American Football:Jaguare zur Tea-Time

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Die NFL machte bereits öfters im Londoner Wembley-Stadion Station. Im Oktober 2015 trafen die Jacksonville Jaguars um ihren Wide Receiver Allen Hurns (mit Ball) auf die Buffalo Bills. (Foto: Tim Ireland/AP)

Zum 18. Mal findet am Sonntag ein Spiel der NFL in London statt, Baltimore trifft im Wembley auf Jacksonville. Der Export ist eine Erfolgsgeschichte, die demnächst zum ersten Standort in Übersee führen könnte.

Von Maximilian Länge

"Die Queen ist bereit für uns, die wir nach London strömen." So stand es in den sozialen Netzwerken unter dem Foto, das Elizabeth II. zeigte. Ins Gesicht der britischen Monarchin hatte die PR-Abteilung der Baltimore Ravens einen lila Raben geschminkt, das Logo des American-Football-Teams. Bereit für die Ravens und ihre Fans, das heißt bereit für American Football im Land des Fußballs. Das Problem: Die Queen ist es nicht. Werbung und Marketing mit der königlichen Familie sind ohne vorherige Erlaubnis verboten - und ohnehin sehen es die Briten nicht gerne, wenn man sich auf Kosten ihrer Königin einen Scherz erlaubt. Wenige Minuten nach der Veröffentlichung war das Foto gelöscht.

Nach London gereist sind die Ravens dennoch. Sie treffen dort am Sonntag (15.30 Uhr, Yahoo.com) im Wembley Stadion auf die Jacksonville Jaguars und leiten das zweite Jahrzehnt der NFL International Series in der Hauptstadt Großbritanniens ein. Das Bild der Queen wird wohl eher nicht mehr das Thema sein am Sonntag. Und trotzdem steht es dafür, dass die US-Footballliga NFL in London auch nach zehn Jahren immer noch etwas Sonderbares ist.

American Football wird in einem Land, in dem Fußball noch Football und nicht Soccer heißt, zunächst kritisch beäugt. Der vielen Unterbrechungen im Spielfluss wegen, und weil sie den Fußball dann doch mehr lieben auf der Insel. Und manche Dinge werden auch nach nun 17 NFL-Spielen auf englischem Boden nicht zur Routine. Die zusätzlichen Reisestrapazen für Teams, die schon auf dem eigenen Kontinent jede Saison Tausende Flugmeilen zurücklegen, zum Beispiel.

Ein Team in London? In den kommenden fünf Jahren machbar, heißt es

Trotzdem ist die Geschichte der NFL in London eine Erfolgsgeschichte. 16 der bislang absolvierten 17 Spiele waren ausverkauft. Von einer Partie im Jahr 2007 ist die Serie auf inzwischen vier ebenfalls ausverkaufte Begegnungen in der Saison 2017 gewachsen. Geht es nach Mark Waller, dem NFL-Vizepräsidenten für internationale Angelegenheiten, könnten es in naher Zukunft bis zu acht Spiele sein, die in England ausgetragen werden. Acht Spiele, das entspräche der Anzahl an Heimspielen eines Teams pro Saison. Wären auch die alle ausverkauft, hätte die NFL den Beweis, dass das Interesse ungebrochen groß ist. Die International Series "waren ein 15-Jahre-Projekt, als wir 2007 damit begannen", sagte Waller der Zeitung Guardian. Ein Team in London zu stationieren, sei in den kommenden vier oder fünf Jahren machbar.

Expandieren nach Übersee ist für die profitgetriebene Liga der logische nächste Schritt. Auch in Mexiko war die NFL 2016 zu Gast, ein Spiel in China ist für 2019 geplant, und Deutschland wird von den Funktionären immer wieder ohne konkretes Datum als Ziel genannt. In ihrer Heimat hat die NFL alle Märkte erschlossen - und kämpft aktuell mit sinkenden TV-Quoten. Die Ursachen: einseitige Spiele, zu viele Werbeunterbrechungen und Zuschauer, die aus Protest gegen die Politisierung des Sports den Fernseher abschalten.

Noch sind die NFL-Produktionen außerhalb der USA ein Verlustgeschäft. Einnahmen durch Übertragungsrechte, Ticketverkäufe und Sponsorengelder reichen nicht, um den logistischen Aufwand auszugleichen. Doch schon in wenigen Jahren, wenn Rechte neu vergeben werden, könnte sich das ändern. Die Nachfrage nach NFL-Football ist in Europa, besonders in Großbritannien und Deutschland, zuletzt stark angestiegen. In einer Liga, die durch ihr System (Gehaltsobergrenze, Draft) auf Ausgeglichenheit ausgelegt ist, scheint ein vereinsamter Standort in Europa derzeit zwar noch undenkbar zu sein. Ständig wechselnde Zeitzonen und Reisestrapazen für die Spieler sind das eine, den Kader in Übersee ohne die wöchentlich stattfindenden Probetrainings und die permanente Talentsichtung konkurrenzfähig zu halten, das andere. Waller ist trotzdem optimistisch, er denkt an eine Zwei-Standort-Lösung, bei der das Team einen Teil der Saison an der Ostküste der USA verbringt und den anderen in Großbritannien. Und: Kein anderer Sport könne die Terminierung und Logistik der Spiele so gut den Bedürfnissen eines britischen Teams anpassen, sagt der Funktionär. Die NFL sei inzwischen "ein authentischer Teil des Sportkalenders in London".

Die Jacksonville Jaguars kommen schon zum fünften Mal

Damit es auch 2018 wieder genug Mannschaften gibt, die die Reise antreten, hat die NFL Beschlüsse gefasst. Teams, die einen Standort-Umzug hinter sich haben oder in den kommenden Jahren in ihrem Stadion den Super Bowl austragen, sind verpflichtet, in London zu spielen. In den vergangenen Jahren war es Tradition, dass die reisenden Teams in der darauffolgenden Woche eine Pause bekommen. 2017 werden sowohl Jacksonville als auch Baltimore schon am kommenden Wochenende wieder in den USA antreten. Es ist die langsame, aber stetige Gewöhnung an einen Übersee-Standort. Bevor es aber tatsächlich zum Umzug kommen kann, müssen die Besitzer der anderen Teams mehrheitlich zustimmen.

Die Jacksonville Jaguars, deren Besitzer Shahid Khan auch der britische Zweitliga-Fußball-Klub FC Fulham gehört, haben als einziges NFL-Team bereits viermal in England gespielt. Es gab bereits Gerüchte über den Bau eines Trainingsgeländes in London. Am Sonntag folgt der fünfte Auftritt der Jaguars - vorausgesetzt, das Team findet den Weg. 2014 veröffentlichten die Atlanta Falcons vor ihrer Reise eine Weltkarte mit ihrer Flugroute im Internet. Der Pfeil begann in Atlanta - und endete in Spanien.

© SZ vom 24.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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