Flugzeugunglück:Panik im Cockpit

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Die Maschine verschwand über der Jawa-See vom Radar, fünf Tage später wurden erste Wrackteile entdeckt. (Foto: Reuters)

Fahrlässige Wartung, schlecht ausgebildete Piloten: Der Abschlussbericht zum Absturz eines Air-Asia-Airbus im Dezember 2014 führt eklatante Mängel auf.

Von Jens Flottau, Frankfurt

Air-Asia-Chef Tony Fernandes, ein sehr aktiver Nutzer der sozialen Medien, reagierte als einer der ersten. "Es gibt hier viel zu lernen für Air Asia, den Hersteller und die Luftfahrtindustrie" twitterte Fernandes am Dienstag, nachdem die indonesische Flugunfalluntersuchungsbehörde KNKT ihren Abschlussbericht zum Absturz eines Air-Asia-Airbus im Dezember 2014 veröffentlicht hatte. "Wir werden jeden Stein umdrehen, um sicherzustellen, dass die Industrie aus diesem tragischen Vorfall lernt."

Zwar stimmt es im Allgemeinen, dass die Luftverkehrsindustrie auch durch die Analyse von Unfallursachen immer sicherer geworden ist und es mittlerweile international gute Verfahren gibt, das eigene Wissen mit anderen zu teilen. Ob jedoch in diesem konkreten Fall alle Beteiligten die Einschätzung von Fernandes teilen, dass neben Air Asia auch andere viel aus dem Absturz lernen müssten, darf bezweifelt werden. Der Unfallbericht legt vielmehr nahe, dass vor allem Air Asia deutlichen Nachholbedarf hat - vor allem in der Wartung und bei der Schulung ihrer Piloten.

Indonesia Air Asia Flug 8501, ein Airbus A320, war am 28. Dezember des vergangenen Jahres am frühen Morgen von Surabaya nach Singapur gestartet. 162 Menschen waren an Bord. Nach rund 40 Minuten verschwand die Maschine über der Jawa-See vom Radar, fünf Tage später wurden die ersten Wrackteile entdeckt. Es gab keine Überlebenden.

Ein Jahr lang hat die Untersuchungsbehörde versucht, den Unfallhergang zu rekonstruieren und mögliche Ursachen zu identifizieren.

Die Untersuchungen ergaben, dass der Computer der Maschine schon vor ihrem letzten Flug 23 Mal innerhalb eines Jahres Fehler mit den Steuerrudern gemeldet hatte. Statt der eigentlichen Ursache - einem Riss an einer Lötstelle - auf den Grund zu gehen, haben Techniker offenbar stets eine Sicherung gezogen, damit das System neu startete und keinen Fehler mehr anzeigte. Auch am Tag vor dem Unglücksflug war der Fehler während des Rollens am Boden wieder aufgetreten. Ein Techniker hatte im Beisein des Kapitäns, der schließlich auch für den Flug QZ8501 die Verantwortung trug, erneut die Sicherung herausgenommen und ihm gesagt, er könne das Gleiche auch während des Fluges tun, sollte das System wieder anschlagen.

Zwar gibt es keine eindeutigen Beweise dafür, dass der Pilot der Empfehlung am nächsten Tag auch tatsächlich folgte, als der Bordcomputer wieder einen Fehler am Steuersystem meldete. Allerdings waren die anschließenden Fehlermeldungen identisch mit denen nach dem Trouble Shooting am Boden.

Der Erste Offizier zog seinen Steuerknüppel nach hinten, der Kapitän drückte seinen nach vorn

Der Kapitän hatte offenbar nicht bedacht, dass der Bordcomputer die Steuerung während des Fluges vom sogenannten "Normal Law" in das "Alternate Law" heruntergesetzt hatte. Während im "Normal Law" automatische Schutzmechanismen wie auch der Autopilot zur Verfügung stehen, müssen die Piloten im "Alternate Law" Schub und Richtung manuell regeln.

Das Flugzeug ist in diesem Modus auch nicht mehr gegen das Überziehen geschützt, also gegen einen Steigflug bei zu geringer Geschwindigkeit, bei dem die Strömung über den Tragflächen abzureißen droht.

Genau das geschah offenbar, nachdem der Erste Offizier die Maschine in Panik in einen unkontrollierten Steigflug versetzte und die Maschine letztlich ins Meer stürzte. In den letzten Momenten des Fluges reagierten die Piloten offenbar unabgestimmt: Während der Erste Offizier, der die Maschine fliegen sollte, seinen Steuerknüppel nach hinten zog, um den Steigflug einzuleiten, drückte der Kapitän auf seiner Seite das Horn nach vorne.

Das KNKT empfiehlt Airbus deswegen, die beiden Steuerknüppel aneinander zu koppeln, so dass die Piloten die Steueraktionen des Kollegen besser wahrnehmen. Airbus wollte sich zunächst nicht inhaltlich zu dem Bericht äußern. Dieser werde nun sorgfältig analysiert.

Weitere Empfehlungen richten sich vor allem an die Fluggesellschaft. Air Asia hat selbst auch schon reagiert und die Wartungsprogramme seiner Flugzeuge überarbeitet. Außerdem sollen die Piloten besser für Fälle wie QZ8501 besser geschult werden. Unfälle, bei denen die Piloten die Kontrolle über ein eigentlich steuerbares Flugzeug verloren haben, sind eines der größten Sicherheitsprobleme im internationalen Luftverkehr.

© SZ vom 02.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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