Boxen: David Haye gegen Nikolaj Waluew:Und nun die Klitschkos

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In einem unspektakulären Kampf besiegt David Haye den Russen Nikolaj Walujew, wird Weltmeister im Schwergewicht - und hat bereits große Worte für die Gebrüder Klitschko parat.

Jürgen Schmieder, Nürnberg

Als David Haye weit nach Mitternacht vor die Journalisten trat, da wirkte er zurückhaltend, ja fast bescheiden. Lächelnd saß er an seinem Tisch, er bedankte sich bei jedem in Sichtweite und verkündete, dass er höchsten Respekt habe vor seinem Gegner Nikolaj Walujew.

David Haye (r.) und Nikolai Walujew (Foto: Foto: ddp)

Vom Großmaul David Haye, der seine Kontrahenten vor dem Kampf gerne beledigt, war in diesem Moment nichts zu sehen. "Ich habe versucht, diesen Kampf zu vermarkten, da gehört ein wenig Show dazu", sagte Haye nach seinem Sieg über den Russen Walujew.

Schauspiel mit Finessen

Es war in der Tat eine große Show, die der Brite bereits vor dem Kampf inszeniert hatte.

Anstatt in den Ring zu steigen, tänzelte Haye an den Seilen herum, verteilte Handküsse und präsentierte den Zuschauern den korrekten Sitz seiner Oberarmmuskulatur.

Derlei Mätzchen gehören dazu, schließlich ist so ein Boxkampf ein modernes Schauspiel, bei dem der Promoter Don King im Ring steht und mit beinahe jeder Landesfahne der Welt wedelt, eine finnische Rockband die Eingangsmusik spielt und bei dem der TV-Sender behaupten darf, der böse Bube Haye hätte sich in seiner Kabine eingeschlossen - obwohl eigentlich nur darauf gewartet wurde, dass Thomas Gottschalk beim Konkurrenzsender den letzten Blumenstrauß verteilt.

Der Kampf um die Schwergewichts-WM der World Boxing Association (WBA) zwischen dem Herausforderer David Haye und Nikolai Walujew war weit weniger spektakulär als das Getöse zuvor.

Provozieren, hänseln, beleidigen

Haye hatte in der Woche vor der Auseinandersetzung seinen Gegner provoziert (er prügelte auf eine Halloween-Fratze ein und erklärte, sie sehe Walujew ähnlich), gehänselt (er wechselte das Hotel, weil er es für schäbig hielt) und beleidigt ("Walujew braucht zum Rasieren einen Rasenmäher").

Haye besiegte seinen russischen Gegner nach zwölf nur bedingt interessanten Runden verdient durch das Urteil der drei Kampfrichter: Einer wertete das Gefecht unentschieden, zwei sahen Haye mit vier Punkten vorne.

David Haye stand gewiss nicht in der Schlange, in der die Bescheidenheit verteilt wurde. Wahrscheinlich war er verhindert, weil er gerade in einer der Schlangen anstand, in denen boxerisches Talent, Schnelligkeit und taktisches Verständnis verteilt wurden. Er war erst im vergangenen Jahr vom Cruisergewicht aufgestiegen (dort hatte er alle wichtigen Titel gewonnen) und erhielt nach nur einem Kampf im Schwergewicht die Gelegenheit zu einem WM-Kampf.

An diesem Abend boxte Haye genau so, wie jemand zu boxen hat, der den 23 Zentimeter größeren und 45 Kilogramm schwereren Walujew in Schwierigkeiten bringen möchte. "Schnelligkeit und Athletik haben den Unterschied gemacht", sagte Haye nach dem Kampf. "Es war nie geplant, dass dies der spektakulärste Kampf aller Zeiten wird."

Über zwölf Runden lang sahen die 8000 Zuschauer in der Nürnberger Arena genau jenen Kampf, den viele erwartet - und befürchtet - hatten. Walujew boxte, wie Walujew eben boxt - und das ist in etwa so, wie der FC Bayern derzeit Fußball spielt: Walujew kontrollierte den Kampf von der Mitte des Ringes aus, die Geschwindigkeit seiner Füße wurde nur durch die seiner Hände unterboten. Klare Treffer landete er kaum, nach den wenigen gelungenen Aktionen setzte er nicht nach und brachte seinen Gegner nicht in Gefahr.

Haye dagegen agierte so, wie es zuvor schon Ruslan Chagaev und Evander Holyfield gegen den Russen getan und ihn damit in arge Bedrängnis gebracht hatten. Auf flinken Füßen tänzelte Haye durch den Ring, sein formidables Auge erlaubte es ihm, gelegentlich auf die Deckung zu verzichten und Walujew nach vorne zu locken. Dann wich er aus und brachte in der Rückwärtsbewegung klare Treffer ins Ziel.

Es wirkte ein wenig wie das Hase-Igel-Spiel, nur dass Haye sowohl Hase als auch Igel war. Walujew dagegen sah am Ende aus wie die Zeitlupenversion seiner selbst, was ungefähr der Superzeitlupenversion seines Gegners gleichkam. "Dieser Kampf kam mir vor wie ein Marathon", sagte Walujew nach der Auseinandersetzung. "Ich war nicht bereit, so viel zu laufen."

Kein schöner Kampf

Es war wahrlich kein schöner Kampf, den die beiden Boxer an diesem Abend boten. Klare Treffer gab es meist nur am Ende einer Runde und der Akteur, der sie landen konnte, wurde von den Punktrichtern eben zum Sieger des Abschnitts erklärt. Eine derartige Kampfgestaltung indes sollte weder reichen, um Weltmeister zu werden - noch, um einer zu bleiben. Dem Sieger war das freilich egal: "Ich wollte gewinnen, und auf eine andere Weise kann man den größten und schwersten Mann im Boxen nicht besiegen."

Nun ist Haye Weltmeister des Verbandes WBA und bietet so etwas wie die Antithese zu den Gebrüdern Klitschko, die im Besitz aller anderen wichtigen Titel im Schwergewicht sind. Die Klitschkos geben sich außerhalb des Rings zurückhaltend und verweisen gerne auf ihre akademische Laufbahn. David Haye dagegen steht eher eines Mike Tyson oder Mohammad Ali. Auf ein Großmaul wie ihn hat die Schwergewichtsszene gewartet und am Samstag hat er bewiesen, dass er ihr auch sportlich weiterhelfen kann.

"Man darf nicht nur große Sprüche machen, sondern man muss ihnen auch große Taten folgen lassen", sagte Haye nach dem Kampf - und hatte gleich noch ein paar große Worte parat: "Als Weltmeister kann ich nun gerechte Verträge aushandeln und ich bin bereit, alle Titel auf mich zu vereinen." Das ist als Kampfansage an die Gebrüder Klitschko zu werten, gegen die er bereits hätte boxen sollen, jedoch jeweils wegen angeblich ungerechter Verträge absagte.

Zunächst jedoch muss Haye nun den Titel der World Boxing Association gegen den Amerikaner John Ruiz verteidigen, der sich in einem der Vorkämpfe sechs Runden lang gegen einen Nobody mühte und unspektakulär gewann. "Ruiz ist ein guter und unterschätzter Boxer, doch ich glaube nicht, dass er ein Problem für mich wird", sagte Haye. Für den 29-jährigen Briten hat die Show im Schwergewicht gerade erst begonnen. Für Nikolaj Walujew dagegen scheint sie trotz mutiger Worte ("Ich werde wiederkommen, ich werde weiter trainieren") derzeit eher vorbei zu sein.

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