American Football:Hausmeister mit Privatjet

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Finstere Gestalten: Ligachef Roger Goodell (links) und Teambesitzer Jerry Jones liegen derzeit im Clinch miteinander. Foto: Matt Dunham/AP (Foto: Matt Dunham/AP)

In der NFL bahnt sich ein Streit an: Der mächtigste Teambesitzer will den Vertrag von Ligachef Roger Goodell nicht verlängern.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Jerry Jones möchte dagegen klagen, dass der Vertrag von NFL-Chef Roger Goodell verlängert wird. Das ist eine Aussage mit Zündstoff, bestens tauglich für lebhafte Debatten unter den Beobachtern der American-Football-Liga der USA. Jones, der mächtige Besitzer der Dallas Cowboys, hat sogar den Promi-Anwalt David Boies angeheuert, der derzeit auch den Skandal um den Filmproduzenten Harvey Weinstein bearbeitet - es scheint dem Eigentümer der wertvollsten Sport-Franchise der Welt also ernst zu sein.

Es geht nur vordergründig um die Entlohnung: 35 Millionen Dollar pro Saison

Franchise ist ein wichtiger Begriff bei diesem Streit. Man muss sich die National Football League (NFL) vorstellen wie ein Haus, das den Besitzern der einzelnen Wohnungen zu gleichen Anteilen gehört. Es gibt keine Bauaufsicht oder nervige Nachbarn, die Eigentümer bestimmen autonom über Regeln und Gesetze. Sie machen, was immer sie wollen, um die Einnahmen sowie den Wert der Immobilie zu erhöhen. Der Umsatz der NFL hat sich in den vergangenen acht Jahren verdoppelt auf 14 Milliarden Dollar pro Saison; in zehn Jahren sollen es 25 Milliarden sein.

Goodell, 58, gibt dabei den Hausmeister, er soll das Geld zu einer Tür hineinschaufeln und Müll entweder durch die Hintertür entsorgen oder unter den Teppich kehren. Das hat er in den vergangenen Jahren gewissenhaft getan und das Haus zu einer Prachtvilla umgebaut. Wer früh genug investiert hat, der ist nun sehr reich und soll noch viel reicher werden. Jones etwa hat die Cowboys 1989 für 140 Millionen Dollar gekauft, mittlerweile wird ihr Wert auf 4,8 Milliarden Dollar geschätzt. Goodell wird für seine Arbeit fürstlich entlohnt, in den vergangenen zehn Jahren hat er mehr als 220 Millionen Dollar verdient.

Sollten Jones und Goodell nicht beste Freunde sein, die gemeinsam auf einem Berg aus Dollarscheinen sitzen und sich gegenseitig gratulieren, wie wunderbar das alles geklappt hat mit der NFL und dem Geldverdienen? Sollten sie - doch gerade weil sie das nicht tun, ist dieser Streit so interessant. Es geht nicht darum, wie viel Prozent von Goodells künftigem Gehalt (etwa 35 Millionen Dollar pro Saison und Annehmlichkeiten wie ein Privatjet auf Lebenszeit) als Garantiesumme ausbezahlt werden sollen. Man muss das alles in einem größeren Zusammenhang betrachten: Es geht um den Lieblingssport der Amerikaner und um die Frage, wie amerikanisch dieser Sport noch ist.

Goodell ist zwar Hausmeister der Liga und damit Angestellter der 32 Klubbesitzer, bei einzelnen Entscheidungen allerdings agiert er autonom. Er hat zum Beispiel kein ligaweites Verbot gegen Proteste während des Abspielens der Nationalhymne ausgesprochen. Dabei hatte der US-Präsident Donald Trump gefordert, protestierende Sportler zu bestrafen oder gar zu feuern. Die Cowboys sind im US-Bundesstaat Texas angesiedelt, der Großteil der Fans gilt als konservativ und geht in vielen Fragen konform mit Trump; Jones hat seinen Spielern mit Verbannung auf die Ersatzbank gedroht, sollten sie während der Hymne knien. "Ich bin ein Freund des Präsidenten, auch wenn wir in vielen Punkten nicht einer Meinung sind", sagte er: "Ich habe auch deshalb eine Entscheidung getroffen, weil er eine klare Haltung dazu hat." So einfach ist das im Weltbild von Jones.

Dem 75-Jährigen missfällt zudem, wie Goodell mit der Debatte um die möglicherweise verheerenden Konsequenzen von wiederholten Zusammenstößen auf die Gehirne von Footballspielern umgeht. Jones leugnet den mittlerweile wissenschaftlich belegten Zusammenhang zwar nicht, verweist jedoch immer wieder darauf, dass die bislang veröffentlichten Studien nicht für ein abschließendes Urteil ausreichen und die Zuschauer doch gerne ordentliche Kollisionen sehen würden. Schließlich ist Jones ganz egoistisch sauer auf Goodell, dass der den Cowboys-Laufspieler Ezekiel Elliott wegen des Vorwurfs häuslicher Gewalt für sechs Spiele gesperrt hat. Nach zahlreichen juristischen Scharmützeln verpasste Elliott am Sonntag zum ersten Mal in dieser Saison eine Partie, die Cowboys verloren bei den Atlanta Falcons 7:27.

Den Müll zu entsorgen, ist ein schmutziges Geschäft - keiner kann das besser als Goodell

Gibt Jones nun den bösen Buben, um die heimischen Fans zu besänftigen - oder möchte er mit seinem Säbelrasseln dafür sorgen, dass sich der Hausmeister nach der Vertragsverlängerung gefälligst so verhält, wie es der prominenteste Wohnungsbesitzer verlangt? Jones will Football als darwinistisches Spektakel erhalten, bei dem der Stärkere überlebt und der Schwächere gedemütigt und bisweilen auch mit gebrochenen Knochen vom Spielfeld schleicht. Es gibt jedoch Klubbesitzer, die finden den von Goodell eingeschlagenen Weg (weniger Gemetzel, harte Strafen für verhaltensauffällige Spieler, Expansion in andere Länder) sinnvoller und die Klagedrohung von Jones deshalb unsinnig. "Er ist außer Kontrolle", zitiert die Zeitung Washington Post einen ranghohen NFL-Mitarbeiter: "Er schadet damit nicht Goodell, sondern dem Produkt."

Produkt ist ein anderer bedeutsamer Begriff bei diesem Streit. Die NFL ist nur oberflächlich eine Sportliga, in der 32 Klubs um eine Meisterschaft kämpfen. In Wirklichkeit ist sie, um beim Vergleich mit dem Hausmeister zu bleiben, ein Prachtbau, der hohe Mieteinnahmen erzielt und dessen Wert beständig steigt. Das soll so bleiben. Es wird bei den meisten Entscheidungen des künftigen NFL-Chefs nicht darum gehen, die Suche nach dem Besten gerechter zu machen - sondern darum, das Geld zu einer Tür hineinzuschaufeln und den Müll durch die Hintertür zu entsorgen. Das kann eine schmutzige Aufgabe sein, und niemand ist darin besser als Roger Goodell.

© SZ vom 15.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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