Borussia Dortmund:Plötzlich zurück

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"Die Zeit hat negativ und positiv viel mit mir gemacht": Nuri Sahin. (Foto: Lars Baron/Getty Images)

Eine Sehnenreizung im Adduktorenbereich hatte ihn monatelang gebremst und zermürbt. In dieser Woche wurde Nuri Sahin von einer großen Last befreit: Nach mehr als 350 Tagen kehrte er zurück ins BVB-Mittelfeld.

Von Ulrich Hartmann

Als Nuri Sahin zuletzt für Borussia Dortmund gespielt hatte, hieß der Trainer noch Jürgen Klopp. Die Mannschaft dümpelte im Tabellen-Mittelfeld - hinter Augsburg, Hoffenheim, Frankfurt, Bremen. Eine Ewigkeit ist das her: mehr als 350 Tage. Am 28. Februar 2015, beim 3:0 gegen Schalke, hatte Sahin letztmals auf dem Platz gestanden, ehe der 27-Jährige jetzt wieder im BVB-Trikot in ein Stadion einlief. Dabei überrumpelten ihn die konträren Gefühle eines kompletten Jahres: Verzweiflung und Hoffnung. Eine Sehnenreizung im Adduktorenbereich hatte ihn monatelang gebremst und zermürbt. Erst am Donnerstagabend wurde Sahin von dieser Last befreit.

Beim Dortmunder 2:0-Sieg im Europa-League-Hinspiel gegen den FC Porto hat er von der ersten bis zur 57. Minute soliden Fußball gespielt und nachher verraten, dass er ein Jahr lang überhaupt nicht im Dortmunder Stadion gewesen war. "Mir ist das zu nahe gegangen, während all der Rückschläge wollte ich einfach nicht hier sein, um nichts an mich heranzulassen", sagte er im zugigen Stadiontunnel, als die Fans längst lärmend von dannen gezogen waren und die Spieler des FC Porto still in ihren Bus kletterten.

Sahin neigt weder zur extrovertierten Garderobe wie sein Kollege Pierre-Emerick Aubameyang noch zu wechselnden Liebschaften, mit denen manche Fußballer in der Öffentlichkeit auffallen. Weil Sahin also verheiratet, introvertiert und modisch gemäßigt ist, hat offenbar niemand bemerkt, dass er ein Jahr lang nie auf der Tribüne gesessen hat. Von einer "langen Leidenszeit mit vielen Rückschlägen in der Reha", berichtete Sahin, und dass "diese Zeit sowohl negativ als auch positiv viel mit mir gemacht hat".

Gündogan könnte seinen Platz räumen - geht er zu ManCity?

Nachdem er von Samstag auf Sonntag auch noch "eine katastrophale Nacht wegen einer Mandelentzündung" hinter sich gehabt und erst am Mittwoch wieder trainiert hatte, war er am Donnerstag ohne Aussicht auf eine abendliche Nominierung zum Vormittagstraining gefahren. "Ich hatte keine Sachen für ein Spiel dabei, keinen Kulturbeutel, nichts, aber offenbar hatte meine Frau eine Ahnung und hat mir einen gepackten Koffer ins Auto gelegt", erzählte Sahin lächelnd. Und wirklich: Der Trainer Thomas Tuchel überraschte ihn mit einem Platz in der Startelf. "Genau das habe ich gebraucht", findet Sahin: "Nicht lang nachdenken, einfach rein."

Sahin, der 2011 von Dortmund einst zu Real Madrid gewechselt war und 2013 geläutert in die westfälische Heimat zurückkehrte, ist im defensiven Mittelfeld ein wichtiger Spieler - sowohl individuell als auch im mannschaftlichen Kontext. Der Sieg gegen Porto war bereits das 36. Pflichtspiel des BVB in dieser Saison. Weitere 15 stehen dem Klub sicher bevor, und sollte er ins DFB-Pokal-Endspiel sowie ins Finale der Europa League einziehen, kämen noch einmal acht hinzu. 59 Pflichtspiele binnen zehn Monaten könnten es im äußersten Falle also werden. Zur Bewältigung solch einer Mammutaufgabe kann Sahin einen wichtigen Beitrag leisten, zumal die defensive Stabilität weiter ganz oben auf der Agenda des Trainers Tuchel steht. 34 Gegentreffer in 30 Pflichtspielen haben die Dortmunder in der ersten Saisonhälfte kassiert. In den bisher sechs Rückrunden-Begegnungen sind es gerade mal zwei. Sahin hat gegen Porto an der Seite des jungen Julian Weigl auf der Doppel-Sechs im zentral-defensiven Mittelfeld gespielt: "Es hat sich toll angefühlt, aber das war nur der erste Schritt", sagte er.

Bereits am Sonntag zum Topspiel in Leverkusen könnte Sahin seinen Startplatz an Gonzalo Castro abtreten müssen, der gegen Porto nicht im Kader stand, gegen seinen früheren Klub aber sicher ein Kandidat ist. Oder an Ilkay Gündogan, der gegen Porto auf der Bank blieb, der aber auf Dauer womöglich seinen Mittelfeld-Posten für einen wie Sahin räumen könnte. Wie die katalanische Zeitung Sport berichtet, hat sich Gündogan gegen den FC Barcelona und für einen Wechsel zu Manchester City und dem dort ab Sommer tätigen Trainer Guardiola entschieden. Dortmund dementierte umgehend und verwies auf den Vertrag bis 2017.

In Leverkusen will der BVB zunächst aber den zweiten Liga-Platz festigen, was bedeutet, dass Sahin, so er fit bleibt, in der kommenden Saison nicht mehr Europa League, sondern wieder in der Champions League spielt.

© SZ vom 20.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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