1. FC Köln:"Aaaalter, immer noch Achtzehnter!"

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Trotz des weiterhin großen Rückstands im Abstiegskampf gelingt dem 1. FC Köln in Leipzig eine Energieleistung. Belebend wirken dabei zwei Rückkehrer.

Von Javier Cáceres, Leipzig

Die Reiseleitung des 1. FC Köln drängte, weil der Flieger, der den Bundesligisten am Sonntagabend zurück an den Rhein bringen sollte, quasi schon die Motoren angeworfen hatte. Doch Stefan Ruthenbeck, der Trainer, nahm sich noch Zeit, um sich nach dem in vielerlei Hinsicht überraschenden 2:1-Sieg des Abstiegskandidaten beim Champions-League-Aspiranten Leipzig Luft zu machen: "Wissen Sie, was mich ärgert?", hob Ruthenbeck an - und ließ einen Monolog folgen, der ein Blick zurück auf jene 84 Tage war, die seit seinem Amtsantritt vergangen sind.

"Wir haben Wolfsburg geschlagen. Wir haben den HSV geschlagen. Wir haben Gladbach geschlagen. Wir haben nicht gegen Hannover und nicht gegen Augsburg verloren. Wir haben gegen Bayern verloren - okay, sorry! Wir haben gegen Frankfurt verloren - okay, sorry! Wir haben gegen Dortmund verloren - kann passieren! Nun haben wir gegen Leipzig gewonnen, und dann guckst Du auf die Tabelle und sagst: Aaaalter, immer noch Achtzehnter!"

Immer noch Achtzehnter, das heißt: immer noch Tabellenletzter, mit sieben Punkten Rückstand auf den Relegationsplatz (Mainz) sowie acht Punkten Distanz zum rettenden Ufer (Wolfsburg) - und das bei nur zehn verbleibenden Spielen.

Andererseits: Wann sollten die Kölner die Hoffnung wachsen lassen, die Regeln des menschlichen Ermessens doch noch zu biegen, wenn nicht nach diesem Abend, als sie ein Spiel, das nach menschlichem Ermessen hoffnungslos verloren war, drehten - und mit dem dahinsinkenden Hamburger SV nach Punkten gleichzogen?

In Leipzig hatten sie von einigem Glück sprechen können, dass sie nach 45 Minuten nur 0:1 (Jean-Kévin Augstin, 6. Minute) und nicht 0:4 zurücklagen. Augustin, Marcel Sabitzer und Emil Forsberg hätten das Spiel "frühzeitig beenden können", wie RB-Trainer Ralph Hasenhüttl beklagte, was angesichts der Klarheit der Chancen untertrieben war: In Wahrheit hätten die Leipziger die Partie frühzeitig klären müssen. Die hundertprozentigen Chancen in der ersten Halbzeit nicht verwertet zu haben, das geißelten sowohl Kevin Kampl wie auch pikanterweise der erst nach der Pause eingewechselte Stürmer Yussuf Poulsen als das entscheidende Manko.

Ein Beinschuss des Leipzigers Orban gegen Osako lässt Trainer Ruthenbeck ans Team appellieren

Stattdessen nahmen die Leipziger in Halbzeit zwei so sehr "das Gas weg", wie Poulsen sagte, dass Hasenüttl nach der Partie das nachvollziehbare Gefühl hatte, jemand habe zur Pause "den Stecker" gezogen. "Wir müssen auch mal Arbeitshandschuhe anziehen", sagte Poulsen und gab damit ein Echo auf das Publikum, das seinen Zorn über den 17. Punkteverlust nach eigener Führung sowie den Absturz auf Platz sechs mit dem Chor quittierte: "Wir woll'n Euch kämpfen seh'n!"

Am Willen, sagte hingegen Hasenhüttl, habe es nicht gelegen, dass sein Team nach drei Spielen in sieben Tagen (in Frankfurt, gegen Neapel und gegen Köln), die alle zu Niederlagen führten, physisch am Limit war. Andererseits monierte er zurecht, dass die Spieler dem falschen Ansatz folgten: "Wenn Du nicht mehr laufen kannst, muss halt der Ball laufen."

So aber begab es sich, dass die Kölner nach der Pause plötzlich überlegen waren, weil sie zwischen den Leipziger Linien Räume entdeckten und vor allem auf der rechten Angriffsseite wahre Latifundien vorfanden, in denen der monatelang vermisste Marcel Risse wirbeln konnte. Es war die Seite, über die auch die Treffer von Vincent Koziello (70.) und Leonardo Bittencourt (77.) vorbereitet wurden. So erhielt der Sieg auch eine kleine, persönliche Note: Bittencourt, 24, der ebenfalls über weite Strecken der Saison bisher wegen Verletzungen als "Unterschiedsspieler" (Ruthenbeck) gefehlt hatte, traf in seiner Geburtsstadt zum Sieg. Zur Welt kam er, als sein Papa Franklin für den VfB Leipzig spielte.

"Er hat mir erzählt: 'Ich habe in dem Stadion schon mal getroffen, da war es nicht so modern.' Das habe ich nicht auf mir sitzen lassen wollen", erzählte Leonardo Bittencourt nach seinem perfekten Comeback. Das Tor widmete er dem Papa aber auch aus einem anderen Grund: Franklin hatte am Samstag Geburtstag, "das Tor ist für ihn", sagte der Filius. Gleichwohl versicherte er glaubhaft: Wichtig sei nicht der persönliche Erfolg, sondern die Moral der FC-Elf: "Dass wir so zurückgekommen sind, gibt sehr viel Kraft."

Dass das geschah, hatte wohl auch mit Ruthenbeck zu tun, der in der Halbzeit eine Szene ansprach, die er als ultimative Demütigung empfunden hatte: Leipzigs Kapitän Willi Orban hatte, mehr aus Gründen der Improvisation als aus Lust an der Entwürdigung des Gegners, dem Kölner Yuya Osako den Ball durch die Beine geschoben. So was nicht auf sich sitzen zu lassen, gepaart mit dem Appell des Trainers an die eigenen Fähigkeiten ("Boah Jungs, wenn ihr nur dran glaubt, an die ganze Geschichte, dann könnt ihr das Ding hier auch noch drehen"), das bewirkte Kölns Mentalitätswandel. Zudem hat Ruthenbeck nun auch für den monatelang matten kreativen Bereich neue gute Optionen: Neben den Rückkehrern Risse und Bittencourt deutete auch der im Winter geholte Franzose Koziello bei seinem Startelfdebüt an, ein Faktor im FC-Mittelfeld werden zu können; nicht nur wegen seines satten Schusses zum 1:1.

Die nächsten Kölner Spiele gegen Stuttgart und Bremen werden zeigen, ob aus all dem noch einmal echte Hoffnung auf den Klassenerhalt entstehen kann.

© SZ vom 27.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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