Augsburg - Bremen 1:2:Schildkröte mit Torinstinkt

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Beseelt in Augsburg: Werder-Stürmer Claudio Pizarro leitete mit seinem 177. Bundesliga-Tor die Wende ein. (Foto: Stefan Puchner/dpa)

"Wir sind glücklich, dass er gezeigt hat, dass er nicht nur ein großer Name ist": Endlich trifft Bremen-Rückkehrer Claudio Pizarro.

Von Kathrin Steinbichler, Augsburg

Es ist nie fair, einen Menschen auf den ersten Eindruck zu reduzieren, auch und gerade im Alter nicht. Vielleicht war es dieser Gedanke, der Claudio Pizarro im Sommer zurück nach Bremen getrieben hat. Dort, beim SV Werder, ist Pizarro schließlich ein alter Bekannter. Eine Vereinslegende mit erfolgreicher Karriere. Ein Mann mit Geschichte, auf und neben dem Platz. Was den charmanten Stürmer und Lebemann zuletzt allerdings nicht davor geschützt hat, wegen anhaltender Torlosigkeit schwer in die Kritik zu geraten. An diesem Sonntagabend in Augsburg aber hat Claudio Pizarro sich noch einmal in die Geschichtsbücher der Fußball-Bundesliga eingetragen.

Der treffsicherste ausländische Torschütze ist er mit jetzt 177 Torerfolgen im hiesigen Wettbewerb sowieso. Zumindest in dieser Saison ist der 37-Jährige auch noch der älteste Torschütze der Bundes- liga. Doch Rekorde und historische Marken waren Pizarro an diesem Sonntagabend herzlich egal, ihm war nach dem 2:1-Sieg beim FC Augsburg vor allem wichtig, überhaupt wieder als Torschütze zu gelten. "Das war ein enorm wichtiger Treffer für mich", sagte Pizarro, nachdem er Bremen beim 2:1 über den FC Augsburg mit einer schönen Direktabnahme zwischenzeitlich 1:0 in Führung gebracht hatte. "Ich bin glücklich, dass ich der Mannschaft endlich wieder helfen konnte."

Nachdem sein Vertrag beim FC Bayern München nach der abgelaufenen Saison nicht verlängert worden war, hatte Pizarro sich daran gemacht, Angebote und Möglichkeiten zu sortieren. Die USA lockten mit einer neuen Erfahrung, die arabische Halbinsel lockte mit Geld, die chinesische Liga versprach gleich beides. Doch so gern Claudio Pizarro, der Pferde züchtende Sunnyboy aus Peru, mit fremden Menschen lacht und feiert, so gern bewegt er sich privat in einem vertrauten Umfeld. Am Ende entschied er deshalb, mit seiner Familie in der Bundesliga zu bleiben und dort zu seinen Anfängen zurück zu kehren. Zurück zu dem Klub, bei dem er 1999 nach seinem Wechsel von Alianza Lima aus Peru groß geworden war. Zu dem er nach erfolgreichen ersten Jahren beim FC Bayern schon einmal per Ausleihe zurückgekehrt war, als es beim nicht ganz so familiären FC Chelsea nicht lief. Und der ihn jetzt, in dieser recht schwierigen Saison des Neuaufbaus, als Routinier und Elder Statesman gebrauchen konnte.

Mehr als 100 Fans hatten Pizarro Anfang September am kleinen Bremer Flughafen jubelnd in Empfang genommen, mindestens genau so viele schrien sich zuletzt in den Stadien den Frust von der Seele, als der öffentlichkeitswirksame Offensiv-Einkauf nach zwei Monaten vor allem auf der Bank saß und in elf Spielen noch immer nicht getroffen hatte. Ein peruanischer Journalist verglich Pizarros Auftreten hämisch mit dem einer "schwangeren Schildkröte" - langsam und unbeweglich. "Ich war nicht fit", gestand Pizarro jetzt, was er nach der ersten Euphorie der Heimkehr auch realisiert hatte. "Aber ich habe viel für meine Fitness getan und hart gearbeitet. Das Tor war der Lohn dafür."

Werder-Trainer Viktor Skripnik jedenfalls war nicht nur über die wichtigen Punkte aus dem Kellerduell erleichtert, sondern auch darüber, eine Baustelle weniger zu haben im Team. "Wir sind glücklich, dass er wieder gezeigt hat, dass er nicht nur ein großer Name, sondern auch ein wichtiger Spieler für uns ist", sagte Skripnik. Mit drei Punkten Vorsprung auf den Relegationsplatz "gehen wir gelassener in die Länderspielpause als ohne", gab Geschäftsführer Thomas Eichin zu. Pizarro machte sich derweil am Montag vom Münchner Flughafen aus auf nach Peru, zum Nationalteam. Als er erfuhr, dass seine Luftlinie nicht vom Flugbegleiterstreik betroffen ist, lachte er erleichtert. Der Torinstinkt und das Glück sind zurück.

© SZ vom 10.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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