alles andere wäre eine riesige Enttäuschung.

An der direkten Qualifikation sind Sie - wie auch das Frauenteam - gescheitert. Anfang Dezember findet nun das Qualifikationsturnier statt, wo die beiden letzten Olympia-Plätze vergeben werden. Da steht die EM in ihrer Bedeutung doch sicherlich hintenan?

Unser Hauptaugenmerk liegt natürlich auf dem Qualifikationsturnier. Wenn ich mir die Gegner anschaue, auf die wir treffen, sind wir aus meiner Sicht neben China die Mitfavoriten. Wir haben uns die letzten Jahre stetig gesteigert. Die EM ist sowas wie eine Generalprobe, aber trotzdem muss die Qualifikation für die WM im nächsten Jahr das Ziel sein. Hierzu brauch es einen siebten EM-Platz. Das ist machbar. Die Gegner wissen mittlerweile, dass Deutschland nicht mehr der Punktelieferant ist. Sondern dass sie sich richtig anstrengen müssen, um uns zu besiegen.

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