Bundesliga:Stimmungsschwankung

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Fan-Aktion in Camouflage: Dresdener Fans in Tarnkleidung beim Zweitliga-Auswärtsspiel in Karlsruhe (Foto: Uwe Anspach/dpa)

Im Mai marschieren Dresdner Fans durch Karlsruhe und skandieren: "Krieg dem DFB". Wenig später unterbreitet der Verband kritischen Anhängern das Angebot zum Dialog. Über den Zustand langwieriger Friedensverhandlungen.

Von Christoph Ruf

Der Dialog begann mit einem Knall, und das im wahrsten Sinne des Wortes. Am 14. Mai marschierten rund 2000 Dresdener Fans in Camouflage beim Zweitliga-Auswärtsspiel in Karlsruhe auf. Immer wieder detonierten Böller, mehrere Polizisten erlitten Knalltraumata, es war ein unrühmliches Spektakel. Doch die Aufmerksamkeit der Fußball-Öffentlichkeit war den Dynamo-Anhängern sicher. Und scheinbar trafen sie einen wunden Punkt. Als im Gästeblock ein Papp-Panzer auf ein stilisiertes DFB-Emblem schoss, applaudierte auch die Karlsruher Haupttribüne.

Die Szenen der folgenden Bundesligaspieltage sollten auch die nächste, nun vergangene Bundesliga-Hinrunde prägen: Zahlreiche Fankurven von München bis Berlin und weiteren Stadien zeigten sich solidarisch, sie entrollten "Krieg dem DFB"-Banner. Und spätestens, seit beim Berliner Pokalfinale beide Kurven den Verband beschimpften und ein Konzert von Helene Fischer auspfiffen, nahm man die Proteste auch in der DFB-Zentrale in Frankfurt ernst. Präsident Reinhard Grindel forderte die protestierenden Fans zum Dialog auf: "Wer mit uns redet, nimmt Einfluss auf unsere Entscheidungen. Wer nicht mit uns redet, hat keinen."

Diesen Dialog zwischen dem harten Kaern der Fanszene, der für Stimmung sorgt, an dessen Rändern aber immer wieder Krawalle zelebriert werden - und dem Verband, der in Deutschland über den Fußball bestimmt, gibt es nun seit mehreren Monaten. Und auch wenn bis Weihnachten wohl kein Spieltag ohne DFB-Beschimpfungen in den Stadien verging, scheint er bereits Früchte zu tragen.

Es wird wieder über konkrete Anliegen der Fans debattiert

Es gibt bekanntlich einiges, was Fans an den Auswüchsen des kommerzialisierten Fußballs auszusetzen haben. Grundlegende Meinungsverschiedenheiten mit den verantwortlichen Funktionären über die Ziele des Sports und dessen Präsentation im Stadion erschwerten den Dialog zwischen Fans und DFB in den vergangenen Jahren. Beide Seiten machten nicht die glücklichste Figur, das Image der Fußballfans in der Öffentlichkeit litt, die Differenzen schienen unüberbrückbar zu werden, bis sie im verstörenden Aufmarsch von Karlsruhe gipfelten.

Doch seitdem, das ist der Unterschied zur Vergangenheit, geht es erstmals wieder um konkrete Wünsche der Anhänger. Von der umstrittenen Stadionverbotsordnung über die kollektive Bestrafung ganzer Fanblöcke bis hin zur Zerstückelung der Spieltage mit bis zu elf verschiedenen Anstoßzeiten kam so vieles auf die Agenda, dass für einige Unterpunkte Arbeitsgruppen gebildet wurden. Ein halbes Jahr später berichten Teilnehmer, dass die Gespräche vorankommen. Wenn auch in unterschiedlichem Tempo.

Dass als hart empfundene Strafen wie ein Stadionverbot außerhalb ordentlicher Gerichte und zum Teil ohne Anhörung der Betroffenen vollstreckt werden, ist vielen Fans ein Dorn im Auge. Hier hat sich der DFB offenbar genau so bewegt wie bei den Kollektivstrafen, also dem Sperren ganzer Fanblöcke. Grindel höchstpersönlich hat schon im Sommer eine Abkehr von der bisherigen Praxis angekündigt.

"Natürlich weiß jeder Fan, dass das Geld die Macht hat"

Schwieriger, heißt es, seien die Gespräche dort, wo es um handfeste finanzielle Interessen geht. Die Vereine der ersten und zweiten Liga haben einen mit jährlich 1,16 Milliarden Euro dotierten TV-Vertrag abgeschlossen, der sich für die Pay-TV-Sender besonders dann lohnt, wenn sie möglichst viele Spiele live und exklusiv übertragen können. Bei den Fans ist die damit einhergehende Auffächerung der Spieltage unbeliebt. Anhänger eines Zweitligisten müssen schon sehr früh aufstehen, wenn sie ihr Team bei einem Auswärtsspiel am Sonntag um 13 Uhr unterstützen wollen. In diesem Punkt, der für die Fanseite Symbol der Unterwerfung des Sports unter kommerzielle Interessen ist, scheint man sich kaum aufeinander zubewegt zu haben. "Natürlich weiß jeder Fan, dass das Geld die Macht hat", sagt Sophia Gerschel, Sprecherin der "Bundesarbeitsgemeinschaft der Fanprojekte". "Das werden die Fankurven im Grundsatz nicht verändern, da sind sie pragmatisch genug."

Unabhängig von der Frage, welche Ergebnisse am Ende präsentiert werden - allein, dass sich Fans und Verbandsvertreter bereits mehrfach hinter verschlossenen Türen getroffen haben, kommt, verglichen mit der Situation vor einem Jahr, einer Sensation gleich. Es ist auch der Erfolg einer Fanszene, die sich schon unmittelbar nach der Dresdener Aktion bundesweit vernetzt hat. Die meisten Ultraszenen - jene Untergruppe, die bislang die lautstarken Proteste orchestriert hatte -, suchten früh das Gespräch mit der ganzen Fankurve und stellten die Forderungen so auf eine breitere Basis.

Vor der ersten Gesprächsrunde am 9. November hatten viele Fankurven auf Transparenten Schlagworte präsentiert, die ihre Kritik an DFB und DFL verkürzt darstellten: "Korruption", "Aufweichung von 50+1", "Auslandsvermarktung" (FC Bayern), "eure selbstherrliche Paralleljustiz" (Stuttgart), "die Kommerzialisierung" (Köln). Offenbar, so berichten Verhandlungspartner, fanden die Gespräche in Frankfurt und Erfurt in einer seriösen Atmosphäre statt. Wer weiß, wie sich die beiden Parteien noch im Sommer offen und hinter vorgehaltener Hand beleidigt haben, wundert sich zuweilen, wie positiv nun übereinander geredet wird.

Besonders DFB-Präsident Reinhard Grindel scheint viele Fanvertreter beeindruckt zu haben. "Der hört wenigstens hin, wenn man ihm von Missständen berichtet und gibt auch mal Fehler im eigenen Laden zu", berichtet ein Ultra. Auch Sophia Gerschel lobt den DFB-Chef: "Wir haben bei ihm den Eindruck, dass er wirklich etwas verändern will." Ein Ergebnis haben die Gespräche also schon gezeitigt. Und im nächsten Jahr wird weitergesprochen.

© SZ vom 31.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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