Bayer Leverkusen:Verhinderte Heldengeschichten

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Kein Durchkommen: Stefan Kießling (l.) und Leverkusen gelingt gegen Augsburgs Torwart Marwin Hitz kein Treffer. (Foto: Federico Gambarini/dpa)

Charles Aranguiz verschießt einen Elfmeter, Stefan Kießling scheitert - und Leverkusen hadert.

Von Ulrich Hartmann, Leverkusen

Stefan Kießling ist 32 Jahre alt und hat 376 Bundesligaspiele bestritten. Der gebürtige Franke weiß, was eine gute Geschichte im Fußball ausmacht. Sie kann zum Beispiel mit Krankheit und Sorgen zu tun haben - und mit einer dann besonders begeisternden Rückkehr. Womöglich also auch aus dramaturgischen Gründen könnte Kießling am Mittwochabend bis zur zweiten Minute der Nachspielzeit gewartet haben, um per Kopfball den Siegtreffer für Bayer Leverkusen zu erzielen - allein, es blieb beim guten Vorsatz.

In allerletzter Minute hätte Kießling diesen Triumph gerne gefeiert, aber er hat die Rechnung ohne den Augsburger Torwart Marwin Hitz gemacht. Kießling köpfelte eine Flanke von Julian Brandt daher nur beinahe ins Tor, die Zuschauer hatten den Jubelschrei auf den Stimmbändern, doch Hitz parierte spektakulär mit der rechten Hand: "Dieses Tor hätte die Geschichte des Spiels werden können", wusste Leverkusens Trainer Roger Schmidt. Held der Nachbetrachtung war so aber Hitz - statt Kießling: "Der Stefan war ja lange verletzt und darf zufrieden sein, dass er wieder mitspielen konnte", sagte Hitz lächelnd, "dieses Gefühl muss ihm für heute reichen."

Kießling ist Stürmer, genau wie seine Leverkusener Kollegen Javier Hernandez, Kevin Volland und Joel Pohjanpalo. Wenn allein dieser Reichtum im Kader ein relevantes Kriterium für viele Tore wäre, dann müsste Bayer in der Tabelle weit oben stehen. Doch die Rheinländer sind nach vier Spielen nur Zwölfter mit vier Punkten - und fünf Treffern. Zum Vergleich: Mainz hat zehn, Dortmund 13, die Bayern 14 Tore geschossen. "Die anderen Mannschaften zeigen uns, wie leicht es offenbar ist, Tore zu schießen", sagte Schmidt, "aber uns fällt es im Moment sehr schwer." Beim 1:2 in Frankfurt hatte Hernandez einen Elfmeter an den Pfosten geschossen, beim 0:0 gegen Augsburg drosch diesmal Charles Aranguiz einen Strafstoß daneben. "Es passt zu unserer Situation, dass selbst unsere sicheren Elfmeterschützen zurzeit nicht treffen", haderte Schmidt.

Den Punkt für Augsburg sichert Torwart Marwin Hitz

Die Augsburger haben nach vier Spielen sogar erst drei Tore erzielt, aber sie haben damit ebenfalls vier Punkte geholt - und sind damit eigentlich zufrieden, weil sie einen anderen Anspruch haben als Bayer 04. Das 1:3 jüngst gegen Mainz hätten sich die Schwaben gerne erspart, umso glücklicher waren sie mit dem Nullnull bei den Leverkusenern, bei denen man mit etwas Pech auch eine Abreibung bekommen könnte - wenn Spieler wie Hernandez, Volland, Kießling oder Pohjanpalo in besserem Zustand sind. Augsburgs defensives Spiel war auch deshalb von Erfolg gekrönt, weil Leverkusen in dieser frühen Phase der Saison noch recht langsam spielt und zu wenige gute, kreative Ideen entwickelt.

Den Augsburgern war's recht: "Wir müssen jeden Punkt mitnehmen, den wir angeboten bekommen", sagte der Schweizer Torwart Hitz, der dabei klang, als hätten die Leverkusener dem FCA weiche Sofas zum Sitzen angeboten und den Punkt auf einem Silbertablett. Dass es so nicht ganz war, davon zeugte auch die Verletzung des Koreaners Ja-Cheol Koo, der in der Pause am Knöchel genäht werden musste und die zweite Halbzeit auf einer Holzbank in der Kabine lag, um dort das Spiel auf einem Fernseher anzuschauen. Er sah Hitz zu großer Form auflaufen und seine Kollegen beim Schlusspfiff herzlich vereint: "Jeder Punkt ist wichtig", sagte Hitz, "das haben wir in der vergangenen Saison gesehen, als es am Ende bloß zwei Punkte vor dem drittletzten Platz waren."

Vielleicht erweist sich dieses 0:0 also als besonders wertvoll. Aber noch etwas hält Hitz jetzt für nötig: "Ein Dreier am Samstag gegen Darmstadt wäre wichtig für uns und unsere Fans." Zu einem Dreier aber ist mindestens ein eigenes Tor erforderlich - und damit hätte Hitz es nicht mehr allein in der Hand.

© SZ vom 23.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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