Bundesliga:Bayers Vertrauen in Schmidt ist aufgebraucht

Lesezeit: 2 min

  • Bayer 04 Leverkusen trennt sich nach dem 2:6-Debakel gegen den BVB von Trainer Roger Schmidt.
  • Lange hatte der Verein an dem streitbaren Trainer festgehalten, ein Medienexperte analysierte sogar, warum sein Image in der Öffentlichkeit so schlecht ist.
  • Tabelle und Ergebnisse der Bundesliga finden Sie hier.

Von Ulrich Hartmann, Leverkusen/München

Bereits am Sonntagvormittag hatte das Sport-Fernsehen live nach Leverkusen geschaltet. Im Schatten des Stadions berichtete ein Reporter mit ernstem Blick und ebensolchem Ton, die Mannschaft trainiere seit über einer Stunde - und Roger Schmidt leite das Training. Eine unveränderte Konstellation wurde als gefühlte 'Breaking News' präsentiert, weil nach dem 2:6 in Dortmund massiv über Schmidts Entlassung spekuliert worden war. Dass er trotzdem noch einmal auf den Übungsplatz zurückgekehrt war, schien Bayers enormes Vertrauen in Schmidt zu belegen. Mehrfach hatte der Klub in den vergangenen Wochen Trennungsspekulationen zurückgewiesen.

Diesmal nicht mehr. Fakten schuf Leverkusen am Nachmittag mit echten 'Breaking News'. Nachdem Geschäftsführer Michael Schade, Manager Jonas Boldt, Aufsichtsratsboss Werner Wenning und Sportdirektor Rudi Völler getagt und sich mit dem Gesellschafter-Ausschuss verständigt hatten, verkündete Bayer die Trennung vom 49 Jahre alten Trainer. Noch am Vormittag hatte Schmidt freundlich Fan-Wünsche nach gemeinsamen Fotos erfüllt. Das sind jetzt die letzten Erinnerungsbilder.

"Die Trennung ist schmerzhaft, aber unumgänglich für die weitere Entwicklung von Bayer 04", sagte Schade. "Mir tut das leid, weil wir uns mit Roger Schmidt dreimal für die Champions League qualifiziert haben und er unsere Philosophie der Nachwuchsarbeit umgesetzt und damit nachhaltig Werte geschaffen hat." Auch Völler zeigte sich ein bisschen wehmütig: "Ich halte Roger Schmidt für einen Top-Trainer und habe mich immer aus voller Überzeugung für ihn eingesetzt -, aber jetzt mussten wir handeln, um unsere Ziele nicht aus den Augen zu verlieren." Wer den Klub nach der schlechtesten Saison seit 2003 doch noch zum Minimalziel Europa-League-Qualifikation führen soll, muss sehr bald entschieden werden, weil Leverkusen bereits am Freitag daheim gegen Bremen spielt. Im Achtelfinal-Rückspiel bei Atlético Madrid am übernächsten Mittwoch dürfte sich Bayer nach dem 2:4 im Hinspiel nur noch aus der Champions League verabschieden.

Schmidt verbannte die Tempofußballer auf die Bank

Schmidts oft sehr subjektive Analysen hatte am Samstag im finalen Stadium ein kritisches Echo hervorgerufen, weil er sich trotz eines 2:6-Debakels lobend über seine Spieler äußerte. Gemeint hat er damit freilich bloß, dass die Leistung in Dortmund trotz des hohen Ergebnisses besser war als eine Woche zuvor beim 0:2 gegen Mainz. Von solch subtilen Erkenntnissen ließ sich die Öffentlichkeit aber nicht mehr täuschen. Vorgeworfen wurde dem Trainer, dass er zu stoisch am riskanten Pressing festhielt, dass er Tempofußballer wie Karim Bellarabi, Julian Brandt und Javier "Chicharito" Hernandez auf die Bank verbannte und dass er nach dem Spiel schon wieder auf seine "jungen Spieler" verwies. Von ihnen sprach Schmidt immer dann, wenn er Niederlagen legitimieren musste.

Diesmal standen in Tin Jedvaj, 21, Benjamin Henrichs, 20, und Kai Havertz, 17, aber nur drei junge Spieler in der Startelf. Die 27 Jahre alten Ömer Toprak, Charles Aránguiz und Lars Bender konnten Schmidts Bonus nicht mehr für sich beanspruchen. Auch Kevin Kampl, 26, tat sich im Mittelfeld gegen die Dortmunder Beschleunigungswunder schwer, wollte aber nichts wissen von einer missratenen Teamleistung. "Wir haben uns wirklich den Hintern aufgerissen und wollen uns keine fehlende Mentalität ankreiden lassen", stärkte Kampl seinem Trainer zumindest rhetorisch noch den Rücken. "Das war ein viel besseres Spiel von uns als gegen Mainz, und das Ergebnis ist viel zu hoch ausgefallen."

Retten konnte er ihn damit aber nicht mehr. Öffentliche Kritik eines Schmidt-Beraters, Bayer gewähre seinem Trainer zu wenig Rückendeckung, hatten das Management vor einigen Tagen aufgebracht, gerade weil man sich mit Schmidt besonders geduldig gewähnt hatte. Der in der Winterpause als Schmidt-Assistent und -Kommunikator eigens engagierte PR-Profi Jörn Wolf hatte jüngst noch in der Medienbranche recherchiert, warum Schmidts öffentliches Image eher schlecht ist. Doch die Erkenntnisse nützen jetzt nichts mehr. Zum zweiten Mal nach einer vorzeitigen Entlassung vor sieben Jahren beim damaligen Viertligisten Preußen Münster ist Schmidt beurlaubt worden. Zwei Jahre und acht Monate hat seine Zeit in Leverkusen gedauert, sein Vertrag hätte eigentlich noch bis 2019 gegolten.

© SZ vom 06.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Fußball-Bundesliga
:Peinliches Szenario für Vizekusen

Mit einer hochtalentierten Mannschaft droht Trainer Roger Schmidt den Europapokal zu verpassen. Es könnte seine letzte Saison in Leverkusen sein.

Kommentar von Sebastian Fischer

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: