Champions League:Stiche und Wunden

Lesezeit: 2 min

Die Engländer hadern mit dem CL-Finalort Rom. "Hauptstadt der Messerstecher", rufen sie. Der Fußball eignet sich eben nicht zur Völkerverständigung.

Josef Kelnberger

Der französische Fußballer Thierry Henry, Teil der grandiosen Tormaschine des FC Barcelona, hat jetzt den Münchner Bayern ein Kompliment machen wollen. Selbstverständlich seien auch die Bayern in der Lage, die Champions League zu gewinnen, erklärte Henry.

Rom, das Ziel der acht verbliebenen Mannschaften in der Champions League. Aber nicht nur die Bayern wollen ins Finale. (Foto: Foto: Getty)

Es handelt sich um ein sehr überflüssiges Geplänkel, zumindest, wenn man dieses Viertelfinale vom Nabel der Fußballwelt betrachtet - also von England aus. Dort gilt als ausgemacht, dass Bayern oder Barça im Halbfinale ohnehin an Chelsea respektive Liverpool scheitern werden, und dass der Finalgegner Manchester oder Arsenal heißt.

In Erinnerung an das Endspiel 2008 zwischen Manchester und Chelsea in Moskau wird als einzig interessante Frage diskutiert, ob man dieses englische Finale 2009 wirklich in Rom ausspielen kann: in der, um mit der Londoner Times zu sprechen, "Hauptstadt der Messerstecher".

Stab City, der Begriff wandert hin und her zwischen London und Rom, durchaus mit ernstem Hintergrund. Am Rande des Achtelfinals zwischen AS Rom und Arsenal wurde ein Kleinbus mit Gästefans von römischen Hooligans angegriffen, ein Arsenal-Anhänger erlitt eine Stichwunde am Bein.

Es war, wie britische Medien errechneten, die 26. Messer-Attacke in Rom auf englische Anhänger seit 2001, und damit nahm das Thema Fahrt auf. Sprecher von Fanverbänden äußerten die Furcht, Engländer würden beim Finale in Rom ihr Leben riskieren, britische Oppositionspolitiker forderten die Regierung zum Handeln auf, und die Times kanalisiert den Protest mit einer großen Unterschriftenaktion: Uefa-Präsident Platini solle Rom das Finale entziehen.

Was er natürlich nicht tun wird. Roms Bürgermeister Gianni Alemanno hat in einem Offenen Brief mit dem Hinweis gekontert, Europas wahre Hauptstadt der Messerstecher sei ja wohl London. Auch ihm ist nicht entgangen, dass in England Messerstechereien unter Jugendlichen zu einem ernsten, oft tödlichen Problem geworden sind.

Der Fußball, lehrt das Beispiel wieder einmal, eignet sich kaum zur Völkerverständigung, höchstens zum kontrollierten Abbau von Aggressionen. Rom jedenfalls wird seine Gäste, zumindest die englischen, am 27.Mai als Hochsicherheitstrakt empfangen. Die Stimmung ist gereizt, die Wunden sind geschlagen, auch wenn alle vier englischen Klubs nun erklären, sie würden selbstverständlich gern in Rom antreten.

Während der Rest Europas englischen Größenwahn beklagen mag, werden englische Europaskeptiker sich in ihren Vorurteilen bestätigt sehen. Das hat man nun davon, sich mit Mannschaften vom Festland zu messen: Am Ende ist man wieder unter sich, und muss unangenehme Reisen auf sich nehmen. Erst 2011 steht der aus englischer Sicht einzig angemessene Finalort im Programm: das Wembleystadion zu London.

© SZ vom 25.03.2009/cpah - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Champions League
:Königsklasse wird zur Premier League

Nach Chelsea und Liverpool sind auch Manchester und Arsenal ins Viertelfinale eingezogen. Die Bilder der Champions-League

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: