Handball-Nationalspieler Dominik Klein:"Was will uns Deutschland dann vorwerfen?"

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Deutsche Nummer eins auf Linksaußen: Dominik Klein (rechts) gegen Schweden. (Foto: Bongarts/Getty Images)

Die deutsche Handball-Nationalmannschaft geht als Außenseiter ins WM-Turnier. Vor dem ersten Spiel gegen Brasilien spricht Dominik Klein im Interview über die leidige Debatte um "satte" Nationalspieler, die Vorzüge des jungen Teams und den Stellenwert des deutschen Handballs.

Von Carsten Eberts

Die deutsche Handball-Nationalmannschaft hat einen starken Umbruch hinter sich. Dominik Klein, geboren im unterfränkischen Miltenberg, ist einer von nur drei Spielern, die bereits beim WM-Gewinn 2007 dabei waren. Seit der Weltmeisterschaft im eigenen Land wurden die Ergebnisse immer schlechter, Olympia 2012 fand ohne das deutsche Team statt, die Qualifikation für die WM 2013 gelang erst in letzter Sekunde. Doch es scheint, als würde sich die Mannschaft vor dem großen Turnier zusammenraufen: Die Leistungen zeigen aufwärts, zuletzt gelangen drei ansprechende Testspielauftritte gegen Schweden und Rumänien. Ist bei der WM doch mehr drin als gedacht? Das Interview findet in einem Café am Hamburger Flughafen statt, von wo aus Dominik Klein zur Mannschaft fliegt. Er bestellt einen Kräutertee. "Früchtetee geht auch", sagt Klein zur Bedienung. Sie kramt doch noch einen Kräutertee aus der Schublade. Schon wieder eine gute Nachricht.

SZ.de: Herr Klein, der deutsche Handball erlebt nicht gerade seine allerbesten Tage. Trotzdem reisen Sie ziemlich selbstbewusst nach Spanien.

Dominik Klein: Die breite Brust haben wir uns zwischen den Jahren erarbeitet. Schon einen Tag nach dem letzten Bundesliga-Spieltag am 26. Dezember ging es zum Lehrgang mit der Nationalmannschaft. Wir hatten keine Pause. Das hat uns im Nachhinein stark gemacht: Jeder hat gemerkt, dass wir uns für unser großes Ziel pushen können.

Der Umbruch in der Nationalmannschaft geht in die finale Phase. Bundestrainer Heuberger hat viele junge Spieler fast ohne Länderspiel-Erfahrung nominiert.

Wir hatten schon immer eine Mannschaft, die Neulinge sehr gut aufgenommen hat.

Nur dass diesmal nicht ein neuer Spieler integriert werden muss, sondern gleich fünf.

Die Hierarchien zwischen Alt und Jung sind diesmal deutlich klarer. Auch auf meiner Position. Aber egal, ob ein Spieler ein Länderspiel oder 150 auf dem Buckel hat: Wir brauchen die Qualität jedes Einzelnen. Wir haben uns enorm verbessert - gerade, was das Abwehrspiel angeht. Jeder zieht im Training voll mit. Jetzt müssen wir uns bei der WM dafür belohnen.

Nach dem Ausfall von Uwe Gensheimer wurde Ihnen auf Linksaußen mit Kevin Schmidt ebenfalls ein Debütant zur Seite gestellt.

Ich habe mich daran erinnert, wie ich damals neu in die Nationalmannschaft gekommen bin und Toto Jansen (Weltmeister von 2007, d. Red.) die Nummer eins auf Linksaußen war. Damals war ich immer bereit, ihm und der Mannschaft zu helfen. Jetzt hat Kevin diese Rolle eingenommen. Unsere Kommunikation ist super. Ich freue mich, dass wir so gut funktionieren.

Mit Gensheimer fehlt ein Weltklassemann. Sie müssen ihn ersetzen.

Nicht nur ich. Kevin und ich versuchen das gemeinsam. Mit Uwe fällt unglaublich viel Qualität weg, das ist gar keine Frage. Unser Ziel ist, dass die Linksaußen-Position, die vorher Weltklasse besetzt war, Weltklasse bleibt.

Gensheimer ist an guten Tagen einer, der Spiele alleine entscheiden kann. Der fehlt nun.

