Athletenförderung:"Braucht das IOC so viele Millionen?"

Rio 2016 - TV-Kameramann beim Bogenschießen

Das Geld sprudelt beim IOC, nicht zuletzt durch die TV-Gelder. Doch bei den Sportlern kommt wenig an.

(Foto: dpa)
  • Die deutsche Athletenkommission um den Vorsitzenden Max Hartung kämpft um mehr Geld für Spitzensportler und fordert ein Viertel der Einnahmen vom IOC.
  • Nicht zuletzt aufgrund neuer Rekordverträge bei den Fernsehrechten werden die Einnahmen des IOC in den kommenden Jahren deutlich steigen.
  • "Die Frage ist doch, wann der Punkt gekommen ist, an dem die Athleten was abkriegen", sagt Hartung der SZ.

Von Johannes Aumüller

Max Hartung hat am Mittwoch viele Stunden am Telefon verbracht. Zahlreiche Sportler hätten sich gemeldet, berichtet der Säbel-Fechter und Vorsitzende der deutschen Athletenkommission. Und es klingt durchaus glaubhaft, wenn er mitteilt, dass darunter vor allem positive Rückmeldungen waren.

Denn Hartung und seine Kommission hatten tags zuvor einen spektakulären Vorstoß im Kampf um mehr Geld für Spitzensportler unternommen. In einem offenen Brief an Thomas Bach, den Präsidenten des Internationalen Olympischen Komitees (IOC), forderten sie, dass die Ringe-Organisation ein Viertel ihrer Einnahmen direkt den Athleten zukommen lassen soll. Das sind Beträge weit jenseits der Milliardengrenze. Im abgelaufenen Olympia-Zyklus von 2013 bis 2016 nahm das IOC umgerechnet 4,8 Milliarden Euro ein. Das wären also zirka 1,2 Milliarden Euro für die direkte Unterstützung der globalen Sportlerschar gewesen. Nicht zuletzt aufgrund neuer Rekordverträge bei den Fernsehrechten für Europa und Nordamerika werden die Einnahmen des IOC in den kommenden Jahren aber deutlich steigen.

"Die Einnahmen des IOC wachsen wie irre. Die Frage ist doch, wann der Punkt gekommen ist, an dem die Athleten was abkriegen", sagt Hartung der SZ. Nur wegen der Athleten kann es ja Olympische Spiele und eine Vermarktung der Bilder durchs IOC geben. Doch wenn es die Verteilung des Geldes ansteht, dann gehen die Athleten bisher quasi leer aus, so die Kritik.

Konfrontation zwischen Athleten und Funktionären

Diese Forderung passt in die Entwicklung der Athletenkommission, seit Hartung und die Kanutin Silke Kassner im Februar 2017 dort die Führungspositionen übernahmen. Immer offener gestaltet sich die Konfrontation zwischen den Athletenvertretern sowie Verbänden und Funktionären. Gegen Widerstände aus dem organisierten Sport und der Politik bemühen sie sich um eine Athletenvertretung, die professionell und unabhängig vom Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) agieren kann. Und vor allem kämpfen sie um eine bessere finanzielle Ausstattung der Spitzensportler. Wer nicht in Bundeswehr, Zoll oder Polizei angestellt ist, bekommt in der Regel zwischen 300 und 600 Euro monatlich von der Sporthilfe. Das erklärte Ziel ist es, dass ein monatlicher vierstelliger Betrag für alle Kaderathleten herauskommt. Bereitstellen soll das die Bundesregierung.

Dazu kommt die aktuelle Forderung der Athleten ans IOC. Formal entstand sie im Kontext eines Kartellverfahrens, das seit 2017 wegen der Regel 40 der Olympischen Charta läuft. Dieser Passus schränkt die Werbemöglichkeiten von Athleten im Umfeld Olympischer Spiele gravierend ein. Damit gingen ihnen "entscheidende Werbeeinnahmen und mögliche weitere Partnerschaften verloren", heißt es im Brief.

Dem IOC ist offenkundig daran gelegen, das Thema kleinzuhalten

Das IOC behauptet bei solchen Diskussionen seit Jahren, dass 90 Prozent der Einnahmen in den Sport zurückflossen. Doch Hartung stellt das nicht zufrieden. "Ich kann nicht nachvollziehen, was mit den Mitteln passiert, wenn sie an ein nationales olympisches Komitee oder einen Fachverband gehen. Nur darauf zu vertrauen, dass dieses Geld wirklich für den Sport eingesetzt wird und nicht im falschen Säckel landet, das ist ein bisschen viel verlangt" sagt er der SZ. Und außerdem seien schon zehn Prozent, die nicht zurück in den Sport gehen, angesichts der Milliardeneinnahmen sehr viel: "Braucht das IOC wirklich so viele Millionen? Braucht das IOC einen Glaspalast in Lausanne?"

Dem IOC selbst ist offenkundig daran gelegen, das Thema kleinzuhalten. Er wolle gerne die Kritiker aus Deutschland einladen, um das Solidaritätsmodell "zu diskutieren und zu erklären", sagte IOC-Chef Thomas Bach dem Branchendienst Inside the Games. Es wird nun interessant sein, ob und wie andere Athletenvertreter auf den Vorstoß der Deutschen reagieren. Die Vorsitzende der IOC-Athletenkommission, die frühere Spitzen-Schwimmerin Kirsty Coventry aus Simbabwe, verteidigte die klassische IOC-Linie. In vielen Ländern gibt es gar keine richtige Athletenvertretung. Hartung hofft aber auf Mitstreiter aus anderen westlichen Nationen, beispielsweise aus den USA und aus Kanada, aus Frankreich und aus Großbritannien.

Dabei geht angesichts der Debatte um die direkte Sportlerförderung fast unter, dass die deutschen Athleten in ihrem offenen Brief noch eine zweite Forderung erhoben. Angesichts des schlechten Zustandes des Anti-Doping-Kampfes sollen zehn Prozent der Einnahmen des IOC in ein unabhängiges Anti-Doping-Management fließen. Das wären pro Jahr also 137,5 Millionen Euro. Bisher beträgt das Budget der zuständigen Welt-Anti-Doping-Agentur nur ein Fünftel davon. Das IOC will darauf nicht eingehen. Es verweist darauf, dass es schon jetzt die Hälfte des Wada-Budgets finanziere - und aus der olympischen Bewegung für die nächsten drei Jahre zirka 25 Millionen Euro in eine neue Test-Organisation fließen.

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