Biathlon:Ohne Schwung Dritter

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Entscheidung im Schießen: Simon Schempp (l.) muss den Russen Anton Babikov (vorne) und den Norweger Svendsen ziehen lassen. (Foto: Sven Hoppe/dpa)

Zum Auftakt des Biathlon-Weltcups zeigen sich Licht und Schatten bei den Deutschen: Die Männerstaffel wirkt müde und unkonzentriert - und hat trotzdem lange gute Chancen auf den Sieg. Den vergibt Simon Schempp mit den letzten Patronen.

Von Volker Kreisl, Ruhpolding

Mark Kirchner, der deutsche Biathlon-Männertrainer, genießt gerade ein großes Glück und hat zugleich ein beachtliches Problem. Das Glück besteht darin, dass er eine sehr starke Biathlonmannschaft betreut, ja, selber herangezogen hat, "meine beste bisher", sagt er. Sorgen bereitet ihm die Tatsache, dass dieses Team zwar gute Resultate erzielt, und in Staffeln auf das Podest läuft, dass es aber nur aus vier Personen besteht. Dahinter drängt sich niemand auf. "Wir haben momentan nicht so die Erkenntnis, wer sich als fünfter Mann anbieten könnte", sagt Kirchner.

Simon Schempp zeigt abermals ein starkes Rennen - bis zum vorletzten Schuss

Zum Auftakt des Weltcups in Ruhpolding zeigte sich somit wieder Licht und Schatten. Die Deutschen erreichten in der Staffel Platz drei hinter Norwegen und Russland und profitierten von dem Selbstvertrauen nach den guten Ergebnissen am vergangenen Wochenende in Oberhof. Teils wirkten sie allerdings müde und am Schießstand unkonzentriert, aber Ersatzleute, die einspringen oder vielleicht auch den internen Konkurrenzkampf erhöhen könnten, bieten sich derzeit eben nicht an.

Den Schwung von Oberhof wollten sie mitnehmen, aber es wurde schnell ein Hinterherhetzen. Startläufer Erik Lesser hatte wohl noch am meisten vom Drall des Oberhofer Doppelsieges mitgenommen, doch der verließ den 28-Jährigen dann im Stehendschießen. Er war gleichauf mit Italien, Norwegen und Russland angekommen, hätte in Ruhe seinen Schießplan durchziehen können, aber, "ich hab' wieder zu viele Spielchen mitgemacht", sagte er später. Lesser zog zu schnell ab, begann mit zwei Fehlern, traf dreimal, verschoss den ersten Nachlader, traf den zweiten und verschoss den dritten.

Nach der Strafrunde hatte Lesser einen Rückstand von 41 Sekunden, und weil er nicht weiter aufholen konnte, weil er zwischendurch Muskelkrämpfe hatte und weitere acht Sekunden verlor, brauchte das Team nun jemanden, der komplett neuen Schwung brachte. Benedikt Doll musste nun schnell laufen, schnell treffen und am Schluss noch mal besonders schnell laufen. Die knifflige Aufgabe, sich die Kraft in beiden Disziplinen optimal einzuteilen, löste Doll sehr ordentlich. Er holte erst ein paar Sekunden auf, traf dann alle Scheiben, machte weitere Plätze wett, büßte stehend zwar ebenfalls 20 Sekunden ein, machte aber dank seiner Laufleistung doch noch das Beste daraus.

Weil auch viele internationale Konkurrenten trotz hervorragender Bedingungen stehend miserabel schossen, waren die 19 Sekunden viel wert, die Doll noch aufholte. Gut 40 Sekunden betrug der Rückstand, aber das Team hatte wieder Anschluss an den Podestplatz. Der dritte Läufer, Arnd Peiffer, verringerte diesen Abstand weiter, und in der letzten Runde war dann wieder alles möglich. Der junge Russe Anton Babikov hatte 30 Sekunden Vorsprung vor dem norwegisch-deutschen Duo Emil Hegle Svendsen und Schempp. Es war eine taktisch anspruchsvolle Situation, und sie mündete im letzten Stehend-Schuss, mit dem Schempp aber, nach starker Leistung bis dahin, die Chance auf den Sieg vergab. Svendsen traf und überholte Babikov noch, Schempp blieb nur, Platz drei zu sichern.

Seit elf Jahren hat kein deutsches Männerteam mehr ein Staffelrennen in Ruhpolding gewonnen, vor zwei Jahren gelang der bislang letzte Staffelsieg bei einer WM. Lesser, Doll, Peiffer, Schempp, das zeigte Ruhpolding, können dies im Februar bei der WM wieder schaffen. Aber sie sollten fit und konzentriert und möglichst nicht auf Ersatz angewiesen sein.

© SZ vom 12.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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