Bundesliga:Augsburger Ironie

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Versiert, ambitioniert: Torschütze Finnbogason (r.) mit Caiuby. (Foto: Stefan Puchner/dpa)

Allen Abstiegs-Prophezeiungen zum Trotz geht der FCA in sein achtes Bundesliga-Jahr - und will keine Spieler abgeben.

Alfred Finnbogason wollte nicht feiern, er war zu erschöpft. Er wisse nicht, sagte der Stürmer des FC Augsburg, ob er sich später vom Sofa würde erheben können, und das war eine schlüssige Begründung. Schließlich hatte Finnbogason - nach fast drei Monaten Pause wegen einer Wadenverletzung - erstmals wieder gespielt, und beim 2:0 gegen Mainz 05 gleich 90 Minuten lang durchgehalten. Seine Leistung hätte allerdings auch eine andere Erklärung zugelassen. Finnbogason hatte ein Tor vorbereitet, indem er vier Mainzer alleine beschäftigte, den Ball abschirmte und ihn dann, ohne hinzuschauen, perfekt auf den 1:0-Torschützen Michael Gregoritsch passte. Außerdem hatte er das 2:0 erzielt. Ein Spieler dieser Klasse, zumal er demnächst bei der WM für Island auflaufen will, feiert doch nicht so etwas Lapidares wie einen Nichtabstieg. Oder?

Es war Finnbogason, 27, der als einer der wenigen Augsburger in der Hinrunde über höhere Ziele gesprochen hatte, als die Mannschaft zwischenzeitlich derart gut in Form war, dass Gedanken an die zweite Europapokalqualifikation der Klub-Historie aufkamen. Doch am Sonntag, als der FCA die 40-Punkte-Marke erreicht und den niemals wirklich drohenden Abstieg auch unter Abwägung aller rechnerisch möglichen Konstellationen vermieden hatte, trug er wie alle Augsburger ein T-Shirt mit der Aufschrift "obACHT - auch im nächsten Jahr wieder Abstiegskandidat Nummer eins?!". Im achten Jahr seiner Bundesligazugehörigkeit wird dem FC Augsburg wieder niemand etwas zutrauen, sollte das heißen.

Die Selbstironie gehört spätestens zur Marke des Klubs, seit Augsburg unter dem Motto "In Europa kennt uns keine Sau" 2015 in die Europa League einzog. Nun werde Reiner Calmund für die Augsburger grillen müssen, sagte Manger Stefan Reuter am Sonntag und lachte: Calmund hatte in seiner Funktion als TV-Experte den FCA als Abstiegskandidaten Nummer eins genannt. Sie sind stolz auf ihr Image als Underdog, einerseits. Andererseits könnte es ihnen wieder zum Verhängnis werden.

Während Reuter den sicheren Klassenverbleib einen "absoluten Traum" nannte, verneinte Gregoritsch die Frage, ob Augsburg das Maximum herausgeholt habe. Der Österreicher, gemeinsam mit Finnbogason mit zwölf Treffern bester Torschütze, sprach die schwächeren Leistungen in der Rückrunde an, vor dem Sieg am Sonntag hatte der FCA vier Heimspiele in Serie verloren. Es stellt sich nun die Frage: Werden ein paar Spieler das Streben nach ihrem persönlichen Maximum woanders fortsetzen?

Während Manager Reuter sagte, er erwarte keine großen Veränderungen, viele Spieler seien langfristig gebunden, antwortete Trainer Manuel Baum vorsichtig: "Das Gesicht der Mannschaft kann sich ja bis zum Ende der Transferperiode ändern."

Schon während der Saison hat sich Mittelfeldspieler Erik Thommy zum VfB Stuttgart verabschiedet, Verteidiger Daniel Opare wurde suspendiert, weil er mit Verantwortlichen von Schalke 04 über einen Wechsel sondierte - und Reuter dazu angelogen haben soll. Im Sommer droht mindestens auf der Torwartposition eine Veränderung, Stammtorhüter Marwin Hitz, 30, dessen Vertrag ausläuft, sucht wahrscheinlich nach einer neuen Herausforderung. An Außenverteidiger Philipp Max, dem besten Torvorbereiter der Liga, sollen viele Klubs interessiert sein, gleiches dürfte für Finnbogason gelten. Reuter sagt zwar zu Recht, dass Augsburg in sieben Jahren Bundesliga immer attraktiver geworden sei, gerade für entwicklungswillige Spieler, auch das Gehaltsniveau sei gestiegen. Doch es bleibt dabei, dass woanders mehr Geld und Ruhm zu verdienen sind.

Dass Augsburg derzeit jedoch viel stärker ist als Klubs wie Mainz, war am Sonntag noch mal deutlich geworden. Gästetrainer Sandro Schwarz beklagte, sein Team habe im Angriffsdrittel enttäuscht (obwohl es auch in allen anderen Dritteln enttäuscht hatte). Er sagte: "Natürlich brauchst du mal was Individuelles", ein Dribbling, eine genaue Flanke, ein gefährlicher Pass. All das hat Augsburg einer soliden Defensivtaktik hinzugefügt, kaum ein Trainer hat eine derart klare Spielidee so erfolgreich vermittelt wie Baum: Ballgewinn im Abwehrdickicht, schnelles Umschalten, weite Diagonalpässe und wenige Ballkontakte bis zu Flanke und Torabschluss. Der am langsamsten ausgespielte Konter der Saison führte ironischerweise zum 2:0. Gästetorwart René Adler war in der Nachspielzeit mit nach vorne gelaufen - und Augsburg schien sich selbst im Weg zu stehen, bis Finnbogason den Ball geradeso vor Adlers Rückkehr ins Tor schoss.

Finnbogason sagte, dass er nun jede Minute bis zur WM nutzen wolle, um in Form zu kommen. Beim FCA werden sie hoffen, dass andere Klubs dabei nicht so genau zuschauen - oder Finnbogason sich auch 2019 über den Nichtabstieg freuen würde. Denn der wird wieder das Ziel sein.

© SZ vom 24.04.2018 / SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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