Champions League:Duell der Panzerkreuzer

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Zum Auftakt der K.o.-Runde überstrahlt eine Begegnung alle anderen Partien: Im Achtelfinale haben die finanzgewaltigen Großklubs Real Madrid und Paris St. Germain so viel zu verlieren wie niemand sonst.

Von Javier Cáceres, Madrid

Paris gilt als Ort der Sehnsucht. Doch er kann auch ein Ort des Fernwehs sein. Und das Fernweh gilt in diesem Fall der spanischen Hauptstadt Madrid.

"Ich könnte nicht ungeduldiger sein. . .", schmachtete Neymar Jr., der millionenschwere, 26-jährige Stürmer von Paris St. Germain, als er zu Beginn des Monats gefragt wurde, ob er schon das Hinspiel des Achtelfinales der Champions League gegen Titelverteidiger Real Madrid ersehne. Am Mittwoch steht es an, im Estadio Santiago Bernabéu (20.45 Uhr, live im ZDF und bei Sky), und es stellt die anderen sieben Duelle dieser auf vier Wochen gestreckten Runde in den Schatten. Denn Real Madrid gegen PSG ist der Auftakt einer zweiteiligen Schlacht mit Finalcharakter (Rückspiel: 6. März in Paris), an deren Ende einer der beiden größten Panzerkreuzer des europäischen Fußballs auf Grund laufen wird. Unweigerlich. "Wir müssen aus allen erdenklichen Gründen gewinnen", raunte ein hoher PSG-Funktionär neulich der spanischen Zeitung El País zu. Doch das gleiche könnte auch - erweitert um die eine oder andere Relativierung - ein Großkopferter von Real Madrid sagen. Auch für Real geht es eigentlich um alles.

Die Relativierung im Falle Madrids rührt daher, dass Real zwar zum Erfolg verdammt ist, um ein "Jahr in Weiß" zu verhindern - so werden in Spanien Spielzeiten ohne Titel genannt. In der heimischen Liga liegt der Rekordmeister 17 Punkte hinter Spitzenreiter FC Barcelona; im Pokal schied er blamabel gegen den Vorortklub CD Leganés aus. Weil Madrid in den letzten beiden Jahren aber acht von zehn Titeln holte, darunter zwei Mal nacheinander die Champions League, ist die Dringlichkeit nicht so groß wie bei PSG.

Zwei Profis, in die extrem viel investiert wurde: Neymar (links) und Kylian Mbappé von Paris St. Germain. (Foto: Benoit Tessier/Reuters)

Es ist nun bald sieben Jahre her, dass das 2,5-Millionen-Einwohner-Fürstentum Katar den Kauf von PSG absegnete, um das Image des Wüstenstaats aufzumöbeln. Die rund 100 Millionen Euro, die Katars Emir Tamim Bin Hamad Al Thani, 37, für die Übernahme locker machte, waren nichts im Vergleich zu dem, was geflossen ist, um die Mannschaft dem ersehnten Champions-League-Triumph näher zu bringen. Nach Angaben des Branchenportals Transfermarkt hat PSG seit der Saison 2011/12 rund 935 Millionen Euro in die Aufrüstung des Teams gesteckt; fast doppelt so viel wie Real Madrid (535 Millionen Euro) im selben Zeitraum. Allein im vergangenen Sommer schlug der Einkauf des brasilianischen Stürmers Neymar Jr. (vormals FC Barcelona) mit der schnapszahlartigen Weltrekordsumme von 222 Millionen Euro zu Buche. Nur Manchester City (1,1 Milliarden Euro) und der FC Chelsea (955 Millionen) haben seit 2011 mehr ausgegeben als PSG; der deutsche Branchenführer FC Bayern wird als 15. auf eine Investitionssumme von 513 Millionen taxiert.

