Beachvolleyball:Größter Nachtclub der Stadt

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"Die Atmosphäre ist gigantisch, wenn man mit dem Taxi ankommt und die Wellen hört, das Stadion sieht und die Menschenmengen..." - Beachvolleyball fasziniert in Rio. (Foto: Ricardo Moraes/Reuters)

Die Finalpartien im Beachvolleyball finden um Mitternacht statt - dann ist Primetime an der amerikanischen Westküste. Doch die Spiele in Rio beweisen: Spirituelle Heimat dieser Sportart ist die Copacabana.

Von Thomas Kistner

Nachts drehen die Cariocas richtig auf, dann sind Rios Einwohner gern noch etwas lauter. Scheinwerfer gleiten über die Hochhausfront an der Strandpromenade Avenida Atlântica, Stroboskop-Licht flackert, harte Beats wummern. Der größte Nachtclub der Stadt steht im Sand der Copacabana, auf der Tanzfläche und drum herum sind Sonnenbrillen und körperbetonte Kleidung angesagt. Gebaggert und gefeiert wird fast bis zum Morgen, das amerikanische Fernsehen will möglichst viele Zuschauer an der Westküste erreichen, die wie Rio für sich in Anspruch nimmt, spirituelle Heimat des Beachvolleyballs zu sein.

Die Gold-Finalspiele Mitte nächster Woche wurden gleich auf Mitternacht angesetzt. Bis dahin haben sich Laura Ludwig und Kira Walkenhorst an die Nachtschichten gewöhnt. Wenn sie denn dabei sind. Aber das Duo geht selbstbewusst ins erste K.o.-Spiel am Samstag, 2:1 (21:18, 18:21, 15:9) gewannen sie auch das dritte Gruppenspiel gegen Marta Menegatti/Laura Giombini aus Italien. Und dazu die Erfahrung, dass manchmal auch der schiere Kampfgeist ausreichen kann, um ein Match herumzubiegen, wenn's mal weniger rund läuft.

"Nicht unser bestes Spiel", befand Laura Ludwig später und überprüfte ihren Herzschlag: "Das war mehr eine Kardio-Session." Tatsächlich hatten die beiden erstmals Probleme, zu selten entfalteten sie Druck. Die Aufschläge kamen nicht; dafür servierten die Italienerinnen gut, sie blockten und hechteten wie die Sandflöhe, was häufig zu kraftraubenden Ballwechseln führte. Meist waren es aber die Deutschen, die diese Passagen mit aufreibender Feldabwehr und einem wuchtigen Hieb ins gegnerische Terrain entschieden. Doch beim Vielseitigkeitsturnen im tiefen Natursand, sagt die Berlinern, "wollte ich gar nicht wissen, wie hoch mein Puls war". Jedenfalls permanent im oberen Bereich. Ludwig saugt bei der dritten Olympiateilnahme jeden Sinneseindruck auf. "Die Atmosphäre ist gigantisch, wenn man mit dem Taxi ankommt und die Wellen hört, das Stadion sieht und die Menschenmengen, die eine so gute Zeit haben."

Anstatt Italiens Team wegen Dopings auszuschließen, durfte rasch eine neue Spielerin ran

Im Achtelfinale trifft das Duo auf Isabelle Forrer/Anouk Vergé-Depré, die Schweizerinnen wurden mit nur einem Sieg Dritte in ihrer Gruppe. In der hatten sie mit den Amerikanerinnen Kerri Walsh/April Ross zu tun, die neben den Deutschen und den Brasilianerinnen Agatha Bednarczuk/Barbara Seixas De Freitas zu den Gold-Kandidatinnen zählen. Ludwig/Walkenhorst haben beide Teams schon geschlagen, "aber eine große Schippe", ahnt Kira Walkenhorst, "müssen wir drauflegen."

Diesen letzten Biss zeigten die Italienerinnen, denen es dank des Satzgewinns gelang, sich die in derselben Nacht anschließenden Ausscheidungsspiele der Gruppendritten zu ersparen. Sie stehen nun auch in der K.o.-Runde. Was eine Überraschung ist, weil Marta Menegatti bis vor zwei Wochen mit Stammpartnerin Viktoria Orsi Toth Richtung Rio unterwegs war. Dann flog auf, dass Toth bei einem Turnier Mitte Juli im heimatlichen Rom positiv auf das anabole Steroid Clostebol getestet worden war, was ihr den unschönen Titel als Rios erste Dopingsünderin nebst Sperre eintrug. Doch wie das so ist in der olympischen Null-Toleranz-Dopingpolitik, sah das IOC über den dreisten Dreh des Volleyball-Weltverbands FIVB hinweg: Der schloss nicht das ganze Duo aus, sondern verfuhr einfach nach der Verletzungsregel - was ermöglichte, dass Menegatti kurzfristig eine neue Partnerin zugewiesen bekam: Laura Giombini.

"Laura war die ganze Zeit so aggressiv wie ich", schwärmte Menegatti hernach: "Und sie ist innerhalb von nur einer Woche zur Block-Spezialistin geworden." Kira Walkenhorst sieht das ein wenig anders. Für sie war der Trick des Weltverbands "eine ganz schön krasse Nummer, unfair gegenüber anderen Teams".

Was den Italienerinnen erspart blieb, verhalf spät in der Nacht auch dem zweiten deutschen Duo in die K.o.-Runde. Karla Borger/Britta Büthe aus Stuttgart bezwangen Pazo/Gonzalez (Venezuela), ehe sie am Freitag gegen die topgesetzten Brasilianerinnen Larissa/Talita mit 0:2 (17:21, 19:21) ausschieden. Da waren Ludwig und Walkenhorst längst zurück im Appartement. Zeitanpassung ist ein zentrales Thema bei der olympischen Nachtarbeit.

"Ich halte öfter ein Mittagsschläfchen", sagt Ludwig. Das sei die beste Vorbereitung für den nächsten Gang ins olympische Kraftwerk am Strand.

© SZ vom 13.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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