Bundesliga: Elf der Saison:Obama und der Stab

Der wichtigste Ersatztorwart, der kürzeste Kurzzeit-Absteiger, der Sex-Zugang und ein umstürzlerisches Beraterkonsortium. Die sueddeutsche.de-Elf-der-Saison

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André LenzWie alle Ersatztorhüter dieser Welt wird sich auch André Lenz immer die gleiche Frage anhören müssen: Fühlen Sie sich als Meister? André Lenz kann diese Frage ganz ruhig und bestimmt mit Ja beantworten. Das hat zwei Gründe:1. Lenz hat am 21. und 22. Spieltag Diego Benaglio ersetzt und musste gleich zweimal gegen einen Tabellenführer ins Tor. Mit Lenz gewann Wolfsburg gegen Hertha BSC und in Hamburg und legte den Grundstein für die Meisterschaft des VfL.2. und wichtiger: Lenz wird diese Saison für immer versinnbildlichen, weil er von Trainer Felix Magath im Heimspiel gegen den FC Bayern eine Minute vor Schluss eingewechselt wurde. Da stand es 5:1, bei Uli Hoeneß und Jürgen Klinsmann fror endgültig das Gesicht. Es war eine der größten Demütigungen in der jüngeren Münchner Klubgeschichte. Sie ist für immer mit dem Namen André Lenz verbunden.hum/Foto: ddp

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Andreas BeckOffiziellen Angaben zufolge ist Andreas Beck am 13. März 1987 geboren und nach eigenen Angaben im Alter von drei Jahren von Westsibirien ins Schwabenländle übergesiedelt. Aber wahrscheinlich weiß ein schlauer Kerl wie Beck, dass im heutigen Schnellschussjournalismus kein Reporter so eine exotische Herkunft recherchieren würde. Unbestätigten Gerüchten zufolge stammt Beck nämlich aus der fernen Zukunft des deutschen Fußballs, wo er bei dem alten Philipp Lahm die Verteidigerschule absolvierte (dort werden die einstigen Stilikonen Lorant und Briegel nur noch im Nebenfach Verteidiger-Historie durchgenommen).Obwohl taktisch intelligent und offensivstark, schaffte er es mit seiner gewissermaßen postmodernen Defensive doch tatsächlich, selbst Franck Ribéry den Spaß am Spiel zu rauben. Abseits des Spielfeldes fährt er Saab und liest Bücher von Fjodor Dostojewski - wahrscheinlich weil deren Kultstatus entgegen der schon bald überholten Technik eines Audi S6 und einer Playstation auch in der Zukunft als zeitlos gilt.dop/Foto: dpa

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Dino DrpicSelten hat ein Zugang beim Karlsruher SC derart viel Aufsehen in der gesamten Republik entfacht. Dino Drpic kommt nach Karlsruhe! Nun, das alleine hätte die Redaktionen im ganzen Land nicht in Aufregung versetzt, wenngleich dem kroatischen Verteidiger ein guter Ruf vorauseilte. Nein, es war allein folgende Geschichte mit seiner Ehefrau namens Nives Celsius, die das Land zittern ließ:"Die heiße Frau Celsius und ihr KSC-Star" (Schlagzeile im Boulevard) sollen nachts in das leere Stadion von Dinamo Zagreb eingestiegen sein und dort unter Flutlicht auf dem Rasen Geschlechtsverkehr gehabt haben. Eine solche Geschichte hatte man noch nie gehört. Und so jemand kommt nach Karlsruhe! Sogar mit Nives Celsius!Am Ende stellte sich heraus, dass die Geschichte mehr erfunden als real war. Das Paar Drpic aber war in aller Munde. Was aber nicht verhinderte, dass der Mann des Hauses in die zweite Liga abstieg.hum/Foto: dpa

