Champions League:Mandzukic lässt sein Herz regieren

Der Stürmer läuft aus Wut irrsinnige Wege, Paul Pogba kämpft gegen sein Teufelchen und Gianluigi Buffon spielt unmodern. Juventus Turin in der Einzelkritik.

Von Martin Schneider, Turin

Gianluigi Buffon

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(Foto: REUTERS)

Besitzt die Erfahrung von über 68 000 Einsatzminuten. Der Vatikan hat drei Päpste gesehen, in deren Amtszeit Juventus Turin nur einen Torhüter hatte. Der hat in dieser Zeit wahrlich schon bessere Spiele seiner Mannschaft erlebt. Beobachtete aus seinem Tor, wie Juve sich in der ersten Halbzeit ganz auf seine Ordnung und auf seinen Torhüter verließ. Ließ zwei Schüsse abklatschen, was früher in Ordnung war, heute aber als unmodern gilt. Natürlich ließ er sie aber souverän abklatschen. An beiden Gegentoren schuldlos. Sagte vor dem Spiel, man brauche "Wut, Zynismus, Willensstärke und auch ein bisschen Glück" gegen Bayern. Das scheiterte in Halbzeit eins am Zynismus von Juve, im eigenen Stadion erstmal Beton anzurühren. Sah dann Wut und Willensstärke.

Stephan Lichtsteiner

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(Foto: AFP)

Ist Schweizer und hat eine Lehre zum Bankkaufmann abgeschlossen. So viel zum Klischee. Schneller als er sind in der Schweiz aber nur die Skifahrer und Aufschläge von Roger Federer. So viel gegen das Klischee. Hatte daher Douglas Costa auf seiner Seite im Griff wie kaum ein Gegenspieler in dieser Saison. Hätte nach vorne gegen die zuweilen offen agierende Bayern-Kette eine Waffe sein können, aber seine Vorstöße waren in der ersten Halbzeit selten. Als Juve nach dem 0:2 angreifen musste, hatte er Platz zum Sprint und zeigte ein besseres Spiel.

Leonardo Bonucci

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(Foto: AFP)

Folgende Situation hat sich wirklich zugetragen: Leonardo Bonucci will sich einen Ferrari kaufen und wird mit vorgehaltener Schusswaffe im Autohaus bedroht. Der Täter will die Uhr des Verteidigers. Bonucci weigert sich, sie ihm zu geben. Stattdessen schlägt er den Täter nieder und verfolgt ihn. Der Mann hat Glück. Er entkommt Bonucci. Bonucci ist eigentlich ein Verteidiger, der Stahl zum Weinen bringt, aber gegen Bayern fiel er beim Konter zum 0:2 im Mittelfeld um und kam zu spät wieder in die Formation. Hätte einen Raubüberfall vermutlich souveräner gemeistert als dieses Spiel.

Andrea Barzagli

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(Foto: dpa)

Kam mit folgenden Voraussetzungen zu Juventus: Gerade einmal eine halbe Millionen Euro teuer, in Wolfsburg hatte er seinen Stammplatz an Arne Friedrich verloren. Ist mittlerweile 34 Jahre alt, aber in Italien, wo Verteidiger nicht altern (Maldini, Nesta, Zanetti), ist jedes Jahr Erfahrung in der Abwehr ein zusätzlich gewonnener Zweikampf in der Abwehr. Im Spiel gegen Bayern als Einzelspieler kaum zu bewerten, da die Juve-Abwehr ein feines Uhrwerk von sich gnadenlos verschiebenden Ketten war. Sorgte lange Zeit dafür, dass selbst Thomas Müller keinen Raum fand. Aber der schlüpft offenbar durch wirklich jedes Netz.

Patrice Evra

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(Foto: dpa)

Der routinierte Europapokal-Zuschauer sieht bei ihm immer noch das Trikot von Manchester United. Acht Jahre spielte er auf der Insel, die er mit den Worten begrüßte: "Das Essen ist ein Desaster, und es regnet ständig. Wenn ich kein Training oder Spiel habe, hülle ich mich nur in die Decke und schaue DVDs." Ist mittlerweile 34 Jahre alt und hatte klare Geschwindigkeitsnachteile gegen Arjen Robben auf seiner Seite. Stellte den Niederländer mit all seiner Erfahrung so, dass der nur rechts an ihm vorbei konnte und mit seinem schwachen Fuß passen oder Flanken musste. Gelang ihm erstaunlich gut. Beim Gegentor war er nicht für Robben zuständig und musste für den umfallenden Bonucci einrücken. Prompt traf Robben.

Claudio Marchisio

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(Foto: AP)

Einer dieser Spieler, die man mit vielen Adjektiven beschreiben kann, die aber alle das gleiche aussagen. Beidfüßig, laufstark, spielintelligent, mannschaftsdienlich. Seit 2006 bei Juventus und weil er nie wechseln wollte, hat er außerhalb Italiens nicht den Stellenwert, den er in Turin hat. Gewann in der ersten Halbzeit einen Veteranen-Zweikampf sauber gegen Philipp Lahm. Hatte aber im Spielaufbau tierische Probleme mit den früh anlaufenden Bayern-Spielern. Blieb in der Halbzeit in der Kabine, weil Juventus nach dem Gegentor offensiver werden musste.

