Zwischenfall bei Air Asia:Geraten Sie bitte in Panik!

The Airbus A320 of AirAsia lowcost carrier seen through the glass a plant at Changi International Ai

Ein Airbus A320 der Fluggesellschaft Air Asia auf dem internationalen Flughafen Changi in Singapur.

(Foto: imago/Russian Look)

In der Kabine fällt plötzlich der Druck ab, der Pilot von Air Asia leitet sogleich den Sinkflug ein, ganz nach Vorschrift. Trotzdem fürchten die Passagiere um ihr Leben - schuld sind hysterische Flugbegleiter.

Von Katja Schnitzler

Flugzeuge halten sehr viel mehr aus als Passagiere, lautet eine Pilotenweisheit, von der die Crew von Air Asia offenbar noch nichts gehört hat.

Wahre Profis der Lüfte informieren eigentlich im Notfall mit sonorer Stimme - und hoffentlich ohne zu nuscheln - darüber, dass man auch mit drei statt vier Triebwerken problemlos den nächsten Flughafen erreichen kann. Oder dass die heftigen Turbulenzen ein bisschen an eine Achterbahnfahrt erinnern könnten, das Flugzeug dies aber problemlos wegstecke, nur solle man bitte wie in der Achterbahn angeschnallt sitzenbleiben und nicht die Toilette aufsuchen. Die gut ausgebildete Kabinencrew trägt das ihrige zur Ruhe an Bord bei, wenn sie laut, aber kompetent Anweisungen gibt und das Gefühl vermittelt: Diese Leute wissen, was sie tun, und wirken zuversichtlich, dass dies nicht ihr letzter Arbeitstag sein wird.

An Bord der Air Asia-Maschine, die vom australischen Perth nach Bali fliegen sollte, wurde die Besatzung zwar auch laut. Sie vermittelte jedoch offenbar nur eines, das aber sehr deutlich: Unser letztes Stündlein hat geschlagen, und zwar jetzt.

Was war geschehen? 25 Minuten nach dem Abflug in Perth soll plötzlich der Druck in der Kabine gefallen sein. Normalerweise purzeln dann Sauerstoffmasken herab und der Pilot sinkt so schnell wie es Maschine und Passagiere ertragen auf eine geringere Flughöhe, auf der kein Druckausgleich mehr nötig ist. Genau dies tat der Flugkapitän: In neun Minuten sank das Flugzeug von mehr als 10 000 Metern auf 3000 Meter und kehrte dabei nach Perth um. Eine Standardprozedur in diesem Notfall.

Vielleicht wusste dies die Crew der malaysischen Billigfluglinie nicht. Vielleicht hatte sie auch nur sehr seltsame Vorstellungen davon, wie sie den 145 Urlaubern möglichst schnell klarmachen sollte, dass dies keine Übung war. Sie entschied sich dafür "emergency, emergency" - also "Notfall" - zu schreien "und dann völlig hysterisch zu werden", berichtet Passagier Mark Bailey. Vorher seien die Menschen im Flieger ganz ruhig gewesen. Dann nicht mehr.

Die Fluggäste sollten die Sicherheitsposition einnehmen, doch hätten sie keine weiteren Informationen bekommen - jedenfalls nicht auf Englisch. "Wir haben uns voneinander verabschiedet", stammelten blasse Menschen am Airport in Fernsehkameras und: "Ich schrieb an meine Familie noch eine letzte Nachricht, in der Hoffnung, dass sie ankommt." Eine Stewardess habe geweint.

Einige Reisende scheinen zwar voller Angst, aber nicht von ihr gelähmt gewesen zu sein - wobei ein wenig Ablenkung in Situationen, auf die man keinerlei Einfluss hat, vielleicht nicht schadet: Auf Handyvideos sieht man Menschen, die sich filmen, wie sie Todesangst bei Air Asia haben.

Die Sauerstoffmasken baumeln griffbereit unter dem Kinn oder sind noch über den Mund gestülpt, falls sie selbst auf der nun geringen Flughöhe noch gebraucht werden sollten. Davor waren sie dringend nötig, nicht nur wegen des Luftdruckabfalls in der Kabine. Sondern auch, weil die Passagiere nach Luft und um Fassung rangen, als sie in den Gesichtern der Crew nach so etwas wie professioneller Zuversicht suchten - ob geschauspielert oder nicht. Stattdessen sahen sie offenbar blankes Entsetzen.

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Dieses war aber vielleicht nicht unberechtigt, denn auch Piloten dieser Airline vertrauen weniger auf ihre Technik als auf Gott: Vor drei Monaten wurde eine Maschine, die ebenfalls von Perth startete, wegen eines Defekts so sehr durchgerüttelt, dass der Pilot die Passagiere aufforderte zu beten: "Unser Überleben hängt von Ihrer Kooperation ab." Da wenden sich selbst Atheisten zur Sicherheit an eine Gottheit ihrer Wahl.

Außerdem war die Zuversicht, sich bei der Billiglinie in guten Händen zu befinden, spätestens seit dem Abschlussbericht über eine Absturzursache aus dem Jahr 2014 erschüttert: Der Air Asia-Flug 8501 war am frühen Morgen von Surabaya nach Singapur gestartet, 162 Menschen an Bord. Nach 40 Minuten verschwand die Maschine über der Jawa-See vom Radar, fünf Tage später wurden die ersten Wrackteile entdeckt. Es gab keine Überlebenden.

Untersuchungen zeigten, dass der Computer der Maschine schon vor ihrem letzten Flug 23 Mal innerhalb eines Jahres Fehler mit den Steuerrudern gemeldet hatte. Statt der eigentlichen Ursache - einem Riss an einer Lötstelle - auf den Grund zu gehen, hatten Techniker offenbar stets eine Sicherung gezogen, damit das System neu startete und keinen Fehler mehr anzeigte. Solche Erkenntnisse machen selbst hartgesottenen Vielfliegern Flugangst.

Air Asia meldete sich nach dem aktuellen Zwischenfall auch zu Wort und entschuldigte sich bei den Passagieren, die eine halbe Stunde Todesangst ausgestanden hatten, "für alle Unannehmlichkeiten". Offenbar hat nicht nur das Personal an Bord Defizite in der Kommunikation mit den Kunden.

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