1. FC Nürnberg:Kein großer Unterschied

Lesezeit: 3 min

Da ist es doch passiert: Wolfsburgs Felix Uduokhai (links) hat den Ball in der 96. Minute zum 0:1 ins Tor gestochert, sein Gegenspieler Georg Margreitter und die anderen Nürnberger blicken hinterher. (Foto: Zink/imago)

Gegen den VfL Wolfsburg zeigt der Club trotz der 0:2-Niederlage nach Verlängerung, dass er fußballerisch für die erste Liga gerüstet ist: Die Bälle rollen, statt zu fliegen.

Von Christoph Ruf

Das Christkind war da, in goldener Montur tat es in der Halbzeit seinen Dienst und winkte huldvoll vom Rasen hoch auf die Tribünen. Passend zum Jahres-Kehraus und dem Auftritt der 17-jährigen Werbefigur des ortsansässigen Weihnachtsmarktes fielen auch die Spieler-Statements friedlich und fröhlich aus. So erfuhr man, dass Hanno Behrens dieses Jahr erstmals nicht im heimischen Schleswig-Holstein Weihnachten feiert, sondern mit Kumpel Tim Leibold in Costa Rica aufs Surfbrett klettert, während der aus dem Montafon stammende Georg Margreitter sich auf die "Ruhe der Berge" freut: "Bei uns zu Hause hat's schwer geschneit."

Der Club vergibt viele gute Chancen - in etlichen Szenen ist es schlichtes Künstlerpech

Nun braucht man natürlich kein abgeschlossenes Psychologie-Studium, um zu erahnen, dass Menschen, die so gelöst von weihnachtlichen Stränden und Spaziergängen im Schnee parlieren, vorher nichts Schlimmes erlebt haben können. Und das hatten sie ja auch nicht, die Nürnberger Spieler, die im DFB-Pokal-Achtelfinale gegen den Erstligisten aus Wolfsburg zwar 0:2 nach Verlängerung verloren hatten, dabei aber richtig gut gewesen waren und sogar weit mehr Torchancen hatten als die clevereren Niedersachsen. Es gab am sehr späten Dienstagabend also viele gute Gründe, sich Club-Angestellter auf ein paar ruhige Tage zu freuen. Schließlich ahnen sie im Fränkischen ja auch, dass sie in den vergangenen Monaten einiges so gut gemacht haben, dass der Wolfsburger Trainer Martin Schmidt mit seinem Abschiedsgruß tatsächlich Recht behalten könnte: "Bis zum nächsten Jahr in der ersten Liga."

Tatsächlich war schon im Dezember 2017 kein großer Leistungsunterschied zwischen den Erstligisten aus Wolfsburg und dem derzeitigen Dritten der Zweitligatabelle zu erkennen. Während die Niedersachsen erst ab der 70. Minute mal längere Ballbesitzphasen hatten und erst in der Verlängerung durch Felix Uduokhai (96.) und Daniel Didavi (118.) trafen, wies der Club allein im ersten Durchgang ein halbes Dutzend guter Chancen auf. Die wurden vergeben, allerdings ohne dass das in der Branche so beliebte Label "kläglich" drangepappt werden müsste. Viele Bälle kamen aufs Tor, wo der ehemalige Fürther Max Grün endlich mal wieder seinem Job nachgehen konnte und das gut machte.

Schlichtes Künstlerpech war es also zuweilen, wie beim Schuss von Tim Leibold (56.) oder dem Schlenzer von Mikael Ishak (61.), das die Nürnberger ein Spiel verlieren ließ, in dem dennoch eine Erkenntnis gewonnen wurde: dass man fußballerisch ganz gut gerüstet ist, um sich tatsächlich schon bald mit anderen Kalibern als denen in einer Zweiten Liga zu messen, in der die meisten Vereine den Ball zwar erobern wollen, aber dann spätestens nach ein paar Sekunden nicht mehr wissen, was sie damit anfangen sollen.

Dass beim Club mittlerweile auch mal der Ball gehalten wird, dass kombiniert und von hinten raus gespielt wird, kommt im Übrigen einer Sensation gleich. Bis Michael Köllner das Ruder übernahm, galten hohe und weite Bälle als einziges Erfolgsrezept. Die Vorgänger Alois Schwartz noch René Weiler hielten beide nicht allzu viel von Bällen, die rollen, statt zu fliegen. Diesen Stilwandel halten auch die Spieler für erfolgversprechend, wie der Ur-Clubberer Enrico Valentini betonte: "Wenn wir unser Aufbauspiel durchgezogen haben, hatten wir die Wolfsburger auch im Griff." Das müsse einem Zweitligisten Mut machen. So sieht es auch Margreitter, dessen Zusammenspiel mit dem starken Brasilianer Ewerton auf der Innenverteidigerposition immer besser wird und der sich an seine Zeit bei Austria Wien und dem FC Kopenhagen erinnert fühlt, als er - wie heuer unter Köllner - ebenfalls Fußball spielen durfte: "Früher haben wir hier in Nürnberg ja eher die Vorgabe gehabt, die Bälle über die gegnerischen Ketten zu schlagen."

Köllner ist nur kurz verdaddert, als sein Kollege Schmidt vom Nürnberger Aufstieg spricht

Vorweihnachtliche Zufriedenheit herrschte zur Geisterstunde in der Nacht auf Mittwoch also irgendwie sowohl bei den Niedersachsen als auch bei den Mittelfranken. Bei den einen, weil man sich nach der Niederlage beim 1. FC Köln nicht die nächste Peinlichkeit gegönnt hatte. Bei den anderen, weil das Spiel insgesamt ja gut zu einer Hinrunde gepasst hatte, in der der 1. FC Nürnberg zehn Mal gewonnen und 33 Zähler geholt hat. Coach Köllner war - und das kommt beim Nürnberger Coach nicht oft vor - dann auch nur kurz verdattert, als er hörte, dass der Wolfsburger Trainer sein Team für erstligareif hält. Dann nahm er die Steilvorlage auf - und passte ins Jahr 2018: "Ab dem dritten Januar wollen wir neu angreifen, damit vielleicht das eintrifft, was der Kollege gerade prophezeit hat."

© SZ vom 21.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: