1. FC Nürnberg:Der Türöffner

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Plötzlich im Mittelpunkt: Michael Köllner, bisher Nachwuchstrainer und Buchautor, jetzt Zweitliga-Chefcoach. (Foto: Daniel Karmann/dpa)

Trainer Alois Schwartz ist auch an seiner Außendarstellung gescheitert. Da trifft es sich gut, dass Nachfolger Michael Köllner nicht nur Taktikexperte ist - sondern auch ein guter Verkäufer seiner Ideen.

Von Markus Schäflein

Die Spieler des 1. FC Nürnberg wirkten einigermaßen verblüfft über all das, was Michael Köllner in der ersten Trainingseinheit mit ihnen anstellte. Mit der Taktiktafel unterm Arm unterbrach er immer wieder die vielfältigen Übungen und sorgte für eine hohe Intensität - auch in den Köpfen. Der bisherige Nachwuchsleiter hatte schon als Coach der Regionalliga-U21 Wert auf ein anspruchsvolles Programm gelegt, teilweise elf Trainer gleichzeitig arbeiteten mit der Mannschaft. "Im Endeffekt ist dann jede Position mit einem eigenen Trainer besetzt", sagte Köllner, "damit können wir Dinge forcieren und Spieler schneller entwickeln, das ist ein Beschleunigungsmechanismus." Dieser führte den Club in der Regionalliga in die Spitzengruppe - und vor allem: drei Talente direkt zu den Nürnberger Profis.

Nun soll Köllner, 47, nach der Trennung von Alois Schwartz die Profis beschleunigen, mit seinen ehemaligen Schützlingen Patrick Kammerbauer, Dennis Lippert und Abdelhamid Sabiri. Dass der im Sommer für eine Ablöse von rund 400 000 Euro gekommene Schwartz schon wieder gehen musste, verursachte keine großen Verhandlungen, die Modalitäten eines vorzeitigen Abschieds waren in seinem Vertrag festgelegt.

Die Verantwortlichen hoffen, dass die Verpflichtung eines externen Trainers hinfällig wird

Schon nach dem 0:1 gegen Bochum sollen von Aufsichtsräten des 1. FCN Überlegungen angestellt worden sein, diese Option zu ziehen. Nach dem ebenfalls uninspirierten Auftritt im prestigereichen Derby in Fürth, das ebenfalls 0:1 endete und die dritte Niederlage in Serie bedeutete, überlegten die Nürnberger Räte und Sportvorstand Andreas Bornemann dann nicht mehr lange. Neben einigen taktischen und personellen Fragen, die man immer diskutieren kann, soll es den Verantwortlichen vor allem aufgestoßen sein, dass Schwartz gebetsmühlenartig auf den Verlust von Torjäger Guido Burgstaller (im Winter zu Schalke) verwies, wenn er auf die mangelnde offensive Durchschlagskraft seiner Mannschaft angesprochen wurde.

"Eine Mannschaft in einer laufenden Saison zu entwickeln und den Verein wirtschaftlich zu konsolidieren, ist nicht einfach", sagte er nach der Derby-Niederlage. Schwartz wirkte in seiner Außendarstellung stets freundlich, sensibel und ehrlich - womöglich zu freundlich, sensibel und ehrlich für den chronisch unter Strom stehenden 1. FC Nürnberg, bei dem derlei Aussagen schnell als Schwäche und Ausreden interpretiert werden. Zumal, wenn sie auch noch von einer auf Sicherheit ausgerichteten Taktik auf dem Rasen unterfüttert werden.

Köllner ist da ein anderer Typ. Er hat zum Amtsantritt erklärt, dass es ihn weniger interessiert, was der jeweilige Gegner macht; er wolle sein eigenes System durchziehen. Zu seiner Fachkompetenz, seinem Ehrgeiz und seiner Energie - nicht selten ist er am Valznerweiher derjenige, der morgens aufschließt und der, der am späten Abend als Letzter geht - kommt eine Eigenschaft, die auch nicht schaden kann als Chefcoach: Er ist trotz oder gerade wegen seines nordoberpfälzer Idioms ein guter Verkäufer seiner Ideen.

Was man aus seiner Vita nicht herauslesen kann, weil Köllner bislang nicht in Positionen arbeitete, in der viel verkauft werden musste. Er begann bei seinem Heimatverein SG Fuchsmühl und holte mit der A-Jugend die Kreismeisterschaft, war dann unter anderem Nachwuchsleiter bei Bayern Hof, Assistenztrainer bei der deutschen U15, Cheftrainer für die U10 bis U12 bei Jahn Regensburg und zuletzt Übungsleiter der U17 von Greuther Fürth. Zudem hat er Bücher verfasst, etwa das Werk "Spielfähigkeit im Fußball", in dem es darum geht, "für alle Altersklassen temporeichen Kombinationsfußball mit Raum für individuelle Kreativaktionen zu schaffen".

Nun muss er beweisen, dass er dies auch der höchsten Nürnberger Altersklasse beibringen kann. Stück für Stück hat sich Köllner nach oben gearbeitet, jetzt ist er mit seinen Ideen auf der großen Bühne angekommen - "bis auf Weiteres", wie es der Club offiziell formulierte. Inoffiziell hoffen die Verantwortlichen, schon alleine aus finanziellen Gründen, dass sich Köllner etabliert und die Verpflichtung eines externen neuen Cheftrainers hinfällig wird. Die Vereinbarung habe "keine zeitliche Befristung" und lasse die Zukunft "in alle Richtungen offen", sagte Bornemann.

Am Sonntag, gegen den Tabellen-17. Bielefeld, ist ein Sieg für die Nürnberger bei nur noch acht Punkten Abstand zur Abstiegszone enorm wichtig. "Man muss brutal aufpassen, wir haben alle ein bisschen Druck", hatte Schwartz nach dem Spiel gegen Fürth erklärt. Köllner sagt hingegen: "Wir brauchen eine Mannschaft, die begeistern kann, die emotional positiv ist. Wir müssen am Sonntag gewinnen, dann schauen wir weiter."

© SZ vom 09.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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