Sami Khedira

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(Foto: AP)

Der Nationalspieler, bei dem man immer über Dynamik sprechen muss. Läuft dymanisch, passt dynamisch, spielt dynamisch. Hat nun aber leider einen Körper, der durch zahlreiche Verletzungen geschunden ist. In der ersten Halbzeit eher ein Bremsklotz als ein Gaspedal, aber das war ja offenbar von Trainer Allegri so gewollt. Stopfte mit Marchisio Löcher und ging in der 69. Minute für Stefano Sturaro. Weil der sofort traf, wird Allegri damit alles richtig gemacht haben.

Paul Pogba

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(Foto: Getty Images)

Spielte wie jemand, der die Partie in beide Richtungen entscheiden konnte. Teilweise mit unglaublich dynamischen Aktionen, teilweise mit Fahrlässigkeiten, die jedem Trainer Grund geben, ihn sofort auszuwechseln. Bewegte seine 1,91 Meter teilweise wie 1,72 Meter. Gilt ja als Rohdiamant, aber das schon ziemlich lange. Trabte die ersten Minuten mit einer aufreizenden Gleichgültigkeit über den Platz, dribbelte Mitte der ersten Halbzeit in der eigenen Hälfte zwei Bayern-Spieler aus. Das gelang ihm zwar, war aber unnötig riskant. Zog Mitte der zweiten Halbzeit einen Schuss knapp am Winkel vorbei. Ein Spieler, bei dem Engel und Teufel auf der Schulter sitzen. Wenn sich der Engel durchsetzt, landet er bei Madrid oder Manchester. Hört er auf den Teufel, wird er zum neuen Mario Balotelli.

Juan Cuadrado

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(Foto: REUTERS)

Hatte ein großes Problem: Ist eigentlich ein klassischer Spielmacher, aber Turins System sah die Position zunächst gar nicht vor. Musste im rechten Mittelfeld spielen und versuchte, so gut wie es ging die wenigen Angriffe zu lenken. Zeigte erneut, warum er mit Kolumbien bei der WM in Brasilien weit gekommen ist. Ein feiner Fußballer, dem der Pass näher ist als der Zweikampf und der im Gegensatz zu Pogba kein riesiges sondern nur ein großes Potential hat. Das ruft er aber konsequent ab.­ Leitete das 1:2 ein und verzog freistehend in der 68. Minute vor dem Tor. Der Pass ist ihm auch näher als der Schuss.

Paulo Dybala

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(Foto: AFP)

Besitzt den Spitznamen "La Joya" - das Juwel. Und das, obwohl er mit dem Rohdiamanten Pogba und einem Spieler namens Rubinho in einer Mannschaft spielt. Die italienische Presse überschlägt sich mit Lobeshymnen über den Argentinier, aber gegen Bayern lief er zunächst über den Platz wie Katzengold. Traf dann zum 1:2, was kein geniales Tor war, aber in Italien reichen sollte, um wieder ein paar Lobeshymnen auf ihn zu schreiben. Ging für Morata.

Mario Mandzukic

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(Foto: Massimo Pinca/AP)

Hat sich vor dem Spiel offenbar vorgenommen: "Ich. Muss. Jeden. Zweikampf. Selbst. Gewinnen." War eigentlich Stürmer vorne rechts, aber tauchte zuweilen auch hinten links auf, um Patrice Evra gegen Arjen Robben zu unterstützen. Lief Wege, die nicht mal ein Kenianer über 90 Minuten geschafft hätte. Dass seine Wut auf Guardiola groß war, weil dieser ihn aussortiert hatte, bewies er damit dem ganzen Stadion. Spielte aber eben mit Herz und nicht mit Hirn und war dementsprechend schnell müde. Verlor in Halbzeit eins als Höhepunkt ein Kopfball-Duell gegen Joshua Kimmich. War in Halbzeit zwei immer noch erstaunlich agil. Wut ist offenbar gutes Benzin. Stellte sich dann klüger an und legte für Dybala den Anschlusstreffer auf.

Einwechselspieler: Hernanes

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(Foto: AP)

Kam zur Halbzeit für Marchisio und hatte den Auftrag, Juve insgesamt offensiver zu machen. Das erfüllte er.

Stefano Sturaro

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(Foto: AFP)

Tat das, was Mario Mandzukic nicht schaffte: Setzte sich gegen Joshua Kimmich durch und erzielte ein Tor.

Alvaro Morata

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(Foto: AFP)

Gewann eines dieser Kopfballduelle, von denen alle vor dem Spiel gewarnt hatten. Legte so das 2:2 durch Sturaro auf.

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