American Football:Staunen über den Magier

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Bei den Dallas Cowboys zeigt sich gerade, dass Football nicht nur als Verdrängungskampf funktioniert: Der 23-jährige Spielmacher Dak Prescott hat eine Verletzungspause von Quarterback Tony Romo, 36, genutzt.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Früher, im Wilden Westen, da hätten die Cowboys so ein Problem ganz anders gelöst: Der junge Pistolero hätte den alten Haudegen zu einem Duell in der Mittagssonne herausgefordert. Wer schneller zieht und den anderen abknallt, der bekommt den Sheriff-Stern und damit die Herrschaft über diese Stadt. Heutzutage sind Cowboys freilich keine Desperados mehr, sondern Footballspieler in Dallas, sie können die derzeit beste Bilanz (8:1) in der amerikanischen Profiliga NFL vorweisen. Der junge Spielmacher Dak Prescott hat den seit Saisonbeginn verletzten Tony Romo bislang derart erfolgreich vertreten, dass der nun genesene Haudegen sagt: "So schwer das für mich auch sein mag: Prescott hat es verdient, der Quarterback dieser Mannschaft zu sein."

Romo, 36, war zehn Jahre lang der nicht immer unumstrittene Spielmacher des wertvollsten Sportvereins der Welt (das Magazin Forbes bezifferte den Wert kürzlich auf 4,2 Milliarden Dollar, der FC Bayern liegt mit 2,68 Milliarden auf Platz zwölf), nach Jahren der Mittelmäßigkeit und bitteren Enttäuschungen in den Playoffs hatten die Cowboys vor dieser Spielzeit einige interessante Änderungen vorgenommen: Der frisch aus dem College verpflichtete Ezekiel Elliot sollte das Laufspiel verbessern, die neu gestaltete Offensivlinie den Weg für Elliot frei räumen oder einen ordentlichen Schutzwall bei Pass-Spielzügen bieten. Das alles klappt bislang genau so, wie es die Cowboys geplant hatten - nur eben ohne Romo, der sich während eines Vorbereitungsspiels einen Wirbel im Rücken gebrochen hat.

"Es bricht einem das Herz, wenn man diesen grandiosen Kader betrachtet und dann verletzt ausfällt - und es wurde alles noch schlimmer, als ich erfahren habe, dass es nicht nur drei, sondern zehn Wochen lang dauern würde", sagt Romo nun. Während der Rehabilitation habe er einsehen müssen, dass es den Cowboys auch ohne ihn prächtig geht: "Das ist die wahrscheinlich schlimmste Zeit meines Lebens - aber wir predigen doch immer, dass es einzig und allein um das Wohlergehen des Vereins gehen würde. Diesen Worten muss ich nun Taten folgen lassen und Prescott bedingungslos unterstützen."

Romo ist nicht der erste Spielmacher in der Geschichte der NFL, der seinen Stammplatz aufgrund einer schweren Verletzung an einen jüngeren Konkurrenten verliert. Tom Brady übernahm bei den New England Patriots im Jahr 2001 von Drew Bledsoe, führte den Verein gleich zum Titel, gewann drei weitere Meisterschaften und gilt auch in dieser Spielzeit als Titelkandidat. Bledsoe wechselte über Buffalo nach Dallas - und saß während der Saison 2006/07 plötzlich auf der Ersatzbank. Auf dem Spielfeld für ihn: Tony Romo. "Ich war mal dieser junge Typ, so läuft das eben in dieser Liga", sagt Romo.

Prescott, 23, hat bislang nicht spektakulär agiert, er erlaubt sich jedoch in seiner ersten Profisaison kaum Fehler. Er hat gleich mal den Rekord für die meisten Passversuche ohne Fehlwurf zu Beginn einer Karriere gebrochen (176, die Bestmarke hielt bis dahin Tom Brady). Er orchestriert die Offensive der Cowboys umsichtig und lässt seine Mitspieler glänzen. Beim wichtigen Auswärtssieg in Pittsburgh vergangenes Wochenende übergab er kurz vor dem Ende auf Elliot und betrachtete, wie der von seinen Kollegen eine Gasse freigeräumt bekam und unberührt in die Endzone lief. Prescott hatte davor zwei schöne Touchdown-Pässe geschafft und sich mal wieder keine Interception geleistet.

"Wir alle bemerken doch, dass hier gerade etwas Magisches passiert - und das werde ich keinesfalls ruinieren", sagt Romo. Er ist seit vielen Jahren mit Vereinsbesitzer Jerry Jones befreundet, am vergangenen Samstag haben sich die beiden gemeinsam das Footballspiel von Jones' Enkel angesehen. "Ich kenne kaum jemanden, der dieses Spiel so versteht wie Tony - er wird mal ein großartiger Trainer", sagt Jones, der nun mit den Gerüchten umgehen muss, dass Romo am Saisonende den einzigen Verein verlassen könnte, für den er in seiner Profikarriere gespielt hat: "Warten wir doch mal ab. Tony wird auch in dieser Saison bereit sein, wenn er gebraucht wird. So was kann schnell gehen in dieser Liga."

Jones verweist derzeit gerne auf die vergangenen Spielzeit: Der alte Haudegen Peyton Manning war verletzt, sein Vertreter Brock Osweiler führte die Denver Broncos in die Playoffs. Gegen Ende der regulären Saison spielte Osweiler wackelig, Manning kehrte zurück und gewann zum zweiten Mal den Titel. Danach ritt Peyton gemütlich in den Sonnenuntergang. "Ich brenne noch immer, mehr als je zuvor", sagt Romo. Er fordert kein Duell mit Prescott. Er weiß aber, dass es im Wilden Western und in der NFL ziemlich schnell passieren kann, dass einer seinen Sheriff-Stern verliert.

© SZ vom 18.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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