Bundesliga: 19. Spieltag:Selbst Kuranyi wird bejubelt

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Schalke 04 gewinnt gegen Werder Bremen mit 1:0 und spielt wieder um einen Uefa-Cup-Platz. Die Bremer dagegen müssen einsehen, dass die Mannschaft ohne Diego und Pizarro nicht mehr ist als Mittelmaß.

Jürgen Schmieder

Mesut Özil ist in den vergangenen zwölf Monaten noch einmal zur Schule gegangen. Der 20-Jährige besuchte einen Aufbaukurs, der ausschließlich in Bremen angeboten wird. Es ist die Klasse "Talentierte, im alten Verein jedoch frustrierter Spieler entwickelt sich bei Werder Bremen zum Nationalspieler". Nach dem erfolgreichen Bestehen des Kurses - er wurde kürzlich von Joachim Löw in den Kader der Nationalelf berufen - soll er nun die Fortgeschrittenen-Klasse für kommende Spielmacher absolvieren.

Benedikt Höwedes nach seinem Treffer zum 1:0. (Foto: Foto: dpa)

Diego hat diesen Kurs schon bestanden und weil der Brasilianer zum einen offenbar zum Saisonende den Verein wechselt (laut italienischen Medien hat Juventus Turin 50 Millionen Euro Ablöse geboten) und zum anderen in der Bundesliga gesperrt ist, sollte Özil die Lehre nun im Schnelldurchlauf absolvieren - und das auch noch gegen Schalke, den Klub, von dem er im Februar 2008 nach Bremen wechselte.

Hätte Özil an diesem Spiel nicht teilgenommen, wäre es kaum jemandem aufgefallen - und weil auch kein anderer Bremer Spieler einen vernünftigen Spielzug inszenieren konnte, gewann Schalke 04 das Duell um Krisenbewältigung und Chance auf einen Uefa-Cup-Platz gegen Werder Bremen verdient mit 1:0.

Bremens Trainer Thomas Schaaf hatte seine Mannschaft mit einem Video auf die Begegnung vorbereitet - jedoch nicht mit den besten Szenen, sondern der Niederlage gegen Bielefeld. "Ich glaube, dass die Mannschaft darüber erschrocken war, als sie sich selbst gesehen hat", sagte Schaaf.

Beide Mannschaften begannen zwar temporeich und aggressiv, aber auch nervös und zerfahren. Irgendwie wirkten sie wie zwei Boxer, die in ihren vergangenen Kämpfen dramatisch K.O. geschlagen wurden und nun auf keinen Fall erneut zu Boden gehen wollen. Die Bremer Naldo und Frings sowie die Schalker Bordon und Farfan lieferten sich ein Duell darum, wer die meisten Fehlpässe innerhalb von 45 Minuten spielen kann.

Es gab nur zwei Aktionen in der ersten Halbzeit, die beim Publikum in der Arena auf Schalke eine Gefühlsregung hervorriefen. In der 21. Minute zupfte, zerrte und zog Bordon so lange am Bremer Stürmer Hugo Almeida, bis der hinfiel und einen Elfmeter forderte. Schiedsrichter Jochen Drees erkannte darin - wie sonst nur die Schalker Fans - eine faire Aktion des Brasilianers und ließ weiterspielen. In der 30. Minute dribbelte sich Rafinha auf der linken Seite ans Strafraumeck und schoss knapp am linken Pfosten vorbei. Ansonsten sorgten die Leistungen beider Mannschaften nur für Pfiffe und die Erkenntnis, dass bei diesem Spiel nur zwei Mittelfeld-Mannschaften aufeinander trafen.

Die Schalker Fans waren zur Halbzeitpause offensichtlich so verzweifelt, dass sie die Einwechslung von Kevin Kuranyi mit dem fröhlichen Skandieren des Nachnamens feierten. Darüber waren die Bremer Spieler so verwundert, dass sie beim Freistoß in der 49. Minute beschlossen, auf jegliche Bewegung zu verzichten. Benedikt Höwedes brauchte in Ermangelung eines Gegenspielers nur den Kopf hinhalten, um den 1:0-Siegtreffer zu erzielen.

Werder Bremen hätte zu diesem Zeitpunkt einen Spieler gebraucht, der sichere Bälle spielt oder durch eine gewitzte Einzelaktion die gegnerische Abwehr vor Probleme stellt - einer wie Diego eben. Mesut Özil ließ zwar in der 53. Minute sein Talent erahnen, als er drei Gegenspieler versetzte und Markus Rosenberg eine Torchance servierte, er ist aber ebensowenig ein Diego wie Hugo Almeida ein Claudio Pizarro ist, der zweite gesperrte Star im Bremer Kader. Und so blieben die Bremer Angriffsbemühungen eher Bemühungen als wirkliche Angriffe. "Uns fehlt einfach die Durchschlagskraft", sagte Manager Klaus Allofs nach dem Spiel. "Wir waren ohne Diego und Pizarro zumindest gleichwertig, aber haben keine Tore gemacht. Und das macht eben den Unterschied."

Keine Pfiffe gegen Kuranyi

Allein durch Standardsituationen kamen die Bremer zu Gelegenheiten und Naldo schaffte tatsächlich noch mehr vergebene Torchancen als Fehlpässe. Erst gegen Ende des Spiels wurde der SV Werder druckvoller, was jedoch weniger an der Kreativität der Bremer lag als vielmehr daran, dass Schalke weitestgehend auf Entlastungsangriffe verzichtete. "Wir haben ordentlich gespielt, aber eben diesen einen Fehler gemacht - und das war's", sagte Torsten Frings.

Auffälligster Schalker war dennoch Kevin Kuranyi, der gekonnt die in die Spitze gespielte Bälle verteidigte und sicher auf nachrückende Kollegen ablegte. Er vergab noch nicht einmal - wie sonst üblich - eine klare Torchance, weil er einen Kopfball aus vier Metern nicht in Richtung Tor, sondern zu Kollege Asamoah drückte, der jedoch nicht mit einem Abspiel rechnete. Kuranyi zeigte nach seiner Verletzung eine engagierte Leistung, was die Fans durchaus honorierten.

Schalke 04 spielt nach diesem Sieg wieder um einen Platz, der zur Teilnahme an internationalen Wettbewerben berechtigt. Werder Bremen dagegen muss im Uefa-Cup gegen den AC Mailand darauf hoffen, dass es nicht die letzten beiden internationalen Auftritte für mehr als 18 Monate sind. Bei diesen Spielen stehen Pizarro und Diego wieder auf dem Feld - und Özil darf wieder der Lehrling sein. Diese Rolle liegt ihm derzeit noch besser als die des Spielmachers. Aber er lernt ja noch.

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