Biathlon:Dahlmeier ist beeindruckt von sich selbst

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Sie ist aktuell einfach die Beste: Laura Dahlmeier. (Foto: dpa)
  • Biathletin Laura Dahlmeier, 23, gewinnt den Gesamtweltcup, ohne es zu wissen - erst im ZDF-Interview erfährt sie davon.
  • Sie ist die fünfte deutsche Biathletin, die den Gesamtweltcup gewinnt.
  • Die Verfolgung in Kontiolahti zeigt erneut, dass sie das Wichtige vom Unwichtigen trennen kann.

Von Max Ferstl, Kontiolahti/München

Laura Dahlmeier nahm es fast ein wenig zu gelassen hin: Sie ballte kurz ihre Hände zu Fäusten, ließ einen kleinen Freudenschrei folgen. Überschwänglich war es nicht, wie Dahlmeier ihren ersten Platz im Verfolgungsrennen von Kontiolahti zelebrierte. Sie hat sich inzwischen eine gewisse Routine angeeignet. Es war ja schon ihr zehnter Sieg der laufenden Saison, im 21. Rennen. Dahlmeier hätte im Zielraum höchstwahrscheinlich ausgelassener gejubelt, hätte sie gewusst, wie sich das Ergebnis auf den Punktestand im Gesamtweltcup auswirkt. Sie selbst hat nun 1137 Punkte auf dem Konto, ihre engste Verfolgerin Gabriela Koukalova nur 970. Egal, wie kommende Woche die abschließenden drei Rennen beim Saisonfinale in Oslo ausgehen - den Rückstand kann Koukalova nicht mehr aufholen.

Dahlmeier, 23, hat den Gesamtweltcup gewonnen, ohne es zu wissen. Nicht als sie sich ins Ziel schob, nicht als die Französin Marie Dorin Habert den zweiten Platz belegte, den Koukalova mindestens benötigt hätte, um Dahlmeiers Triumph an diesem Nachmittag zu verhindern. Dahlmeier hatte noch immer keine Ahnung, als sie sich vor die Fernsehkamera stellte. Erst als ihr der ZDF-Reporter Meldung machte, stellte sich die Erkenntnis ein. Dahlmeier stieß einen Jubelschrei aus, einen wesentlich lauteren, euphorischeren als im Zielraum. "Ist es jetzt wirklich fix?", fragte sie. War es. "Das macht mich jetzt echt sprachlos. Das ist echt ein krasser Moment."

Laura Dahlmeier
:"Ist es jetzt wirklich fix? Wahnsinn! Krass!"

Laura Dahlmeier erfährt live im Fernsehinterview, dass sie vorzeitig den Biathlon-Gesamtweltcup gewonnen hat. Sie ist kurzzeitig fassungslos.

Sie kann das Wichtige vom Unwichtigen trennen

Dahlmeier hatte zuletzt stets betont, sich nicht auf Rechenspiele zu konzentrieren. Noch am Freitag nach ihrem zweiten Platz im Sprint hatte sie erklärt, den Punktestand nicht wissen zu wollen. Es ist vielleicht ihre große Stärke in dieser Saison: dass sie das Wichtige vom Unwichtigen trennen kann.

Das vierte Schießen in der Verfolgung lieferte hierfür ein weiteres eindrucksvolles Beispiel. Zu dritt hatten Dahlmeier, Dorin Habert und Koukalova den Schießstand erreicht, beinahe gleichzeitig mit dem Schießen begonnen. Dorin Habert verfehlte eine Scheibe, Koukalova zwei, Dahlmeier keine. In dem Moment war der Gesamtweltcup entschieden. "Das bedeutet mir sehr viel", freute sich Dahlmeier, "denn es macht den komplettesten Sportler aus, über eine ganze Saison konstant ganz vorne zu sein. Dass ich das jetzt geschafft habe mit 23 Jahren, das ist echt beeindruckend."

In 17 von 21 Saison-Rennen stand sie auf dem Podium

In 21 Wettkämpfen stand die 23-Jährige 17 Mal auf dem Podium, ihre schlechteste Platzierung war ein siebter Platz. Sie ist die fünfte deutsche Biathletin, die den Gesamtweltcup gewinnt, nach Martina Beck (2003), Kati Wilhelm (2006), Andrea Henkel (2007) und Magdalena Neuner (2008, 2010 und 2012). "Wenn man ihre Konstanz in dieser Saison gesehen hat, kann einen das nicht mehr überraschen", schwärmte Bundestrainer Gerald Hönig. Biathlon-Rekordweltmeisterin Magdalena Neuner, 30, gratulierte ebenfalls. "Was sie in diesem Jahr geleistet hat, ist einfach unglaublich. Der Gesamtweltcup ist natürlich die Krönung einer herausragende Saison", sagte Neuner dem Sport-Informations-Dienst: "Gratulation und ein riesiges Kompliment!"

In Kontiolahti zeigte sich einmal mehr, wie klug die 23-Jährige ihre Saison geplant hat. Da der dicht gedrängte Wettkampfkalender wenig Möglichkeiten zur Regeneration bietet, hatte Dahlmeier im Januar eine Pause eingelegt. Obwohl sie im Gesamtweltcup vorne lag, verzichtete sie in Oberhof auf zwei Rennen, kalkulierte bewusst den Verlust des gelben Trikots ein. Doch Dahlmeier wusste aus den Vorjahren, dass ihr eine Pause gut täte. Andernfalls würde ihr in den entscheidenden Wochen die Kraft ausgehen. Während Koukalova die Führung im Gesamtweltcup übernahm, erholte sich Dahlmeier. Und die Rechnung ging auf: Bei den Weltmeisterschaften in Hochfilzen gewann sie fünf Goldmedaillen, holte zudem Silber im Sprint. Auch jetzt, da die Saison auf die Zielgerade einbiegt, wirkt die Deutsche deutlich frischer als die Konkurrentinnen.

Den kräftezehrenden Trip nach Pyeongchang, zur Olympia-Generalprobe vergangene Woche, scheint sie ebenfalls besser verkraftet zu haben. Koukalova, die am Samstag nur zehnte wurde und in der Schlussrunde sichtlich litt, klagte nach dem Wettkampf: "Ich war müde, ich hatte keine Kraft mehr. Ich konnte mich überhaupt nicht mehr konzentrieren." Zwar spürt auch Dahlmeier, dass "die Körner" gegen Saisonende weniger werden. Zu sehen war davon am Samstag jedoch nichts. Dahlmeier schloss rasch zu Tiril Eckhoff auf, die am Freitag den Sprint gewonnen hatte, leistete sich nur einen Fehler am Schießstand, und behielt die Nerven, als es drauf ankam. Am Ende konnte Dahlmeier entspannt ins Ziel laufen. So, als hätte sie noch keine anstrengende, aufregende Saison hinter sich.

© SZ vom 12.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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