Champions League:Wien ist stolz und trauert

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Trost für Philipp Prosenik (links): Der Cheftrainer von Rapid Wien, Zoran Barisic, kümmert sich um seinen enttäuschten Profi. (Foto: imago)

Rapid scheitert in der Qualifikation denkbar unglücklich an Donezk - weil es spät zwei Siegchancen vergibt.

Von Thomas Hummel, München

Für Norddeutsche muss der Satz über diese letzten, dramatischen Minuten in Lemberg seltsam klingen. Rapid habe großes Pech gehabt, "als Beric einen Sitzer vergab und Prosenik die Stange traf", schreibt die österreichische Nachrichtenseite heute.at. Ein Spieler namens Beric kickt offenbar im Sitzen? Ein anderer schießt an die Eckfahne? Für so manchen nördlich von Tirol bestätigen sich hier ein paar Vorurteile über Österreich. Fahren die Bewohner nicht alle Ski? Spielt da überhaupt jemand Fußball?

Rapid Wien hat sich zu Saisonbeginn aufgemacht, nicht nur den Piefkes, sondern ganz Europa zu zeigen, dass eine österreichische Mannschaft den modernen Fußball versteht. Ajax Amsterdam hatten die Wiener schon besiegt, in den Playoff-Spielen um die Champions-League-Teilnahme ging es nun gegen Schachtjor Donezk. Ein Verein, der sich trotz des Krieges in der Heimat in der Champions League etabliert hatte. An Donezk ist Rapid Wien nun gescheitert. Knapp. Sehr knapp. Ums Oaschleckn, wie der Wiener sagt.

Das Hinspiel hatte Rapid zu Hause 0:1 verloren. Im Rückspiel in Lemberg zeigte Donezk mit seinen Brasilianern wieder sein technisch feines, schnelles Spiel. Doch Rapid hielt mit Entschlossenheit dagegen. Ende der regulären Spielzeit stand es 2:2. Die Österreicher brauchten noch ein Tor. Es begann die Nachspielzeit.

Da sauste eine Flanke in den Strafraum, wo Mittelstürmer Robert Beric allein am Fünfmeterraum stand. Beric musste nicht einmal springen, so genau flog die Kugel auf ihn zu. "Ich habe ihn schon drin gesehen", bekannte Trainer Zoran Barisic. Er sah falsch. Der Ball war nicht drin - vorbei. "Ich würde alle meine Tore in meinem Leben geben, wenn ich diesen Kopfball rein gemacht hätte", sagte Beric. Diesen "Sitzer", wie man in Österreich sagt, eine Chance, die der Opa mit dem Rollator verwertet. Doch das war noch nicht alles.

Fünfte Minute Nachspielzeit: Freistoß Rapid, der Torwart lässt den Ball abklatschen, und Philipp Prosenik schießt ihn an den Pfosten (österreichisch: "Stange"). Haare raufen, Schlusspfiff, Hände vors Gesicht. Zehn Millionen Euro wäre so ein Sieg wert gewesen, mindestens. Für Rapid eine Riesensumme. Zehn Jahre lang spielte der Verein nicht mehr in der Champions League, wo das große Geld verdient wird. Geld, mit dem das neue Stadion in Wien-Hütteldorf schneller abbezahlt wäre.

Viel wird in Wien nun von Stolz gesprochen. Rapid ist ein Beispiel dafür, dass in Österreich seit Jahren gut gearbeitet wird. Aus der Jugend kommen bestens ausgebildete Talente, die Nationalmannschaft steht dicht vor der Qualifikation zur EM 2016, es wäre die erste Teilnahme bei einem großen Turnier seit vielen Jahren.

Doch gescheitert ist gescheitert. Rapid Wien kann in Salzburg nachfragen, wie sich das anfühlt. Der dortige mit vielen Sponsor-Millionen aufgerüstete Klub versucht es seit langem, scheitert jedes Mal in der Champions-League-Qualifikation - und die besten Spieler suchen danach schnellstmöglich das Weite. Rapids Robert Beric übrigens, der in der 90. Minute den Sitzer vergeben hat, wird wohl in den nächsten Tagen nach England oder Frankreich wechseln.

© SZ vom 27.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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