Kolumne: Mein Deutschland:Die Kanzlerin plaudert

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Angela Merkel erzählt im Pressegespräch, wie sie in der Nacht des Mauerfalls einer Dame im Nachthemd begegnete und wofür sie ihr Begrüßungsgeld ausgegeben hat.

hat zugehört.

Eines der amüsantesten und bewegendsten Gespräche, die ich über den Mauerfall geführt habe, war mit einer 55-Jährigen. Sie hatte die Pressekonferenz mit Schabowski angeschaut und danach beschlossen, nicht über die Grenze zu hasten sondern mit einer Freundin in die Sauna zu gehen. "Es war Donnerstag, und Donnerstag war mein Saunatag", sagte sie.

Spricht mit Auslandskorrespondenten auch mal über ihre Saunagewohnheiten: Kanzlerin Angela Merkel. (Foto: Foto: Reuters)

Diese Frau - Angela Merkel - ist jetzt Bundeskanzlerin, was angesichts ihres pragmatischen Zugangs zum Leben und zur Macht kaum mehr überrascht. Auf ihre Sauna-Gewohnheiten kam Merkel, als sie diese Woche einige ausländische Korrespondenten in ihrem Büro empfing. Die Kanzlerin würde gerne wissen, hatte man uns gesagt, ob man vielleicht Zeit hätte, um mit ihr über den 20. Jahrestag des Mauerfalls zu reden. Unglaublich, sagte ein französischer Kollege. Würde man solch eine Einladung von Nicolas Sarkozy erhalten? Nie!

An dem ovalen Tisch mit Blick auf den Tiergarten in seinem herbstlichen Glanz saß eine entspannte Merkel. Sie zeigte nicht den Hauch von Müdigkeit, der ihr nach einem Flug über den Atlantik zugestanden hätte, und auch keine Spur von Stolz, dass sie gerade eine viel beachtete Rede vor dem Kongress gehalten hatte. Sie sprach eine Stunde offen über 1989 und was es für sie bedeutete - einschließlich banaler Dinge , wie sie Parmesan entdeckte oder sich wunderte, dass Westdeutschland gar nicht so gefährlich schien, wie man es von Krimis kannte.

Ältere Frau im Nachthemd

War das die deutsche Kanzlerin, die zu uns sprach? Nach der Sauna war sie mit ihrer Freundin auf ein Bier gegangen, dann liefen beide zur Bornholmer Brücke in den Westen, eine Route, die sie am Montag mit EU-Kollegen abschreiten wird. Eine Szene habe sie nie vergessen, sagte Merkel: Eine ältere Frau hatte sich eilig einen Mantel über ihr Nachthemd geworfen und hastete durch die kalte Novembernacht.

Sie hielt ein Kind an der Hand, das ihr nur widerwillig folgte und sagte: "Ich will wieder ins Bett." In Moabit lud eine Familie sie noch auf ein Bier ein, dann kehrte Merkel zurück in ihre Wohnung an der Schönhauser Allee, "weil ich am nächsten Morgen früh aufstehen musste". Sie hätte gerne den Westen erkundet, entschied sich aber dafür, einen wissenschaftlichen Vortrag vorzubereiten, den sie im polnischen Torun halten sollte. Ihre dortigen Kollegen waren überrascht, dass sie überhaupt gekommen war.

Ich fragte sie, wofür sie ihr Begrüßungsgeld ausgegeben habe. "Für die Toilette in Westberlin, für eine Tasse Tee, denn der November war sehr kalt. Das Geld war nützlich, auch wenn es die Regierung Millionen gekostet hat." Merkel, die Pragmatikerin. Sie würde nie zulassen, dass die Geschichte, die sie zur Kanzlerin gemacht hat, ihre Pläne durchkreuzt.

Vier Auslandskorrespondenten schreiben regelmäßig in der Süddeutschen Zeitung über Deutschland. Kate Connolly berichtet für den britischen Guardian aus Berlin.

© SZ vom 07.11.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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