Bundesliga-Schiedsrichter:Nie mehr Note "drei minus"

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Darf zur WM, trotz Phantomtor: Schiedsrichter Felix Brych. (Foto: dpa)

Getadelt von den eigenen Vorgesetzten stehen die Bundesliga-Schiedsrichter in der Rückrunde unter besonderer Beobachtung. Die aktiven Referees werben für Verständnis: Ihr Job ist deutlich schwieriger geworden.

Von Johannes Aumüller und Carsten Eberts

"19. Mannschaft der Bundesliga", so heißt das manchmal, wenn es um die Schiedsrichter geht. Also ist es nur nahliegend, dass diese 19. Mannschaft in dieser Winterpause auch einmal das gemacht hat, was alle anderen 18 Mannschaften in der Winterpause auch machen. Die 19. Mannschaft hat sich getroffen und einen längeren Auslandsaufenthalt absolviert. Sechs Tage Mallorca, streng durchgetaktetes Programm, inklusive erster Laufeinheit um 7.45 Uhr am Morgen.

Das war sehr gut, fanden danach alle. Das war aber auch nötig, fanden viele.

Die Schiedsrichter haben ein bemerkenswertes Halbjahr hinter sich. Selten haben sie aus sportlicher Sicht so permanent im Fokus gestanden, in der Themen-Hitparade kamen bald nach Pep Guardiolas Super-Bayern schon Herbert Fandels Nicht-ganz-so-super-Schiedsrichter. Da gab es gravierende Einzelfälle wie das Phantomtor von Hoffenheim oder andere erstaunliche "Wahrnehmungsfehler", wie das in der Schiedsrichtersprache so schön heißt; Fälle, bei denen ihnen technische Unterstützung aus der Bredouille geholfen hätte.

Schiedsrichter für Brasilien
:Felix Brych darf zur WM

Die Fifa hat die Schiedsrichter für die WM in Brasilien benannt: Als einziger Deutscher darf Felix Brych pfeifen. Er hatte in der Bundesliga-Hinrunde das Phantomtor von Stefan Kießling anerkannt.

Daneben gab es manch strukturelle Debatte, die sich damit beschäftigte, dass es bei Handspiel und Zweikampfverhalten doch merkliche und bisweilen schwer nachvollziehbare Auslegungsunterschiede gebe. Und schließlich gab es einen ungewöhnlichen Umgang mit den Fehlern, wie manche in der Branche irritiert feststellten.

Bisher wurden die Schiedsrichter stets als verschworener Haufen wahrgenommen; öffentliche Kritik von ihren Vorgesetzten mussten sie nicht fürchten. Doch als Felix Brych, Deutschlands Vertreter bei der WM in Brasilien, eines der vielen umstrittenen Handspiele im Strafraum per Elfmeter ahndete, befanden DFB-Schiedsrichterboss Herbert Fandel und sein DFL-Pendant Hellmut Krug einhellig, das sei eine "eindeutig falsche Entscheidung" gewesen.

Zuletzt wurde Fandel noch deutlicher und verteilte sogar Zensuren. "Drei minus", seien die Leistungen gewesen. "Es hat in der Hinrunde einige bislang selten zu sehende Fehler gegeben. Das war ungewöhnlich für unsere Schiedsrichter und hat für unnötige Unruhe gesorgt", sagt er.

In Mallorca haben sie all das nun thematisiert. Mehr als 200 Szenen haben sie angesprochen, in Kleingruppen analysiert und debattiert und dann haben sie versucht, sich auf eine einheitlichere Deutung zu verständigen. "Sehr wichtig war es für uns, noch einmal gemeinsam mit unseren Schiedsrichtern konkrete Kriterien für die Einordnung einzelner Spielsituationen wie zum Beispiel Handspiel, Abseits oder die Bewertung von Zweikämpfen zu formulieren", sagt Herbert Fandel, der überzeugt ist, dass sich die Fehler demnächst wieder reduzieren.

Er weiß aber auch, dass das nicht so einfach ist. Denn die Spielleitung hat sich deutlich verändert im Vergleich zu jenen Tagen, als noch ein Wolf-Dieter Ahlenfelder (das war der, der mal eine Viertelstunde zu früh zur Pause bat) oder auch Fandel selbst pfiffen.

"Das Bauchgefühl hat in den letzten zehn Jahren abgenommen. Man kann sich auf die Bewegungsabläufe der Spieler viel weniger verlassen", sagt Florian Meyer, einer der erfahrensten deutschen Schiedsrichter, der bald sein 250. Bundesligaspiel pfeift.

Und wenn die Profis immer schneller spielen, heißt das nicht nur, dass es immer schwieriger ist, die Szene richtig zu deuten. Sondern auch, dass der Schiedsrichter von heute viel mehr und schneller laufen muss. Seitdem die Topteams ein Gegenpressing Dortmunder Art praktizierten, hätten die Schiedsrichter kaum noch Zeit, nach einzelnen Szenen durchzuschnaufen, sagt Meyer. Er habe deshalb in den vergangenen Jahren seinen Trainingsplan komplett umgestellt, vor allem im athletischen Bereich.

Er glaube, dass das Trainingslager in Mallorca sehr erfolgreich war, sagt Schiedsrichterchef Fandel. Doch wie bei den 18 anderen Bundesliga-Mannschaften auch, lässt sich das vorab ja nur schwerlich beurteilen. Sondern erst dann, wenn Peter Gagelmann (der die Auftaktpartie Mönchengladbach gegen den FC Bayern pfeift) und seine Kollegen am Ende der Rückrunde darauf verweisen können, dass sie die älteste aller Schiedsrichter-Regeln befolgen konnten: nämlich so aufzutreten, dass sich nach dem Spiel niemand für sie interessiert hat.

© SZ vom 24.01.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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