Allerdings: Im Fall der Franzosen sind die 180 Millionen Euro, die PSG dem AS Monaco für die Dienste des französischen Ausnahmetalents Kylian Mbappé versprochen hat, noch nicht eingerechnet. Bis Ende Juni spielt Mbappé, 19, offiziell als Leihspieler bei PSG. Das gilt als buchhalterischer Trick, um die "Financial-Fairplay"-Regeln (FFP) der europäischen Fußballunion Uefa zu erfüllen. Dem Vernehmen nach haben diverse europäische Großklubs im Sommer bei der Uefa interveniert, um eine besonders strenge Prüfung der PSG-Bücher zu verlangen - pikanterweise auch Real Madrid. In Spaniens Hauptstadt hält man sich eben von jeher für das wahre Mekka des europäischen Fußballs, und es nagt an Klub-Boss Florentino Pérez, dass Neymar Jr. und Mbappé für einen Paradigmenwechsel stehen. Die beiden Pérez-Wunschspieler, die dazu berufen sind, die dominierenden Figuren des vergangenen Jahrzehnts, Lionel Messi (FC Barcelona) und Cristiano Ronaldo (Real Madrid), am Firmament des Weltfußballs abzulösen, entschieden sich für die Petrodollars und gegen den Mythos Real.

Die Financial-Fairplay-Prüfung von Paris St. Germain wird vermutlich im Sande verlaufen

Ob aber PSG von der Uefa wirklich auf Grundlage der Financial-Fairplay-Regeln belangt wird, darf bezweifelt werden. Offiziell steht die Entscheidung im März an. Das französische Wochenblatt Le Journal du Dimanche meldete aber am Sonntag, die im September eingeleitete Prüfung werde wohl, Überraschung, im Sande verlaufen. Neymar und Mbappé hätten PSG "in eine andere wirtschaftliche Dimension" katapultiert; das zeigten angeblich Sponsorenverträge, die PSG der Uefa vorgelegt habe. Schon zuvor hatte es geheißen, das PSG-Defizit habe im Oktober 2017 bei "nur" 70 Millionen Euro gelegen. Seither hat PSG als Gruppenerster der Champions-League-Vorrunde satte Prämien von Werbepartnern und der Uefa eingestrichen; weil PSG der letzte französische Champions-League-Vertreter ist, fließen höhere Anteile an den dortigen TV-Geldern in die PSG-Kassen. Dabei dürfte grundsätzlich nicht von Nachteil sein, dass der Vikar des Emirs in Paris, Nasser Al Khelaifi, nicht nur der Chef von PSG, sondern über die Firma Qatar Sports Investment auch von beIN-Sports ist. BeIN Sports hat die TV-Rechte von Ligen in halb Europa gekauft, auch in Frankreich. Zudem hat PSG im Januar den brasilianischen Nationalspieler Lucas Moura für 30 Millionen Euro an den englischen Premier-League-Klub Tottenham Hotspur veräußert. Sollte PSG gegen Real das Viertelfinale der Königsklasse erreichen, würden noch mehr Sponsorenzahlungen fällig. Wenn nicht, könnte PSG durch weitere Spielerverkäufe die Anforderungen der Uefa erfüllen.

Ein Weiterkommen gegen Real wäre also mehr als eine bloße Prestigeangelegenheit - doch dem Parvenü aus Paris hängt das grandiose Scheitern aus der vergangenen Champions-League-Saison noch immer in den Kleidern. Nach einem 4:0 im Hinspiel des Achtelfinals gegen den FC Barcelona erlitt PSG im Rückspiel ein apokalyptisches 1:6. Es war so etwas wie der Beleg dafür, dass es im Fußball unberührbare Faktoren zu geben scheint, eine mystische Aura, die in finalen Momenten zum Tragen kommen kann. Und die erklären hilft, dass in der jüngeren Geschichte nur ein Team, das am Tropf eines Mäzens moderner Prägung hängt, die Champions League gewinnen konnte: der FC Chelsea des Russen Roman Abramowitsch, der 2012 den FC Bayern im Finale in München besiegte.

Der FC Chelsea war übrigens auch der erste Londoner Klub, der die wichtigste Klub-Trophäe des Kontinents holte - und damit die Liste der Hauptstädte kleiner machte, die nie die Champions League gewinnen konnten. Dort wird neben Städten wie Rom oder Berlin immer noch Paris geführt - was nicht nur an der katarischen, sondern auch an der französischen Seele nagen dürfte. Denn das Vorgänger-Format der Champions League, der Europapokal der Landesmeister, wurde Mitte der 50er Jahre von dem französischen L'Équipe-Journalisten Gabriel Henot erfunden. Doch das ist eine andere Geschichte.

© SZ vom 13.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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