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Josip SimunicAuf der Suche nach dem besten Verteidiger der Saison landet man unweigerlich bei Josip Simunic. Tatsächlich bei Josip Simunic. Viel Respekt wurde ihm in der Bundesliga bis zu dieser Saison nicht zuteil. Ein Berliner Verteidiger eben, der sich hin und wieder im Ton vergreift oder als erster Profi in einem WM-Spiel drei gelbe Karten sieht.Jetzt stieg Josip Simunic in den Olymp der Bundesliga-Verteidiger auf. Er stand derart knochig in der Gegend herum, dass die Stürmer kaum einen Weg um ihn herum fanden. Und nach Ballverlust mussten diese aufpassen, nicht einen Beinschuss zu kassieren.Seit Wochen sprach Simunic von der Meisterschaft und kritisierte dann die Mitspieler, als es nicht klappte. Nun kokettiert er mit einem Abgang in die englische Premier League (Ausstiegsklausel für sieben Millionen Euro). Vielleicht ist er bald wieder ein Berliner Verteidiger, der sich hin und wieder im Ton vergreift und als erster Profi in einem WM-Spiel drei gelbe Karten gesehen hat.hum/Foto: ddp

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Patrick EbertTrotz seines etwas süßlichen französischen Akzents und seiner etwas kindlichen Art, in die Hände zu klatschen, hat Lucien Favre in der Sache durchaus Eigenschaften eines "harten Hundes". Die beiden Pole des Berliner Trainers wurden in der Causa Patrick Ebert deutlich: Als müsse er sich von einem nahem Verwandten verabschieden, sagte er: "Das ist eine enorme Enttäuschung für mich", sagte Favre und machte aus seinem Ärger keinen Hehl: "Patrick ist ein guter Junge, aber dieses Mal ist er zu weit gegangen."Patrick Ebert, 22 Jahre alt, war im März im Anschluss an seine Geburtstagsparty zusammen mit seinem Kumpel Kevin-Prince Boateng bis drei Uhr morgens unterwegs und soll auch noch einige Autos demoliert haben. Alle Medien berichteten davon und die Sache war ja klar: Ebert und Boateng, die Ghetto-Kids aus Berlin, sind schuldig. Was auch sonst? Favre schickte Ebert umgehend in die Reservemannschaft.Nur dumm, dass Ebert einer der besten Spieler in dieser Saison bei den Berlinern war, dass er auf der rechten Mittelfeldseite einer der besten Spieler der ganzen Liga war. Dumm auch, dass Hertha das Spiel ohne Ebert in Stuttgart sang- und klanglos 0:2 verlor. Noch dümmer, dass die Spieler den Verdacht, Autos demoliert zu haben, vehement bestreiten und bis heute nichts bestätigt ist. Favre setzte Ebert danach übrigens wieder ein.hum/Foto: Getty

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Renato AugustoLudovic Magnin ist bekanntlich ein offener Typ, der gerne im offenen Gespräch scherzt. So auch im Februar, nach dem Stuttgarter 4:2 in Düsseldorf gegen Leverkusen. Der VfB-Verteidiger traf auf dem Weg zum Bus Renato Augusto, klopfte ihm hart auf die Schultern und begann das Palavern. Doch der Brasilianer zog nur den Kopf ein und nickte. Renato Augusto, 21, wirkte neben Magnin schüchtern wie ein Lehrling.Doch auf dem Spielfeld ist es mit dem Lehrling-Dasein vorbei. Renato Augusto ist eine der Entdeckungen dieser Saison. Sechs Millionen Euro haben die Leverkusener für ihn angelegt und damit nur die Hälfte seiner Transferrechte erworben: Ein brasilianisches Besitzerkonsortium hält weiterhin die andere Hälfte. Dieses absurd anmutende Geschäft wird plausibel, wenn Renato Augusto spielt. In Schalke hat er Levan Kobiashvili und Christian Pander bis zur Besinnungslosigkeit umkurvt und den Ball an Torwart Manuel Neuer vorbei ins kurze Kreuzeck genagelt.Sein Weg ist vorgezeichnet: Ein bisschen noch darf sich die Bundesliga an dem technisch Hochbegabten erfreuen, dann wird ein großer Klub anrufen.hum/Foto: ddp

