1. FC Nürnberg:Ungeahnte Qualitäten

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Erst 21 und schon fester Bestandteil der Mannschaft: Seit Patrick Erras im Oktober beim 1. Nürnberg in die Startelf rückte, hat der Club nicht mehr verloren. (Foto: Daniel Karmann/dpa)

Seit der 21-jährige Patrick Erras bei dem Zweitligisten in der Startelf steht, hat Nürnberg nicht mehr verloren. Der Club zählt jetzt zu den Aufstiegskandidaten.

Von Patrick Reichardt

Wenn die Fußballdatenbanken ihre Zahlen ausspucken, gibt es keine Grenzen. Es gibt eine Rangliste der besten Heimteams, eine Reihenfolge der besten Mannschaften in der zweiten Halbzeit und vieles mehr. Selbst den individuellen Einfluss von Personen kann man statistisch erfassen. Würde man in der zweiten Bundesliga also eine Patrick-Erras-Tabelle erstellen, böte sich ein interessantes Bild. Seit der Mittelfeldspieler am 17. Oktober für den Club debütierte, verloren 54 der 55 deutschen Fußball-Profivereine mindestens ein Ligaspiel. Nur ein Verein blieb ungeschlagen: Der 1. FC Nürnberg, dem Erras mit bislang durchschlagendem Erfolg angehört.

"Langsam wird es unheimlich", sagt auch der 21-Jährige mit dem breiten Grinsen, das er in den vergangenen knapp fünf Monaten kaum noch losgeworden ist. Nun wäre es übertrieben, die sportliche Wende in Nürnberg nur mit einem einzigen Personalwechsel im Mittelfeld zu erklären. Nicht von der Hand zu weisen ist aber, dass Erras aus der Mannschaft nicht mehr wegzudenken ist. Seit seinem Debüt im Oktober spielte der 1,96 Meter große Schlacks in jeder Partie von Anfang an, neben Hanno Behrens ist er im Mittelfeldzentrum zu einer festen Größe gewachsen.

Vor allem in der Balleroberung erweist Erras sich als wertvoll, für sein Alter strahlt er sehr viel Ruhe aus, ist passsicher und erzielt, als wäre all das nicht genug, auch noch in schöner Regelmäßigkeit Tore. Wann er zuletzt fünf Saisontore erzielt hat, so wie jetzt, in der zweiten Liga, daran kann er sich selbst nicht genau erinnern. "Vielleicht in der C-Jugend oder der D-Jugend", mutmaßt er. Beim 2:1 gegen den 1. FC Kaiserslautern am Freitagabend sorgte er für die Führung, zuvor hatte er bereits mit seinen Treffern bei Union Berlin, bei 1860 München und gegen den VfL Bochum wichtige Punkte gesichert. Gerne trifft Erras bei Standards per Kopf, gegen den FCK war es ein wohl überlegter Schuss ins kurze Eck. "In der Position, in der wir gerade sind, gehen solche Bälle eben mal rein. Da war das Glück auf unserer Seite."

Die Talente des gebürtigen Ambergers haben sie beim Club schnell registriert. Seit 2007 ist Erras in Nürnberg, sein Aufschwung im vergangenen Herbst kam so unverhofft wie plötzlich. Kurz vor Weihnachten gaben die Verantwortlichen um Sportvorstand Andreas Bornemann bekannt, dass sie den Vertrag des Talents vorzeitig verlängern konnten. Der junge Erras zahlt das vertragliche Vertrauen mit guten Einsätzen in dieser Nürnberger Umbruchsaison zurück. Bornemann bekräftigte bereits vor der Rückrunde, dass er Erras als eine wichtige Stütze der Mannschaft sieht.

Eine solche Stütze droht dem derzeit auf Platz drei stehenden Aufstiegskandidaten jetzt wegzubrechen. Stammtorwart Raphael Schäfer wurde am Freitag mit einem Verdacht auf einen Riss der Achillessehne ausgewechselt, ihm droht das vorzeitige Saisonaus. Der eingewechselte Patrick Rakovsky verletzte sich nur zehn Minuten später ebenfalls, er erlitt eine Beckenprellung, spielte aber unter Schmerzen weiter. Zur Diagnose und Ausfallzeit beider Torhüter will sich der Club nach genaueren Untersuchungen am Montag äußern. Sollte beide weiter ausfallen, könnte der vor der Saison als Stammtorhüter verpflichtete Thorsten Kirschbaum wieder in die Mannschaft rücken. Nach einigen Fehlern war Kirschbaum im Saisonverlauf hinter Schäfer und Rakovsky gestuft worden.

Nicht nur im Tor, auch in der Mannschaft hat sich seitdem einiges geändert. Gingen zunächst oft in der Schlussphase Punkte verloren, glückt es Nürnberg nun immer wieder, spät eigene Punkte zu sichern. "Wir haben uns als Mannschaft gefunden und haben sehr viel Selbstvertrauen. Man merkt, dass wir immer an den Sieg glauben", sagt Erras. Auch Trainer René Weiler ist mit dem Schützling, den er in einer schwierigen sportlichen Phase in die Startelf gehievt hatte, zufrieden: "Ich bin glücklich über seine Leistungen und wie er sich entwickelt," sagt der Schweizer über Erras. Dessen Stärken seien: "Zuverlässigkeit, Konstanz und wenige Fehler." Und wichtige Tore.

© SZ vom 07.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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