Borussia Dortmund:Risse hinter der Kulisse

Lesezeit: 3 min

Bevor am Mittwoch Hertha BSC zum Pokalspiel in Dortmund erscheint, werden die Ermittlungen im Leipzig-Fall mit Hochdruck vorangetrieben. BVB-Geschäftsführer Watzke deutet radikale Schritte an.

Von Freddie Röckenhaus, Dortmund

The Show must go on. Borussia Dortmunds Chefetage beschäftigt sich zwar mit der Aufarbeitung der Attacken gewalttätiger BVB-Fans gegen die Gäste von RB Leipzig, aber der Profibetrieb treibt sie atemlos weiter. An diesem Mittwochabend bringt Hertha BSC - vier Tage nach dem Eklat - zum DFB-Pokal-Achtelfinale offiziell 3500 Anhänger mit. Von einem besonderem Gefährdungspotenzial wird diesmal nicht ausgegangen. Und mit den Berlinern gibt es keine bisher bekannte Rivalität. Fast möchte man für solche Normalität dankbar sein. Aber hinter den Kulissen rumort es beim BVB weiter.

Der Kontrollausschuss des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) will sich am Donnerstag der Frage widmen, ob die zum Teil grob beleidigenden und zu Gewalt aufrufenden Plakate und Banner, die am vorigen Samstag beim 1:0-Sieg gegen Leipzig auf der Südtribüne präsentiert wurden, zu einer Strafe führen. Plakate wie "Pflastersteine auf Bullen" schienen sich in der Rückschau auf die Stein- und Flaschenwürfe zu beziehen, die es vor Anpfiff draußen vor dem Stadion gab. Dortmund muss - wegen mehrerer Vorstrafen und "Bewährungsauflagen" - zumindest mit einer saftigen Geldstrafe rechnen, aber wohl nicht mit einem Teilausschluss von Zuschauern.

Allerlei hässliche Parolen: Leipzigs Fußballer, hier im Kreis versammelt, wurden von den Dortmunder Fans unflätig empfangen. (Foto: Lars Baron/Getty Images)

Vor allem bei BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke scheinen die Exzesse, die aus einem fast 500 Personen starken Mob von Borussen-Fans heraus gegen harmlose Leipziger Zuschauer verübt wurden, einen Riss in seiner bislang eher verständnisvollen Haltung gegenüber den Hardcore-Fans hinterlassen zu haben.

Die Träger eines besonders anstößigen Plakats sind offenbar bereits identifiziert

Er wolle "alles in unserer Kraft Stehende" veranlassen, "um diesen Dingen ein für alle Mal einen Riegel vorzuschieben", sagt Watzke und will auch nicht ausschließen, dass es "ab dem kommenden Sommer" sogar zu einem Komplettausschluss aller Fans der Ultra-Gruppierungen kommen könne. Nach bisherigen Ermittlungen gehörte der überwiegende Teil des gewalttätigen Mobs vor dem Stadion den verschiedenen Ultra-Gruppen an.

Bisher war BVB-Boss Watzke, trotz vieler individuell ausgesprochener Stadionverbote und dem Entzug von Auswärtsspiel-Dauerkarten, stets um "gutes Einvernehmen mit unseren Ultras" bemüht. Dortmund soll insgesamt kaum 500 Ultra-Fans haben, die ihre Stammplätze auf der Südkurve haben; für gewöhnlich stimulieren sie die Stimmung im Stadion und zeigen sich bei Tribünenchoreografien federführend. Doch die heterogene Zusammensetzung und der krude, selbstgebastelte Ehrenkodex machen das Verhalten der zum Teil untereinander rivalisierenden Gruppen immer unberechenbarer.

Weitere Reaktionen werden von der Auswertung der Videos abhängen, die der BVB im Stadion mit einer jener Überwachungskamera gemacht hat, die extrem hochauflösende Bilder liefert. Die Träger des besonders anstößigen Plakats "Burnout Ralle - häng dich auf!" (in Anspielung auf den Leipziger Sportchefs Ralf Rangnick, der vor Jahren am Burn-out-Syndrom erkrankt war), sind bereits identifiziert. Einer soll zur Ultra-Gruppe "The Unity" gehören, der andere zu den "Desperados".

Dass die Bannerhalter verschiedenen Gruppen zugeordnet werden, wird als Indiz für die Richtigkeit der Annahme von BVB und Polizei gewertet, dass sowohl die Plakataktion im Stadion als auch der Gewaltexzess außerhalb aus dem relativ jungen Ultra-Dachverband "Bündnis Südtribüne" initiiert wurde. Der hatte vor dem Spiel Proteste angekündigt. Nach Erkenntnissen des BVB hatten sich die Plakat-Aktivisten strategisch über die gesamte Südtribüne verteilt - um so den Eindruck zu erwecken, dass nicht nur die vergleichsweise kleinen Ultra-Gruppen an der Aktion teilnehmen, sondern die komplette 25 000-Zuschauer-Tribüne.

Das Internet-Fanzine Schwatzgelb.de hatte am Montag berichtet, dass manche der mit Plakaten fremdausgestatteten Fanblöcke skeptisch und "mit Stirnrunzeln" reagiert hätten. Schwatzgelb.de, das aus dem Innenleben der Szene berichtet, weil es von Fans gemacht wird, kritisiert: "Plumpe Spruchbänder statt kreativer Proteste".

Der Sport wird zur Randnotiz: Mario Götze ist angeschlagen und steht nicht im Kader

Vor allem von den Flaschen-, Dosen- und Steinwürfen distanziert sich das Zentralorgan der BVB-Szene: "Einzelne bzw. kleine Gruppen" hätten "im Schutz der Masse" die "unglaublich beschissenen" Taten begangen. Zwar kritisiert das Fanzine auch die Polizei, die mit nur 150 Beamten am Ort war (im Vergleich zu den 1500 beim Risikospiel gegen den Pott-Rivalen Schalke 04). Es heißt aber auch: "Die Opferrolle, die wir ihnen am Samstag per Steilvorlage zugespielt haben, werden sie (die Leipziger) dankend annehmen."

Watzke hat sich inzwischen offiziell bei Leipzig und seinen Zuschauern entschuldigt. Ihm war nicht nur aus Kreisen des Aufsteigers vorgeworfen worden, mit seiner Kritik am "Konstrukt RB" den Boden für die Exzesse bereitet zu haben. Watzke vermutet aber, dass es in Zukunft "schwierig bis unmöglich" sein werde, sich mit dem umstrittenen RB-Modell "überhaupt noch argumentativ zu befassen". Das sei, so glaubt Watzke, "sicherlich ein zusätzliches Ergebnis der Gewalttätigkeiten".

Die sportliche Seite, zuletzt innerhalb des Klubs durchaus kontrovers diskutiert, ist angesichts der neuen Debatten etwas in den Hintergrund geraten, und so war es am Dienstag auch nur eine Randnotiz, dass Trainer Thomas Tuchel fürs Pokalspiel den Verzicht auf Mario Götze verkündete. Eine Entscheidung, die ausnahmsweise nicht zum Aufreger taugt: Götze, so Tuchel, klage über "muskuläre Probleme".

© SZ vom 08.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: