1. FC Nürnberg:Gefühlt 24

Lesezeit: 2 min

Sechs Spiele, sechs Siege: Seit Raphael Schäfer nach einer Verletzung ins Tor zurückgekehrt ist, läuft es beim 1. FC Nürnberg. (Foto: Zink/imago)

Der 37 Jahre alter Torwart Raphael Schäfer zeigt beim 1:0 gegen 1860 München eines der besten Spiele seiner Karriere. Dabei war er fast schon ausgemustert.

Von Patrick Reichardt, München

Torwart Raphael Schäfer gilt in Nürnberg als Mann der klaren Worte. Also analysierte Schäfer, der seinen immerhin schon 37 Jahre alten Körper in jeden Abschluss geworfen und die Stürmer des TSV 1860 München mit seinen Reflexen zur Verzweiflung gebracht hatte, seine Leistung ohne falsche Bescheidenheit: "Es ist auf jeden Fall ein sehr, sehr gutes Spiel von mir gewesen." Das war es, definitiv. Obwohl der erst 21 Jahre alte Patrick Erras mit einem schönen Schlenzer (23.) das entscheidende Tor zum Sieg des Zweitliga-Tabellendritten 1. FC Nürnberg beim Vorletzten erzielt hatte, gab es nach der Partie nur ein Thema: Schäfer.

"Bestimmt" sei es eines der besten Spiele seiner Karriere gewesen, meinte der Schlussmann. Und seine Laufbahn hat ja neben vielen Spielzeiten und einem Pokalsieg mit dem 1. FCN auch schon Champions-League-Spiele beim VfB Stuttgart geboten. Zur Belohnung für die famose Leistung und die geretteten Punkte durfte der Torwart erst einmal in die Kurve und vor den rund 15 000 mit gereisten Fans singen. Seine Mitspieler gewährten ihm großzügig den Vortritt und statteten ihren Helden mit einem Megafon aus. "Was ich dazu sagen muss: Im Singen bin ich ganz schlecht", wollte Schäfer später anmerken, bevor er überhaupt eine Frage zuließ.

Dabei hatte Schäfer vor knapp vier Monaten nicht damit gerechnet, überhaupt noch einmal mitzuwirken. Der Club wollte ja einen Umbruch einleiten. Nachdem in der Vorsaison der junge Patrick Rakovsky nicht überzeugt hatte, wurde zu dieser Spielzeit Thorsten Kirschbaum (VfB Stuttgart) geholt. "Es war eine sehr schöne und erfolgreiche Zeit beim Club", erzählte Schäfer im Oktober nach einer Verletzung ganz so, als ob seine aktive Zeit am Valznerweiher bereits endgültig vorbei wäre. Auch Trainer René Weiler nannte eine Rückkehr Schäfers ins Tor "eher unwahrscheinlich".

Schon im November feierte er gegen Braunschweig dann sein Comeback. Die Nürnberger Bilanz seitdem: sechs Spiele, sechs Siege. Plötzlich wird im Bezug auf Schäfer nicht mehr über das Karriereende diskutiert, sondern auf eine mögliche Ausdehnung des Engagements über den Sommer hinaus. "Man sollte es ausklammern, das hat nichts mit dem heutigen Spiel zu tun", relativierte er, erfreute sich aber daran, dass der Fußball "ja auch mit 37 oder 40 noch Spaß macht".

Irgendwann, es lief die 86. Spielminute in der Münchner Arena, glaubten die Löwen dann doch noch dran, diesen sich so breit machenden und schnell reagierenden Keeper überwinden zu können. Schäfer lag auf dem Boden, als er einen Schuss des eingewechselten Maximilian Beister pariert hatte, der Abpraller landete genau vor den Füßen von Sascha Mölders: doch auch er brachte den Ball nicht im Netz unter, sondern schoss beinahe ehrfürchtig noch einmal Schäfer an, der den Ball in seinen Armen festhielt.

Am Abend ging er zum Tanzen in die Meistersingerhalle

"Ich hatte das Gefühl, er ist 24 Jahre alt, die ganze Woche lang schon", lobte Nürnbergs Verteidiger Dave Bulthuis den Torhüter. Gefeiert hat Schäfer dann aber doch eher wie ein Mann seines Alters: Am Abend begab er sich auf den Ball der Union in der Nürnberger Meistersingerhalle und erprobte dabei, ob es beim Tanzen etwas besser laufen könnte als noch Stunden zuvor mit dem Megafon als Sänger.

Seit 1976, also seit genau 40 Jahren, war es nicht mehr vorgekommen, dass die Sechziger gegen den FCN torlos blieben. Damals war selbst Raphael Schäfer noch nicht auf der Welt.

© SZ vom 08.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: