Darmstadt siegt in Ingolstadt -:Wagner Love

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Im Duell der Aufsteiger setzt sich Darmstadt mit 2:0 gegen Ingolstadt durch und springt auf Platz zehn - doch Trainer Dirk Schuster warnt davor, sich bereits sicher zu fühlen.

Von Sebastian Fischer, Darmstadt/München

Am Ende standen sie wieder im Kreis, wie immer. Während die Darmstädter Fans im Stadion am Böllenfalltor ihre Spieler mit minutenlangen Ovationen feierten, standen die Gefeierten beieinander, die Hände auf den Schultern ihrer Nebenleute, und hörten ihrem Trainer Dirk Schuster zu. Was genau Schuster den Darmstädter Fußballern wohl zurief? Später sagte er in die Fernsehkameras, dass das vorangegangene 2:0 (0:0) gegen den FC Ingolstadt, das die Feierlaune ausgelöst hatte, noch nicht zum Klassenerhalt reichen werde: "Das ist eine völlig trügerische Einschätzung, die ist sehr gefährlich", sagte Schuster. 35 Punkte hat Darmstadt, vier Vorsprung auf den Relegationsplatz, sieben auf Rang 17. "Es sieht wunderbar aus", sagte Schuster, und mahnte doch gleich wieder: "Aber unten ist alles brutal eng beieinander."

Einschwören auf die letzten vier Spiele, anstatt zu feiern - der Mannschaftskreis war das passende Bild dieser Darmstädter Saison. Man müsste jede Woche eigentlich mindestens elf Geschichten erzählen, um der Darmstädter Mannschaft gerecht zu werden, die zusammengestellt ist aus Spielern - so sagen sie es selbst gern -, die eine "Delle" in ihrer Karriere hatten. Das Modell Darmstadt funktioniert nur, weil sich kein Spieler wichtiger nimmt als seine Kollegen.

So cool, so treffsicher: Das Phänomen Sandro Wagner schlägt gegen Ingolstadt zum 13. Mal in dieser Saison zu. (Foto: Alex Grimm/Getty Images)

In den vergangenen 14 Spielen an 14 Toren beteiligt

Und doch gibt es eine Geschichte aus dem Mannschaftskreis, die besonders deutlich illustriert, wie die Dellen der Darmstädter mittlerweile ausgewuchtet wurden. Es ist die Geschichte des Stürmers, der noch im vergangenen Sommer in Berlin zur Strafe alleine auf den Trainingsplatz musste, um Bälle ins leere Tor zu schießen, und den Schuster am Samstag in der 88. Minute auswechselte, um ihm seinen ganz persönlichen Triumph zu ermöglichen. Sandro Wagner, 28, hatte das 1:0 durch Konstantin Rausch in der 51. Minute vorbereitet und das 2:0 nach 85 Minuten selbst geschossen. In den vergangenen 14 Spielen war er nun an 14 Toren beteiligt. Sandro Wagner, in Berlin wegen chronischer Torungefährlichkeit ausgemustert, hat 13 Saisontore erzielt und drei vorgelegt. In der Torjägerliste liegt er auf Platz sechs, gemeinsam mit Claudio Pizarro und Raffael.

Wagner war auch deshalb der Spieler des Tages, weil die Begegnung der Aufsteiger ein typisches Spiel war, das einen Entscheider brauchte. Ingolstadt spielt einen ähnlich zweikampflastigen Fußball wie die Darmstädter, es wurde viel im Mittelfeld gekämpft. Auch für sowas hat Darmstadt ja vor der Saison einen Spieler aus Berlin geholt: Peter Niemeyer wuchtete seine Knochen in die Duelle, dass es krachte.

Zwischen Darmstadt und Ingolstadt gibt es eine besondere Rivalität, seit beide Teams im vergangenen Sommer auf Mallorca gemeinsam ihre Aufstiege feierten. Deshalb war es durchaus glaubhaft, wie der FCI vor dem Spiel beteuert hatte, trotz sicherem Klassenerhalt noch motiviert zu sein. Doch mit fortschreitender Spieldauer wurde Darmstadt besser - vor allem Sandro Wagner. Vor dem 1:0 spielte er Doppelpass mit dem Torschützen Rausch, der Ramazan Özcan mit einem Schuss in die kurze Ecke überwand. Allerdings hatte Darmstadt Glück, dass Schiedsrichter Michael Weiner dabei gleich zwei Abseitssituationen übersah.

Das 2:0 gerät zur Demonstration Wagner'scher Klasse

Das 2:0 war dann allerdings unstrittig - und eine Demonstration Wagners Klasse, die er einst als Juniorennationalspieler zeigte und die dann irgendwann in Vergessenheit geriet: Er sicherte einen weiten Ball aus der eigenen Hälfte am gegnerischen Strafraum, indem er ihn mit seinem 194 Zentimeter langen, 90 Kilogramm schweren Körper abschirmte. Er blickte auf, spielte den Ball zurück ins Zentrum, und als Sandro Sirigu flankte, hatte sich Wagner schon in die Mitte gepirscht. Grätschend verlängerte er den Ball ins Tor.

Angeblich sind englische Erstligisten und der VfB Stuttgart an ihm interessiert, bis zu zehn Millionen Euro soll er kosten. Wagner selbst lässt seine Zukunft offen, doch sein Abschied am Saisonende wird erwartet. Allerdings war das nicht das Thema für diesen Tag: Wagner lief nach seinem Tor zur Haupttribüne, sprang über die Bande und schickte zwei Küsse ins Publikum. Dann schlug er sich auf Höhe seines Herzens auf die Brust, ganz in der Nähe der Lilie auf seinem Trikot. Die Zuschauer bedankten sich mit liebevollem Applaus. "Ein Baby, wie wir es hier hochgezogen haben, verlässt man nicht so ohne weiteres", hatte Trainer Dirk Schuster vor dem Spiel gesagt, da ging es um seine eigene Zukunft. Und wer weiß: Womöglich hat er seinen Spielern das ja im Mannschaftskreis noch mal zugerufen.

© SZ vom 17.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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