Bundesliga:Grün hinter den Ohren

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Während die Namen berühmter Kandidaten kursieren, stellt der SV Werder mal wieder einen Trainer-Neuling vor: Florian Kohfeldt, 35, soll als Nachfolger von Alexander Nouri das Bremer Offensivspiel beleben.

Von Jörg Marwedel, Bremen

Am Mittwoch nahm die Suche nach dem neuen Trainer von Werder Bremen Fahrt auf - zumindest medial. Der Berater des angeblichen Wunschkandidaten Lucien Favre meldete, sein Klient habe weiter "nur Nizza" im Kopf, unabhängig von der derzeitigen sportlichen Talfahrt des OGC Nizza. Aus Österreich meldete sich der frühere Werder-Regisseur Andreas Herzog: "Keine Frage, bei Werder würde ich sofort als Trainer einsteigen, das ist ein ganz besonderer Verein für mich." Der selbsternannte Kandidat, der zuletzt als Assistent von Jürgen Klinsmann das USA-Team betreut hatte, schob aber nach: Er sei schon früher oft genannt worden, aber nie habe es Verhandlungen gegeben. Auch eine Kontaktaufnahme zum früheren HSV-Coach und Werder-Profi Bruno Labbadia hat es nach Angaben des Klubs nicht gegeben. Dafür soll der Schweizer René Weiler, der den 1. FC Nürnberg coachte und zuletzt mit dem RSC Anderlecht belgischer Meister wurde, ein ernsthafter Kandidat sein.

Nimmt man dagegen alles das, was Sportchef Frank Baumann über einen weiteren Aspiranten gesagt hat, sehr wörtlich, könnte man die Suche eigentlich einstellen. Über Florian Kohfeldt, 35, den Mann, der die saisonübergreifend seit 13 Bundesligaspielen sieglosen Bremer am Freitag in der Partie bei Eintracht Frankfurt anleiten soll, sagt Baumann nämlich, dieser habe eine große Trainerkarriere vor sich.

"Er ist ein intelligenter, junger, innovativer Trainer", hatte er schon am Montag geäußert. Er habe die U23 in der vergangenen Saison in der Liga gehalten, könne Spieler weiterentwickeln und habe eine klare Ansprache. Der gebürtige Delmenhorster Kohfeldt, seit 2006 bei Werder zunächst im Jugendbereich tätig, dann unter Viktor Skripnik bereits Assistenztrainer bei den Profis und derzeit Trainer der Drittligamannschaft, hat seine Trainerausbildung wie die Liga-Senkrechtstarter Julian Nagelsmann (Hoffenheim) und Domenico Tedesco (Schalke) mit Bestnoten abgeschlossen, ohne selbst als Spieler ganz oben gespielt zu haben.

Das Lächeln eines Siegers? Florian Kohfeldt bei seiner ersten Pressekonferenz am Mittwoch. (Foto: Carmen Jaspersen/dpa)

Baumanns Problem ist nur: Scheitert nach Skripnik und dem am Montag entlassenen Alexander Nouri auch der dritte Neuling, könnte das dem Klub erheblich schaden - bis hin zum Abstieg. Noch nie hat Werder nach zehn Saisonspielen keinen einzigen Sieg hinbekommen. Noch nie hat die einstige Torfabrik Werder so wenig Tore geschossen wie in dieser Spielzeit, nämlich gerade mal drei. Und so sagte der Manager Baumann dem Neuling Kohfeldt das gleiche, was er Nouri vor 13 Monaten gesagt hatte: Er könne sehr wohl ein Kandidat auf Dauer sein, aber er werde auch Gespräche mit anderen Anwärtern führen - vermutlich mit erfahreneren.

Der ehrgeizige Kohfeldt, der bei der Partie Frankfurt vom einstigen Bremer Nationalspieler Tim Borowski assistiert wird, hatte zunächst den Profis den freien Dienstag gestrichen. Am Mittwoch gab er sich bei seiner ersten Pressekonferenz dann alles andere als zurückhaltend. So sagte er zum Beispiel, seine Karriere werde sowieso irgendwann in der Bundesliga münden. Die momentane Situation sehe er als Chance. "In dieser Woche muss die Mannschaft eine Reaktion zeigen", forderte er und kündigte "ein, zwei taktische Änderungen" an. Er wird vor allem neue Lösungen im darbenden Offensivspiel suchen. Er kündigte an, mit den Profis darüber sprechen zu wollen, "wie wir neue Optionen in der Spieleröffnung schaffen". Zudem werde er darüber reden, wie man hinter die Abwehrkette des Gegners komme - und dass man "nicht so sehr in die Breite spielen" wolle.

Kapitän Zlatko Junuzovic, der den entlassenen Nouri lange verteidigt hatte, hob jetzt Kohfeldts Verdienste zu Skripniks Zeiten hervor. Er sei damals ein sehr wichtiger Faktor beim Klassenerhalt gewesen. Und noch etwas sagte Junuzovic: "Das Alibi ist weg. Jetzt gibt es keine Ausreden mehr." Der kursierenden Darstellung, es habe eine Gruppe von Spielern, angeführt von Max Kruse, beim Sportchef vorgesprochen und so maßgeblich zur Entlassung von Nouri beigetragen, widersprach der Verein dagegen in einer Pressemeldung.

Der Abgang der Geschassten hatte immerhin das Niveau, das den SV Werder nach eigener Ansicht auszeichnet. Nachdem Nouri sich vom Team verabschiedet hatte, ließ er via Facebook wissen: "Ein Teil von mir wird immer grün-weiß bleiben." Sein ebenfalls gekündigter Assistent Markus Feldhoff fand die Freistellung nach dem schmerzhaften 0:3 am Sonntag gegen den FC Augsburg "nachvollziehbar" und lobte seinen nun ehemaligen Arbeitgeber: "Ich gehe als Werder-Fan, das ist ein toller Verein."

Doch der Tabellensiebzehnte startet nun schon den vierten Neubeginn nach der 2013 zu Ende gegangenen 14 Jahre währenden Ära Thomas Schaaf. Das wiederum passt irgendwie gar nicht zu dem tollen Verein, der mit Thomas Schaaf und Otto Rehhagel fast drei Dekaden bestritt. Und dass ausgerechnet Baumann, der eigentlich nicht zu Überreaktionen neigt, in seiner bisher 17-monatigen Amtszeit schon den zweiten Trainer entlassen hat, spricht natürlich nicht für ihn. Umso wichtiger ist es, dass der nächste Trainer passt. Sonst wäre ausgerechnet der Kapitän der Double-Mannschaft von 2004 der Mann, der dem SV Werder den Weg Richtung zweite Liga weist.

© SZ vom 02.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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