Boxen:Ein Kampf, um den Ruf des Boxens zu retten

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Canelo Alvarez (li.) und Gennady Golowkin: Spannendes Aufeinandertreffen in Las Vegas (Foto: AP)
  • Saúl Álvarez boxt in Las Vegas gegen den Kasachen Gennadi Golowkin, es ist ein lang ersehnter Kampf.
  • Beide Boxer befinden sich auf dem Höhepunkt ihrer Karrieren.
  • Golowkin gilt als der Mann mit den härtesten Fäusten des gegenwärtigen Boxens, Álvarez hat die schnellsten.

Von Benedikt Warmbrunn

Saúl Álvarez war zehn Jahre alt, als er anfing zu träumen. Er stand auf der Straße vor dem Haus seiner Eltern, in Juanacatlán in Mexiko, er hatte dort eine Kindheit im Hintergrund verbracht, als jüngstes von acht Geschwistern. Nun kehrte Rigoberto, der älteste von sieben Brüdern, nach vielen Jahren zurück in die Heimat, er kam aus Tijuana, aber für Saúl Álvarez war das die weite Welt. Und Rigoberto kam mit Boxhandschuhen.

Die besten Boxer haben oft einen ganz eigenen Antrieb. Muhammad Ali fing an zu kämpfen, um den Diebstahl seines Fahrrads zu rächen. Mike Tyson fing an zu kämpfen, um die eigenen Dämonen zu bezwingen. Saúl Álvarez fing an zu kämpfen, um mehr zu sein als der Junge auf der Straße von Juanacatlán. Er fing an zu kämpfen, um von seinen älteren Brüdern akzeptiert zu werden.

An diesem Samstag tritt Álvarez, 27, in Las Vegas gegen den Kasachen Gennadi Golowkin an; es ist ein Kampf, auf den die Boxbranche lang gewartet hat. Hinter den lange dominierenden Manny Pacquiao und Floyd Mayweather haben sich Álvarez und Golowkin in Position gebracht als die Gesichter der Zukunft des Boxens. Wenn die beiden gegeneinander boxen, treten sie sich gegenüber als zwei Athleten auf dem Höhepunkt ihrer bisherigen Karriere, und so treten sie auch an, um den Ruf ihrer Sportart zu retten.

"Als ich auf die Welt kam, war die Furcht schon weg"

In den vergangenen Jahren waren Duelle wie das des Mexikaners gegen den Kasachen eher virtuelle Duelle. In Deutschland zum Beispiel redeten Arthur Abraham und Felix Sturm nur ein Jahrzehnt lang darüber, einmal gegeneinander antreten zu wollen. Auch Mayweather und Pacquiao redeten lange nur. Als sie 2015 gegeneinander boxten, waren sie schon langsamer und harmloser, für eine große Nacht kam ihr Kampf zu spät. Auch das bisher größte Boxereignis des Jahres, das zwischen Mayweather und dem MMA-Kämpfer Conor McGregor vor drei Wochen, war nur vorher spektakulär.

Dass es an diesem Samstag in Las Vegas spektakulärer werden dürfte, das liegt zunächst an Golowkin. Der 35-Jährige gilt als der Mann mit den härtesten Fäusten des gegenwärtigen Boxens, von seinen 37 Profikämpfen hat er 33 vorzeitig gewonnen - die Quote von 89,8 Prozent an K.o.-Siegen ist die höchste in der Geschichte des Mittelgewichts. Seine große Stärke ist jedoch sein Wille: Golowkin hat sich mühsam an die Spitze gekämpft, zu Beginn seiner Profikarriere wurde er lange ignoriert. Inzwischen ist er Weltmeister von drei der vier großen Verbände. Doch obwohl er acht Jahre älter ist als Álvarez, spricht ein Punkt nicht für ihn: die Erfahrung.

Als Rigoberto Álvarez 2000 aus Tijuana zurückkam, streifte er seinem kleinsten Bruder die Boxhandschuhe über, und dieser fing an zu träumen. Von der großen, weiten Welt. Also von Tijuana. Zunächst trainierten Rigoberto und Saúl in einem imaginären Ring, mitten auf der Straße. Als Zwölfjähriger stellte sich Álvarez in einem richtigen Gym vor, als 15-Jähriger debütierte er bei den Profis. Einen Monat vor seinem 16. Geburtstag boxte er erstmals in Tijuana. Und fing an von den USA zu träumen. Er war 18, als er sich auch diesen Traum erfüllte. Als 21-Jähriger gewann er seinen ersten Weltmeistertitel, da war er auch schon eine eigene Marke. Sie nennen ihn nur Canelo - den Zimtigen. Und das ist auch ein passender Rufname für einen, der im Laufe der Jahre zu einer großen Nummer aufgebaut wurde, der aber doch auch immer ein Mann für den Hintergrund geblieben ist, der jüngste von sieben Söhnen.

51 Mal hat Álvarez inzwischen geboxt, nur einmal hat er verloren, 2013 gegen Mayweather. Er hat sich in den zwölf langen Jahren seiner Karriere eine variable Defensivkunst angeeignet, er hat vielleicht nicht so harte Fäuste wie Golowkin - seine sind dafür schneller. Vor allem aber hat er in den vergangenen Jahren nur gegen hochklassige Gegner geboxt, und anders als der Kasache stand er dabei auch mal zwölf Runden lang im Ring. "Seit ich 15 bin, habe ich mich vor keinem Gegner gefürchtet", sagte Álvarez vor Kurzem: "Als ich auf die Welt kam, war die Furcht schon weg."

Sollte der Mexikaner gegen Golowkin gewinnen, wäre er endgültig der größte Name in der Gegenwart des Boxens, und er hat ja noch ein paar Jahre vor sich. Der Mann, der nicht mehr bei seinem Nachnamen angesprochen wird, sondern nur noch als der Zimtige, will ja weiterhin dem Namen aller seiner Brüder alle Ehre erweisen.

© SZ vom 16.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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