Dopingverdacht gegen San Sebastián:Erdrückende Indizien im naiven Baskenland

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Die Dopingaffäre um den Erstligisten San Sebastián nimmt Form an: Ex-Präsident Iñaki Badiola belastet den Klub mit zahlreichen Details rund um verbotene Medikamenten-Lieferungen. Trotz erdrückender Indizien zeigen die Verantwortlichen wenig Engagement, den Fall aufzuklären - der spanische Fußball profitiert von seinem enormen Status.

Von Andreas Burkert

Der Mann, der den spanischen Fußball in dieser Woche entweiht hat, mag nun nicht mehr allzu viel zur Sache sagen. Vielleicht wird Iñaki Badiola bedroht, wie offenbar Eufemiano Fuentes bedroht wurde, der Drahtzieher der spanischen Dopingaffäre Operación Puerto, die gerade in Madrid verhandelt wird (zumindest rudimentär). Einmal habe man seiner Familie bereits zugesetzt, sagte Fuentes zu Prozessbeginn. Er bezog sich zweifelsohne auf die Folgen seiner einstigen und später dementierten Einlassung, dass er nicht nur Radler mit Dopingplänen behandelt habe, sondern auch Fußballer iberischer Edelmarken wie Real und Barça. "Ein zweites Mal", sagte Fuentes, werde man ihn nicht bedrohen.

Der 58-Jährige wird also schweigen zum heiklen Komplex Fußball, zumal sich beide Klubs juristisch zur Wehr setzten und dementierten. Der frühere Bankenvorstand und Vereinspräsident Iñaki Badiola, 48, der als seriöser Geschäftsmann gilt, hat nicht geschwiegen, und er schickt dann doch wenigstens eine unmissverständliche SMS. Er schreibt: "Diejenigen, die diese Unregelmäßigkeiten begangen haben, müssen jetzt Fragen beantworten."

Unregelmäßigkeiten! Hinter dieser Formulierung verstecken sich jahrelange Zahlungen von mehr als 300 000 Euro pro Saison, die Badiolas Heimatklub Real Sociedad San Sebastián an Fuentes überwiesen haben soll - für Medikamente, für Systemdoping. Badiola war 2008 zehn Monate Präsident des heutigen Erstligisten, seine Vorgänger hätten "x Jahre viel Geld aus schwarzen Kassen für pharmazeutische Mittel an Fuentes überwiesen", hat er nun erklärt. Es geht um die Spielzeiten 2001 bis 2008. Und mit Badiolas Aussagen hat die Dopingseuche endgültig den seit Jahren verdächtigten Fußball Spaniens erreicht.

Denn bei Real Sociedad spielte von 1999 bis 2004 Xabi Alonso, heute Weltmeister im Trikot von Real Madrid, er stieg dort zum Nationalspieler auf. Vor allem aber hieß einer von Badiolas Vorgängern José Luis Astiazarán (2001 - 2005) - er ist Präsident des Ligaverbandes LFP und Vize des nationalen Fußballverbandes RFEF. "Astiazarán wusste es und hat es geduldet", hat Badiola zu Wochenbeginn gesagt. Und: "In jedem normalen Land, den USA zum Beispiel", würde der Ligachef sofort gefeuert.

Astiazarán erklärte, niemals in San Sebastián sei "mit meinem Wissen" Verbotenes geschehen. Weitere SZ-Anfragen zu möglichen Konsequenzen oder Anhörungen ließen LFP und RFEF unbeantwortet.

Einstweilen sprechen somit Indizien. Sie sind erdrückend. In bei Fuentes sichergestellten Unterlagen, das hat die Guardia Civil im Puerto-Prozess bestätigt, fand sich ein Medikationsplan von 2005, in dem oben das Kürzel "RSoc" steht - das Kürzel wird in Spanien für Real Sociedad verwendet. Das in Klammern angefügte Kürzel "IG" stand in Fuentes' Plänen für Wachstumshormone. Die Zeitung El País veröffentlichte zudem Dokumente, auf denen "RSoc" auch Dopingmittel wie das Kälberblut-Mittel Actovegin erhielt -, offenbar geliefert vom namentlich erwähnten deutschen Arzt Markus Choina, der schon 2007 als mutmaßlicher Fuentes-Helfer genannt wurde. Anhand nun aufgetauchter Kontoauszüge des Klubs lassen sich außerdem handschriftliche, fünfstellige Fuentes-Rechnungen für Medikamente und Betreuung aus dem Jahr 2002 zuordnen. Oben auf dem Zettel steht: "Abrechnung ASTI". ASTI wie Astiazarán?

Fuentes hatte zu Prozessbeginn bestätigt, was stets vermutet wurde: dass er Profis aus vielen Sportarten betreute, darunter Tennis, Leichtathletik - und Fußball. Einmal offerierte er sogar die Preisgabe von Namen - die Richterin lehnte ab. Hinweise zu kickenden Klienten gibt es seit der Puerto-Razzia 2006. Nebenkläger Jesús Manzono, früher Radprofi, äußerte, ihm seien in Fuentes' Praxis namhafte Fußballer begegnet, darunter jemand von Real Madrid. "Fuentes hat sich mehrfach gebrüstet damit, dass er auch prominente Fußballer betreute", sagt der deutsche Kronzeuge Jörg Jaksche, der am Montag in Madrid vernommen wird.

Auch der FC Barcelona war stets Gegenstand von Gerüchten, die ihn mit dubiosen Ärzten in Verbindung brachten. Fuentes selbst behauptete, Barça habe ihn anheuern wollen - er habe abgelehnt. Luis Garcia del Moral, einer von Lance Armstrongs Dopingärzten, soll mit Barça und dem FC Valencia in Verbindung gestanden haben. Die Klubs haben Dopingvorwürfe in der Vergangenheit vehement dementiert.

Recherchiert wird wohl ohnehin nicht. Spaniens Anti-Doping-Behörde hat zwar erklärt, sich der Affäre San Sebastián anzunehmen. Aber Chefin Ana Munoz fügt nun an, sie könne "keinen Spieler zur Aussage bei uns verpflichten, das geben die Kompetenzen nicht her". Badiola würde helfen, er hat auch E-Mails, in denen Klubärzte im März 2008 - kurz nach seinem Dienstantritt - um Genehmigung des üblichen Pharma-Kaufs ersuchten. So ging ihm ein Licht auf, er ließ die Bücher prüfen.

Von alledem hat Badiola übrigens am 17. Juni 2008 den Entscheidungsträgern und Gönnern von Real Sociedad erzählt - und anschließend gar der Hauptversammlung. "Pro Jahr wurden 327 443 Euro ausgegeben, das Geld ging an Fuentes, an den von der Operación Puerto", hört man ihn auf einem Video sagen, das AS-TV auftrieb.

Aufgehorcht hat aber niemand in der schönen Stadt an der baskischen Atlantikküste. Generell bevorzugt auch der spanische Fußball vermutlich jene Haltung, die Nationalcoach Vicente Del Bosque jetzt vor dem Länderspiel gegen Uruguay kundtat. Beim Thema Doping, sagte der einstige Trainer Real Madrids, "bevorzuge ich es lieber, naiv zu sein".

© SZ vom 09.02.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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