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Carlos EduardoIn den Straßen von Ajuricaba im südlichen brasilianischen Staat Rio Grande do Sul muss es mitunter hart zur Sache gehen. Jedenfalls hat der 21-jährige Carlos Eduardo dort, in seiner Heimatstadt, gelernt, sich handfest zur Wehr zu setzen. Was dem Profi der TSG Hoffenheim auf dem Spielfeld zu einer nützlichen Robustheit verhilft. Was ihm in dieser Saison aber auch einige Spiele Sperre einbrachte.In der Winterpause beschleunigte Eduardo den folgenden Niedergang seines Klubs mit einer Rauferei gegen den Hamburger Ivica Olic. Eduardo wurde für zwei Spiele gesperrt. Später bekam der Bochumer Philipp Bönig die Kampfkünste Eduardos zu spüren, diesmal wurde der Hoffenheimer gleich fünf Spiele lang verbannt.In seinen 25 Einsätzen erzielte Eduardo übrigens acht Tore und bereitete sechs vor. Hoffenheims Mäzen Dietmar Hopp hofft angesichts dieser Leistung: "Ich hoffe, dass Carlos endlich erwachsen wird." Vielleicht schon nächste Saison.hum/Foto: dpa

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Franck RibéryDiese Personalie ist zwar so erwartbar wie eine Schwalbe im Frühling. Aber was soll eine Elf dieser Saison ohne Franck Ribéry? Obwohl man dann den Spieler auf der rechten Mittelfeldseite (in diesem Fall Patrick Ebert) eigentlich gleich aus der Mannschaft nehmen könnte. Denn wie beim FC Bayern würde eine Elf der Saison mit Franck Ribéry immer nur über links angreifen.Die Opfer in dieser Saison in München: Bastian Schweinsteiger, Hamit Altintop, José Sosa. Einmal schickte Trainer Jupp Heynckes Zé Roberto auf rechts, doch der gab bald auf und lief auf links herüber. Alle wollen mit Franck Ribéry spielen, alle wollen ihm zusehen und vielleicht will auch bald jemand eine Überweisung mit vielen, vielen Nullen dran für den Franzosen an den FC Bayern überweisen. Schade eigentlich.hum/Foto: Getty

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GrafiteGerd Müller sagte einmal: Heute, da würde er viel mehr Tore schießen als früher. Diese Raumdeckung, diese Viererketten, pah, da würde es nur so bumm machen.In diesem Licht glänzt die Leistung von Grafite schon wieder weniger hell. Doch nimmt man den einzigartigen Gerd Müller mal beiseite, dann wird die Einzigartigkeit des Brasilianers Grafite umso deutlicher. In 25 Bundesliga-Spielen hat der Wolfsburger Angreifer 28 Treffer erzielt. Mit links, mit rechts, per Elfmeter und zum Schluss noch mit dem Kopf. Grafite ist ein würdiger Nachfolger von Gerd Müller als Inhaber der Torjägerkanone. Und wäre er es nicht geworden, dann sein Teamkollege Edin Dzeko, und eigentlich hat auch Zvejzdan Misimovic mit 20 Vorlagen (Bundesliga-Rekord) mindestens ein Rad der Kanone verdient.Und eines hat Grafite dem deutschen Bomber nun voraus: Er benötigte nur 75 Spielminuten pro Tor. Müller benötigte in seinem besten Jahr 1971/72 ganze 77 Minuten pro Treffer.hum/Foto: AFP

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Vedad IbisevicDies nur als Erinnerung an eine scheinbar ferne Zeit: Auch Vedad Ibisevic freute sich über die sensationelle Quote, weniger als ein Spiel für ein Bundesliga-Tor zu benötigen. 18 Treffer in 17 Partien. Zusammen mit Obasi und Ba mischte Ibisevic beim Aufsteiger TSG Hoffenheim in Spätsommer und Herbst die Liga auf. Das Trio spielte den vor Misimovic/Grafite/Dzeko aufregendsten Offensivfußball, den das Fußballland seit Jahren gesehen hatte.Doch dann wurde ausgerechnet das Tor zum 1:0 in München zum letzten Freudentanz um Vedad Ibisevic. Die Hoffenheimer verloren noch, und ein paar Wochen später humpelte Ibisevic während eines Testkicks gegen den Hamburger SV vom Platz: Kreuzbandriss! Eine Diagnose, die den Sensations-Herbstmeister Hoffenheim im Mark traf und irgendwie auch die ganze Liga. In der nächsten Saison soll Vedad Ibisevic zurückkommen und alle fragen sich: War die Vorrunde der vergangenen Saison nur eine Erscheinung? Oder wird Vedad Ibisevic noch einmal jeden Ball, der ihm vor die Füße fällt, einfach ins Tor schießen?hum/Foto: Getty

