Annika Beck in Wimbledon:Große Aufgabe für die kleine Ballmaschine

Lesezeit: 3 min

Annika Beck in Wimbledon. (Foto: AP)

Annika Beck spielt in Wimbledon besser als erwartet. Um ins Achtelfinale vorzustoßen, müsste sie aber Serena Williams aus dem Weg räumen.

Von Gerald Kleffmann, Wimbledon

Die Vorbereitung von Annika Beck war nicht gut. Nach den French Open konnte sie drei Wochen nicht trainieren, aufgrund vieler Matches in dieser Saison hatte sie eine Verletzung am Lendenwirbel erlitten. Als es ihr früher als prognostiziert besser ging, trainierte sie für spärliche 60 Minuten auf einem der Rasenplätze im Tennis-Club Weissenhof in Stuttgart, "dann bin ich schon nach London geflogen". So trat sie in Wimbledon an, beim berühmtesten Turnier. Gras war quasi ein fremder Belag für sie. Immerhin war sie schmerzfrei.

Eine Woche nach ihrer Ankunft stellt sich ihre Situation überraschend positiv dar. Beck, 22 Jahre alt und die Nummer 43 der Weltrangliste, die viertbeste Deutsche, die sich im Gegensatz zu etwa Sabine Lisicki für Olympia qualifiziert hat, steht in der dritten Runde, ein "Riesenerfolg" sei das, sie habe ja "keine Erwartungen" gehabt. "Ich hoffe, ich kann mich noch ein Stück weiter belohnen", sagt sie. Auch dies klingt plausibel. Wenn da nicht der Name der nächsten Gegnerin wäre.

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Serena Williams, 21-malige Grand-Slam-Siegerin, Nummer eins der Welt, Titelverteidigerin, steht Becks erhoffter Belohnung ein kleines bisschen im Weg. Ein Treffen mit der Branchenbesten am Sonntag, im bedeutsamsten Stadion, diese Perspektive deutet Beck als "besondere Herausforderung". Sie ist keine, die große Sprüche formuliert. Beck, die früher so viele Hobbies hatte - Ballett, Schwimmen, Geige -, ist eine stille, umgängliche, fleißige Arbeiterin.

Sightseeing auf dem Centre Court

Die Welten zwischen der Amerikanerin und ihr sind bei weitem nicht so groß wie zwischen Roger Federer und dem Engländer Marcus Willis, die sich in der zweiten Runde auf dem Hauptplatz duellierten; der Schweizer siegte klar gegen die Nummer 772 der Welt; Willis war die Story der ersten Tage. Aber auch die Erfahrungsschätze von Williams und Beck unterscheiden sich in vielen Aspekten sehr. Bezeichnend waren schon die Medienrunden: Beck wurde sehr, sehr viel nach Williams gefragt. Als gäbe es nichts anderes im Frauentennis.

Williams wurde kein Mal auf Beck angesprochen. Als gäbe es Beck gar nicht. Für Williams ist sie, so wirkte es, einfach eine Gegnerin in Runde drei. Für Beck ist es indes etwas ganz Besonderes, "für solche Spiele arbeiten wir hart", sagt sie, und deshalb hat ihre Vorbereitung bereits auf ungewöhnliche Weise begonnen. Sie hat sich wie ein Tourist bei einer Sightseeing-Tour eine Karte für den Centre Court besorgt und ihn sich das erste Mal überhaupt angesehen.

"Ich wollte mir erste Eindrücke verschaffen, wie es dort so ist, wie die Atmosphäre ist", sagt sie. "Es ist erstaunlich, ich bin ja seit vier, fünf Jahren hier und war noch nie auf dem Centre Court." Während Williams kaum andere Plätze als die Hauptstadien der Tennisszene kennt, wird für Beck alles neu sein. Allein die Royal Box gibt es ja nur hier. "Sehr beeindruckend, sehr groß", so empfand sie den Tempel, in den gut 15 000 Zuschauer passen. Ihr ging es darum, sich an diese Bühne zu gewöhnen, sie bestreitet am Sonntag dort das zweite Match. Und weiß eines mit Bestimmtheit: "Ich muss die richtige Mischung zwischen Druck und Entspanntheit finden."

Dass sie nervlich eine stabile Person ist, hat sie schon bei ihrem Auftaktsieg bewiesen. Gegen die Engländerin Heather Watson wehrte sie drei Matchbälle in Serie ab und siegte 12:10 im dritten Satz. Die Weißrussin Alexandra Sasnowitsch beherrschte sie mit ihren Links-Rechts-Topspin-Kombinationen deutlich, 6:2, 6:1. Beck kann wie eine Ballmaschine unermüdlich ihr Spiel abspulen. Sie versucht keine Experimente, sie wird daher auch gegen Williams als Annika Beck ihr Spiel durchziehen und nicht plötzlich Serve&Volley wagen oder tausend Stopps platzieren. Ihre Stärke ist das Winkelspiel, sie kann Gegnerinnen mit Cross-Bällen aus dem Platz treiben und so den Court öffnen. Williams ist ja nicht die lauffreudigste, vielleicht lauert hier eine Chance, die allerdings nur wahr werden kann, wenn ihr eines gelingt: "Ich muss mehr als hundert Prozent geben."

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Eine ganze Box auf dem Centre Court ist reserviert

Den genauen Matchplan wird sie mit Dirk Dier erarbeiten, der Co-Trainer des Fed-Cup- und auch Davis-Cup-Teams entwickelt sich zunehmend zum wichtigen Helfer an allen Fronten, Andrea Petkovic hat er ja auch schon eine Zeit lang begleitet. Beck hatte sich von ihrem Trainer Francesco Aldi getrennt, das Pendeln und ständige Abstimmen zwischen seinem italienischen Standort und der Heimat war doch etwas kompliziert, mit Dier, Vertrauensmann von Bundestrainerin Barbara Rittner, fühlt sie bereits eine Bande. "Wir arbeiten super zusammen, die Ansprachen stimmen", schwärmt sie. Wimbledon ist ihr drittes gemeinsames Turnier.

Ein Problem hat sich vor einem ihrer wichtigsten Spiele der Karriere von selbst gelöst. Normalerweise erhalten die Spieler in Wimbledon nicht viele Karten. Auf dem Centre Court gehört Beck gleich eine ganze Box, mit bis zu zehn Plätzen. Sie hofft, dass es ihre berufstätigen Eltern noch mit der Anreise schaffen, "das würde mir viel bedeuten". Ihre Eltern würden mit Sicherheit auch nicht ein Nickerchen in der Box machen, wie es schon mal bei Serena Williams' Mutter Oracene passiert.

© SZ vom 03.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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