Beachvolleyball:Die Europameisterin muss gehen

Beachvolleyball-EM: Glenzke/Großner

Nadja Glenzke und Julia Großner (links) bejubeln ihren Europameistertitel.

(Foto: dpa)
  • Julia Großner gewinnt mit ihrer Partnerin Nadja Glenzke überraschend Gold bei der Beachvolleyball-EM.
  • Vorm Abflug hatte der Verband ihr attestiert, dass ihr sportliche Perspektive fehle. Vor acht Monaten hatten sie Experten noch ins Perspektivteam berufen.
  • Die Medaille wird wohl nichts an der Entscheidung ändern.

Von Saskia Aleythe

Das Leben ändert sich manchmal schnell. Am Montag stieg Julia Großner aus dem Flieger in Berlin, "im Moment läuft immer so ein schöner Film vor meinen Augen ab", sagt sie, und sie genießt ihn. Die Szenen: Wie sie mit ihrer Partnerin Nadja Glenzke schwierige Situationen bei der Beachvolleyball-EM in Jurmula/Lettland bewältigt, sich nach verlorenen Sätzen zurückkämpft. Und schließlich mit Gold und Pokal nach Hause fliegen darf. "Da sind viele Emotionen dabei und ich hoffe, dass ich sie lange behalten kann", sagt Großner. Was auch schon eine sportliche Aufgabe ist: Ihr eigener Verband hatte ihr ja vor der EM attestiert, perspektivlos zu sein, im Hinblick auf Olympia 2020.

Die Geschichte um Julia Großner beginnt im vergangenen Winter. Professionelle Strukturen waren im deutschen Beachvolleyball damals kaum vorhanden, was sich nach dem Olympiasieg von Laura Ludwig und Kira Walkenhorst ändern sollte. Auf Grundlage der durchgesetzten Leistungssportreform des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) pickte sich der Deutsche Volleyballverband (DVV) Mitte Dezember Hamburg als neuen und alleinigen Stützpunkt für die Nationalteams heraus. Verbunden mit der Forderung, die Besten des Landes mögen doch bitte nach Hamburg ziehen, dort leben und trainieren.

Zu den Besten des Landes wurde dann auch Großner gezählt. Sie, damals auch schon 28 Jahre alt, sollte fortan zusammen mit Nadja Glenzke, 21, ein Perspektivteam bilden, auch im Hinblick auf die kommenden Olympischen Spiele 2020 in Tokio. "Eine Auswahl an Beratern und Experten, auch Bundesnachwuchstrainer, haben sich getroffen", sagt Sportdirektorin Jana Köhler, "und in einem Lehrgang die Athleten angeschaut und entschieden".

Im Winter galt sie als Talent. Neue Experten sprachen es ihr wieder ab

Köhler war damals noch nicht Sportdirektorin, sie ist es genau genommen erst seit dem 1. August, also seit gut drei Wochen. Ihre Stelle wurde neu geschaffen, genauso wie die der Chef- und Assistenzbundestrainer für Männer und Frauen, die erst Anfang des Jahres nach und nach ihre Verträge unterschrieben. Ein neu formiertes Kompetenzteam also, das von Großner nun weniger hält als das Expertenteam im vergangenen Winter. "Im Hinblick auf eine längerfristige Ausrichtung mit den jetzt hauptamtlichen Bundestrainern und Chefbundestrainern wurden einige Entscheidungen überdacht", sagt Köhler.

Auch sie hat gegen Großner gestimmt. Insgesamt wurde fünf Athleten die Spitzenförderung gestrichen, darunter die Beachvolleyballer Max Betzien, Tim Holler (beide Berlin) und Jonathan Erdmann (Potsdam). Sie alle waren vor acht Monaten auf Drängen des DVV ebenfalls nach Hamburg gezogen. "Jeder wusste ja, worum es geht in diesem System", sagt Großner heute, "keiner von uns ist dahin gegangen und hat gedacht, er ist jetzt vier Jahre dort. Aber sicherlich denkt man auch nicht, dass man so kurz da ist."

Dass derlei Zukunftsgespräche vor einer EM durchgeführt werden, erscheint unglücklich. "Das war in diesem Jahr schwierig mit den Höhepunkten so direkt nacheinander", sagt Großner selbst. Ende Juli begann die WM, nun die EM, in zwei Wochen stehen die deutschen Meisterschaften an. Sie findet ohnehin: "Es gibt keinen besonders passenden Zeitpunkt für so ein Gespräch." Enttäuscht war sie, natürlich, "so was muss man auch erst mal verarbeiten, das hat ein paar Tage gedauert". Aber weil dann eben eine EM anstand, versuchte sie, sich mehr auf den Sport zu konzentrieren. "Ich mache mir im Moment wenig Gedanken darüber, weil ich jetzt einfach spielen will."

"Nadja und Julia haben eine tolle Leistung gezeigt"

Und spielen kann sie dann offensichtlich doch ganz gut. Auf dem Weg zum Titel schlug sie zusammen mit Glenzke, mit der sie ja erst wenige internationale Turniere gemeinsam spielte, drei andere deutsche Duos: Victoria Bieneck und Isabel Schneider, Karla Borger und Margareta Kozuch und schließlich im Viertelfinale auch Walkenhorst und Ludwig. Die Olympiasiegerinnen waren zwei Wochen nach ihrem WM-Triumph geschwächt angetreten. "Natürlich haben wir Körner bei der WM gelassen. Nadja und Julia haben aber eine tolle Leistung gezeigt und wenig Fehler gemacht", sagte Ludwig.

Ein überraschender Sieg kann jedem mal passieren, aber gleich ein ganzer Turniererfolg? Mit der Zentralisierung in Hamburg hatte es zuletzt vor allem um das Duo Borger/Kozuch Trubel gegeben. Kozuch, langjährige Kapitänin des Nationalteams, wechselte im vergangenen Jahr in den Sand und schloss sich mit Borger, WM-Zweite von 2013, zusammen. Weil beide nicht an den Stützpunkt wechseln wollten, verwehrte ihnen der DVV unter anderem das WM-Ticket, das sie nur durch eine Wildcard erhielten.

Zwischen Großner und dem Verband soll es in den nächsten Tagen weitere Gespräche geben; dass sich der DVV durch die Medaille umstimmen lässt, ist allerdings kaum zu erwarten. "Ich gehe nicht davon aus, dass die Entscheidung aufgrund eines Turniers gekippt wird", sagt Sportdirektorin Köhler. Großner will ihren Karrierehöhepunkt erst mal genießen. "Da ist gerade kein Platz für andere Überlegungen."

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