Beachvolleyball:Streit im Sandkasten

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"Der Verband knebelt uns": Athletensprecher Kay Matysik kritisiert die plötzlichen Forderungen des DVV. (Foto: Harry Engels/Getty Images)

Die deutschen Nationalspieler sind erbost über ihren Verband: Kurz vor der WM überrascht sie der klamme DVV mit einer Forderung.

Von Felix Meininghaus, München

Beachvolleyballer sind Athleten mit ganzheitlichen Qualitäten. Wer diesen Sport als Beruf wählt, muss nicht nur hoch springen und hart auf den Ball schlagen können, sondern auch viele Zusatzqualifikationen mitbringen, die auf den ersten Blick mit dem sportlichen Treiben nichts zu tun haben. Im Gegensatz zu Kollegen aus anderen Sportarten, denen jegliche organisatorische Belastung von Betreuern, Beratern und Managern abgenommen wird, sind die Strandexperten auch außerhalb ihres Arbeitsplatzes ständig gefordert: als Reisekaufleute, Hotel- und Marketingexperten, Öffentlichkeitsarbeiter.

Jede ambitionierte Zweierbeziehung sei "wie eine kleine Firma mit vielen Abteilungen", sagt Kay Matysik, der mit seinem Partner Jonathan Erdmann bei der am Samstag beginnenden Weltmeisterschaft in den Niederlanden (Den Haag, Amsterdam, Rottderdam und Apeldoorn) für Deutschland in den Sandkasten steigt. Als sei das nicht schon genug, muss der Abwehrexperte aus Berlin seit einigen Wochen eine neue Baustelle beackern: Matysik vertritt die Gilde der Nationalspieler als Athletensprecher, und als solcher streitet er sich mit den Funktionären. Grund ist ein Schreiben, das der Deutsche Volleyball-Verband (DVV) Anfang Juni an seine Auswahlspieler verschickte. Mitten in der Saison konfrontierte der DVV seine Athleten mit der Forderung, eine Lizenzgebühr von 15 000 Euro pro Nationalteam zu zahlen.

Bei fünf Duos, die den DVV bei internationalen Turnieren offiziell vertreten, summieren sich die Einnahmen für den klammen Verband also auf 75 000 Euro. Als Gegenleistung dürfen sich die Teams selbst vermarkten. Als Druckmittel wurde angedroht, Zuschüsse einzubehalten, die vom DOSB zweckgebunden gezahlt und vom DVV verteilt werden. Ein Unding, wie Matysik findet: "Der Verband knebelt uns, indem er sagt, Ihr bekommt diese Gelder nur, wenn Ihr die Vermarktungsvereinbarung unterschreibt."

Als Begründung, eine solche Gebühr zu erheben, werden "unsere angeblich fantastischen Vermarktungsmöglichkeiten als Nationalteam angeführt", sagt Matysik. Der DVV gehe von einem Potenzial von jährlich 200 000 Euro aus, von dem ihm die Hälfte zustehe. Davon verlange er die übliche Makler-Courtage von 15 Prozent.

Dieser Wert sei weit überzogen, sagt der Athletensprecher. Im Gegensatz zu Tennisspielern, Golfern oder Kickern führen Spitzenathleten aus der Sandgilde ein Schattendasein. "Uns sind zuletzt drei Sponsoren weggebrochen", berichtet Matysik, "obwohl wir Nationalteam sind und bei der WM 2013 eine Medaille gewonnen haben."

Mit seiner ad hoc erhobenen Forderung hat der DVV eine ohnehin offene Wunde weiter aufgerissen. Seit jeher beschwert sich die Sandfraktion, gegenüber den Kollegen aus der Halle stiefmütterlich behandelt zu werden. Dabei sind es doch die Beachvolleyballer, die bei den großen Meisterschaften regelmäßig Medaillen einsammeln und dem DVV 2012 in London mit dem Gewinn von Olympiagold den größten Erfolg seiner Geschichte bescherten.

Tatsächlich macht es sich der Verband einfach. Dass sich die Nationalteams seit Jahren selbst um Sponsoren kümmern, liegt daran, dass seine Vermarkungsagentur DVS unfähig ist, die Geldgeber herbeizuschaffen, die angeblich in Hülle und Fülle vorhanden sind. "Wenn es so leicht ist", sagt Matysik süffisant, "dann soll der Verband doch die 100 000 Euro für uns erwirtschaften. Dann zahlen wir die verlangte Gebühr mit Kusshand."

Da der Ist-Zustand ein anderer ist, gehen die Athleten auf die Barrikaden. Sie drohen mit einer Klage, "um ein für alle Mal klarzustellen, ob es eine rechtliche Grundlage gibt, eine solche Vermarktungs-Vereinbarung mit uns einzugehen", sagt Matysik. Eine gütliche Einigung ist allerdings auch möglich. Die Athleten haben angeboten, eine wesentliche geringere Abgabe bis maximal 2500 Euro zu entrichten. Nicht, "weil wir eine solche Gebühr anerkennen", wie der 35-Jährige betont, "sondern damit wir Ruhe haben." Die jetzige Situation raube Energie, die dann beim Kampf um den Ball fehle. "Wie sollen wir den Kopf frei bekommen für das Wesentliche?", fragt der Abwehrspieler: "Dabei sind wir doch diejenigen, die für den DVV die Kohlen aus dem Feuer holen sollen."

Die internationale Konkurrenz nimmt es erfreut zur Kenntnis, dass sich die starken Deutschen vor dem ersten Ballwechsel der WM außerhalb des Sandplatzes aufreiben. Christoph Dieckmann erlebt, dass die Szene sehr genau hinschaut; er kennt sowohl die Innen- als auch die Außenperspektive. Als Nationalspieler gewann der Bonner 2006 für Deutschland EM-Gold, heute arbeitet er als Trainer in der Schweiz. Aus Erfahrung weiß er, "dass die Wertschätzung für die Athleten in der Schweiz wesentlich höher ist, als ich das zu meiner Zeit als Profi in Deutschland erlebt habe".

© SZ vom 26.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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