Es bringt nichts, sich darüber Gedanken zu machen, wer uns bei dieser WM alles fehlt. Mit den vorhandenen Puzzleteilen, die wir zur Verfügung haben, müssen wir ein erfolgreiches Gebilde zusammenstellen. Wir haben auch so genug Qualität, um eine gute WM zu spielen.

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Der Bundestrainer stapelt aber tief: Sein erklärtes Ziel ist, die Vorrunde zu überstehen.

Das ist unser Minimalziel, richtig. Dieses Ziel muss uns tragen. Danach kommen die K.o.-Spiele, da kann ein Tor in den letzten Sekunden. Das haben wir oft genug erlebt. Wenn wir in die K.o.-Phase kommen, traue ich uns auch mehr als das Achtelfinale zu. Wir sind schließlich alles gestandene Bundesliga-Spieler.

Die WM vor zwei Jahren in Schweden endete nur mit Platz 11, Olympia in London wurde verpasst. Haben die anderen Nationen noch Respekt vor Deutschland?

Ich denke schon. Die Spieler der anderen Teams kennen uns alle, da die Bundesliga als stärkste Liga der Welt immer im Fokus steht. Aber den Respekt müssen wir uns in jedem Spiel wieder verdienen.

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Ihr Teamkollege Michael Haaß spricht ironisch von einer einfachen WM. Weil vom deutschen Team niemand etwas erwartet.

Ich finde diese Ironie herausragend. Das ist genau unser Ding: Wir wollen mit Leistung überzeugen, was von außen geredet wird, interessiert uns nicht. Wenn wir nach jedem Spiel in den Spiegel schauen und sagen können, dass wir alles gegeben haben, uns den Arsch aufgerissen haben - was will uns Deutschland dann vorwerfen?

Kommt die Mannschaft in der öffentlichen Wahrnehmung zu schlecht weg?

In solche Fragen will ich gar keine Energie reinstecken. Die brauche ich für unsere Mannschaft.

Trotzdem nimmt das deutsche Team eine leidige Debatte mit ins Turnier. Die Absagen einiger Nationalspieler sorgten für Missstimmung, etwa von Holger Glandorf, der seinen Körper nach vielen Verletzungen endlich kurieren will. Ex-Nationalspieler Stefan Kretzschmar kritisiert, Glandorf hätte die Gier verloren, für Deutschland zu spielen.

Ich kann nur für mich sprechen: Ich will immer bei der Nationalmannschaft sein. Egal, was passiert. Für mich ist das eine Belohnung für den harten Alltag. Ich will so viele Länderspiele machen wie möglich. Das Trikot der Nationalmannschaft zu tragen, erfüllt mich mit Stolz.

Glandorf sagt, sein Körper brauche eine Pause. Verspüren Sie keine körperlichen Grenzen?

Die Grenzen müsste ich dann ja schon seit sechs Jahren spüren. Sicher wäre es gut, mehr Zeit zur Regeneration zu haben. Aber ich kann unser Pensum nicht beeinflussen. Wir haben nun mal diesen Drei-Tages-Rhythmus. Manche von uns brauchen den vielleicht auch.

Klingt so, als hätten Sie mit Glandorfs Entscheidung auch Probleme.

Nein, ich respektiere seine Entscheidung. Jeder muss mit seinem Körper umgehen können. Wenn er diese Entscheidung für sich selbst getroffen hat, muss er sich anschließend auch niemandem gegenüber rechtfertigen.

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Erhard Wunderlich prägte den deutschen Handball zu einer Zeit, als sein Verein VfL Gummersbach Bundesliga und Pokal mit dominierte. Mit 21 Jahren wurde er bereits Weltmeister und wechselte 1983 zum finanzstarken FC Barcelona, bevor er für den Münchner Klub TSV Milbertshofen wieder in der Bundesliga auflief. Jetzt erlag der "Handballer des Jahrhunderts" einem Krebsleiden.

Seine Karriere in Bildern

Kretzschmars Äußerungen sind entsprechend wenig hilfreich.

Da kann jeder seine Meinung haben, aber wir beschäftigen uns mit uns. Und das wird in den nächsten Wochen auch was Gutes haben.

Linktipps:

Offizielle Seite zur Handball-WM mit Livestreams

Facebook-Seite von Dominik Klein

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