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Joshua KennedyDer Abstieg des Karlsruher SC ist in gewissem Sinne hochverdient. Denn er beruht auf der obskuren Fehlplanung, ohne Stürmer in eine Saison zu gehen. Na ja, Sebastian Freis hat achtmal getroffen, aber eigentlich ist Sebastian Freis kein richtiger Stürmer, eher ein offensiver Mann auf dem Flügel. Also ruhten die Erwartungen der KSC-Macher auf Edmond Kapllani, null Tore, und vor allem auf Joshua Kennedy.Wie zum Hohn erzielte der großgewachsene Australier seine ersten zwei Saisontore, als zum Abschluss gegen Hertha BSC schon nichts mehr zu retten war. Vielleicht hat das ja der FSV Mainz oder der SC Freiburg gesehen und denkt sich: Ach ja, der Kennedy ist eigentlich doch ein Guter, den holen wir. Und dann könnte sich die Bundesliga auf ein weiteres Jahr (fast) ohne Kennedy-Tor freuen. Vielleicht kommen die Herren Andersen und Dutt aber auch auf die durchaus interessante Idee, Joshua Kennedy in die Verteidigung zu stellen. Das wäre wohl auch für diese Elf der Saison besser, denn dann würde sie im beliebten 4-4-2-System spielen.hum/Foto: Getty

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Jörg BergerDie Jagd nach Rekorden ist ja insgesamt eine ärgerliche Sache. Noch schneller, noch weiter, noch härter, noch kürzer. Noch kürzer? "Das ist auch mal was Schönes, dass man eine Saison in eineinhalb Wochen bestreitet." Das sagte Ewald Lienen, der zwei Spieltage vor Schluss Trainer des Zweitligisten 1860 München wurde. Doch was soll da Jörg Berger sagen? Ganze fünf Tage war der Berufsretter in Bielefeld im Amt.Erst einmal hat ein Bundesligist vor dem letzten Spieltag noch den Trainer gewechselt. Vor 32 Jahren entließ Rot-Weiß Essen einen gewissen Fritz Pliska. Doch in Essen war damals schon alles zu spät. Diesmal in Bielefeld kamen die Verantwortlich auf die bizarre Idee, Michael Frontzeck noch zu entlassen, obwohl der Klassenerhalt noch greifbar war. Und Jörg Berger kam auf die bizarre Idee, fünf Tage vor Saisonende eine Mannschaft zu übernehmen. Er wird nun als der kürzeste Kurzzeit-Absteiger in die Ligahistorie eingehen (Rekord!) und bemerkte: "Es war für mich eine interessante Zeit, auch wenn es nur ein paar Tage waren."hum/Foto: Getty

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Der TrainerstabSpätestens seit diesem unvergesslichen Jahr der Visionen und umstürzlerischen Gedanken in der Fußball-Bundesliga ist ja klar, dass Jürgen Klinsmann der "Barack Obama des deutschen Fußballs" ist. Das war ein sehr schönes Bild von Günther Jauch, dem Papst des deutschen Fernsehens, weil ein der Revolution verpflichteter Trainer heute keinesfalls mehr mit nur einem einzigen Ko-Trainer regieren kann; er vertraut schon einen ganzen Stab an Beratern.Der amerikanischen Tradition folgend braucht ein Obama des deutschen Fußballs also mindestens eine First Lady (Frauen im deutschen Fußball? Haha, guter Witz!), den Quotenlatino (Martin Vasquez, war übrigens mal Ko-Trainer bei Jürgen Klinsmann), einen knurrigen Schleifer für unpopulistische Entscheidungen (Hermann Gerland), eine Art Außenminister (Nick Theslof, war mal internationaler Scout unter Klinsmann), einen sogenannten alten Hasen, der mal so richtig Ahnung hat vom Geschäft (Hans Meyer), ein paar gutaussehende Maskottchen (Tim Wiese, Mehmet Scholl, Oliver Kahn) und einen Bürohengst mit eher linksliberaler Meinung für Verwaltung und Zettelwirtschaft (Ewald Lienen, derzeit 1860 München, aber sicher bald wieder auf dem Trainerkarussell sitzend).dop/Foto: Getty

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