Boxer Arthur Abraham:In der Hölle von Detroit

Lesezeit: 3 min

Am Samstag tritt Arthur Abraham im Rahmen des Super-Six-Turniers gegen den Amerikaner Andre Dirrell an. Vor dem Kampf wird heftig über Austragungsort, Ringrichter und Kampfgericht diskutiert.

Jürgen Schmieder

Ob sich Arthur Abraham wohlfühlen wird, wenn er am Samstag die Joe-Louis-Arena in Detroit betreten wird, das kann er noch nicht sagen. Die Halle am Ufer des Detroit River ist eines der wenigen Stadien in den USA, die nicht den Namen eines Sponsors tragen, sondern nach dem afro-amerikanischen Schwergewichts-Boxer Joe Louis benannt ist. Von außen sieht das Gebäude aus wie eine Lagerhalle, innen riecht es wie auf einem Fischmarkt.

Kurz: Es stinkt in dieser Halle - und irgendwie passt der Geruch dazu, wie dieser Boxkampf zwischen Abraham und dem Amerikaner Andre Dirrell zustande kam. Ursprünglich sollte er im Januar ausgetragen werden, wurde dann jedoch aufgrund einer Rückenverletzung Dirrells auf kommenden Samstag verschoben. Er findet nun auch nicht mehr in Florida statt, sondern eben in Detroit. Dirrell wurde im nur 90 Kilometer entfernten Flint geboren. "Es ist schon möglich, dass die Verletzung nur ein Vorwand war, damit der Kampf in Detroit stattfindet", sagte Abraham zu sueddeutsche.de.

Auch die Zusammensetzung des Kampfgerichts wird von Abrahams Promoter Wilfried Sauerland moniert: "Dirrell wohnt in Michigan. Es ist inakzeptabel, dass ein Punktrichter und der Ringrichter aus Michigan kommen. Das habe ich abgelehnt." Das Kampfgericht war von Dirrell-Promoter Gerry Shaw zusammengestellt worden. Außerdem will Sauerland den Punktrichter aus Mexiko nicht akzeptieren, der bei der Niederlage Dirrels gegen den britischen WBC-Weltmeister Carl Froch im Einsatz als Einziger für Dirrell gestimmt hatte.

Diese Streitpunkte gehen über das Vorgeplänkel hinaus, das mittlerweile zum Boxen gehört wie die Nummerngirls. Zu viel steht für beide Boxer am Samstagabend auf dem Spiel. Beim Super-Six-Turnier treten sechs der weltbesten Supermittelgewichtler an - jeder Boxer bestreitet drei Kämpfe, dann gibt es die Halbfinals und am Ende einen würdigen Weltmeister. "Dieses Turnier ist eine großartige Idee und verhilft dem Boxsport zu mehr Transparenz", sagt Abraham.

Dirrell verlor in der ersten Runde der Gruppenphase im Oktober vergangenen Jahres gegen den Briten Carl Froch knapp nach Punkten - und steht nun unter Druck. Abraham dagegen konnte als einziger Teilnehmer den ersten Kampf durch K. o. gewinnen und steht derzeit an der Spitze der Tabelle. "Für mich ist das kein Grund, schon an ein mögliches Halbfinale zu denken", sagt Abraham. "Ich habe mich gezielt auf diesen Kampf vorbereitet, ich bin sehr gut mit der Zeitumstellung klargekommen und will einen guten Kampf zeigen."

Der Wechsel der Gewichtsklasse - Abraham stieg im vergangenen Jahr vom Mittelgewicht ins Supermittelgewicht auf - scheint dem Deutsch-Armenier gut zu bekommen. "Es fällt mir viel leichter, mich auf Kämpfe vorzubereiten", sagt er. "Ich habe ohnehin einen sehr niedrigen Körperfettanteil, in der alten Gewichtsklasse fiel es mir schwer, Gewicht zu verlieren, weil ich dann an Kraft eingebüßt habe. Nun muss ich nur wenige Kilos abnehmen."

Sein Gegner Dirrell schlägt da schon forschere Töne an. "Abraham ist ein kraftvoller Schläger, aber mit richtigen Boxern hat er Probleme. Typen wie ihn hatte ich schon eine Million Mal", sagte er in einem Interview mit der Detroit Free Press. "Ich bin schnell und beweglich, ich kann aus jeder Lage heraus schlagen - er wird mit der Geschwindigkeit meiner Schläge und meiner Füße nicht klarkommen." Der 26-jährige Dirrell galt zu Beginn des Super-Six-Turniers als einer der Favoriten, er ist ein harter Arbeiter, der stilistisch sauber boxt und trotz einer Körpergröße von 1,88 Meter mit schnellen Beinen und schnellen Fäusten ausgestattet ist.

Als Rechtsausleger ist Dirrell ohnehin ein unangenehmer Gegner, zudem ist er in der Lage, während eines Kampfes die Auslage zu wechseln und seinen Kontrahenten zu verwirren. Er dominiert Kämpfe gerne aus der Distanz und verschafft sich bereits in den ersten Runden eines Kampfes Vorteile - genau das könnte am Samstag von entscheidender Bedeutung sein. Hobby-Schachspieler Abraham gilt als Boxer, der seine Gegner analysiert, langsam in einen Kampf hineinfindet und erst in den letzten Runden einer Begegnung dominiert. So auch beim ersten Kampf des Super-Six-Turniers, als Abraham seinen Gegner Jermain Taylor zehn Sekunden vor Kampfende auf die Bretter schickte. "Das ist meine Art zu boxen", sagt er lapidar. "Und diese Art war bisher erfolgreich, schließlich habe ich jeden meiner 31 Profikämpfe gewonnen." 25 dieser 31 Kämpfe entschied Abraham vorzeitig für sich.

K. o. oder Niederlage

Die Experten in den USA sind sich deshalb einig, dass die Begegnung zwischen dem zehn Zentimeter kleineren Abraham und Dirrell nur auf zwei Arten entschieden werden könne: Entweder schlägt Abraham seinen Gegner nieder - oder Dirrell gewinnt nach Punkten. Aus dem Umfeld von Abraham war deshalb zu hören, dass Trainer Ulli Wegner Abraham ermahnt habe, auch in den ersten Runden des Kampfes aktiver zu sein, um nicht auf den Niederschlag angewiesen zu sein.

In Detroit jedenfalls fiebern die Menschen dem Kampf entgegen. Die Einwohner der Auto-Stadt suchen in diesen schweren Zeiten Trost bei ihren Sportvereinen, gegnerische Mannschaften werden gerne mit dem Slogan "Willkommen in der Hölle von Detroit" empfangen und nach alter Stadt-Tradition mit Tintenfischen beworfen. Doch ein Boxer wie Arthur Abraham, den bekanntlich selbst ein Kieferbruch während des Kampfes nicht aus der Ruhe bringt, sollte auch mit Fischgestank in der Joe-Louis-Arena umgehen können.

© sueddeutsche.de - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: