Überbuchung, Verspätung, Ausfall:EU-Kommission pocht auf Passagierrechte

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Die EU macht Druck: Mitgliedsländer sollen endlich dafür sorgen, dass längst eingeführte Fluggastrechte eingehalten werden - oder sie werden verklagt.

Die EU erhöht bei der Umsetzung von Flugpassagierrechten das Tempo. EU-Verkehrskommissar Jacques Barrot gab den Mitgliedstaaten am Mittwoch sechs Monate Zeit, die Rechte von Flugreisenden besser durchzusetzen.

Am Ende zahlt oft der Passagier drauf... (Foto: Foto: AFP)

In vielen Ländern gebe es bei Beschwerden von Passagieren über Verspätungen, überbuchte Flüge oder Stornierungen nur unzureichende oder überhaupt keine Reaktionen, hieß es in einem Bericht über die Umsetzung der existierenden Vorschriften in den einzelnen EU-Staaten.

Flugreisende hätten heutzutage zweifellos einen besseren Schutz als früher, doch müsse sichergestellt werden, dass die einzelnen Staaten und die Fluglinien ihren Verpflichtungen auch tatsächlich nachkämen, sagte Barrot.

Insgesamt seien in den einzelnen Ländern der EU zwischen Februar 2005 und September 2006 18.288 Beschwerden eingegangen, nur 14 Prozent seien erfolgreich beigelegt worden. Die meisten Klagen stammten von Passagieren in Großbritannien (6.090), danach folgen Frankreich (2.500) und Deutschland

Verspätungen und Flugausfälle bereiten besonders Billigfliegern und ihren Passagieren nach Erkenntnissen der EU- Kommission große Probleme. Gestrandete Fluggäste haben ein Recht auf Getränke, Mahlzeiten, Telefongespräche und bei Bedarf ein Hotelzimmer, aber: "Billigflugunternehmen, die in der Regel von Regionalflughäfen aus operieren, tun sich oft mit dieser Verpflichtung schwer", stellte die Brüsseler Behörde in ihrem ersten Bericht über die Entschädigung von Flugreisenden fest.

Zwar scheinen Billigflieger pünktlicher zu sein - Flugzeuge stauen sich vor allem im Luftraum der großen Drehkreuze. "Aber wenn etwas schief geht, dann sind die Folgen schwerwiegender als bei den anderen Airlines", sagt ein EU-Fachmann.

Billig-Airlines böten nur selten Umbuchungen an, obwohl eine EU-Verordnung dies seit dem 17. Februar 2005 vorschreibt. Auch andere Hilfe bei Verspätungen gebe es oft nur auf Anfrage oder gar nicht. Manchmal verwiesen Fluggesellschaften laut EU-Bericht sogar auf höhere Gewalt, obwohl die Verordnung dies als Begründung für Verspätungen nicht zulasse.

Bei den Begriffen fängt das Problem erst richtig an. "Besondere Umstände" etwa können die Airlines geltend machen. Gehört eine Sturmwarnung dazu? "Die besonderen Umstände hängen von den Umständen ab", meint der Brüsseler Fachmann. Unklar ist auch der Übergang von einer Verspätung zum Ausfall des Fluges: "Eine Verspätung von mehr als 24 Stunden ist keine Verspätung mehr, selbst wenn später das gleiche Flugzeug vom gleichen Flughafen abfliegt", erklärt der Experte. Die Verordnung lässt diese Frage offen.

Die EU-Regelung legt zudem weder Strafen noch die genauen Aufgaben der nationalen Beschwerdestellen fest. Deshalb werden Fluggastrechte laut Brüsseler Analyse mal besser, mal schlechter durchgesetzt.

Binnen sechs Monaten will die Kommission nun echte Fortschritte sehen. Sonst werde sie Verfahren gegen säumige Mitgliedstaaten einleiten, drohte Verkehrskommissar Jacques Barrot. Gegen Großbritannien hat Brüssel bereits ein Verfahren eingeleitet: Die dortige Behörde bearbeite bevorzugt Beschwerden von Briten oder Kunden, die ihre Tickets auf britischem Boden kauften.

Der Kommission fehlen aber sogar Zahlen, die einen Vergleich aller 27 EU-Staaten erlauben. Österreich, Spanien und Slowenien lieferten keine Angaben. Sie sind dazu auch nicht verpflichtet. In Deutschland sammelte das Luftfahrtbundesamt nach eigenen Angaben bis Ende 2006 genau 2646 Beschwerden, die auf der Verordnung beruhten. 51,9 Prozent der Beschwerden betrafen abgesagte Flüge und 36,8 Prozent Verspätungen. In 11,3 Prozent der Fälle wandten sich Passagiere an das Amt, weil sie am Flugschalter abgewiesen wurden.

EU-Fachleute können nicht einmal sagen, welche Fluggesellschaften besonders viele Probleme machten: "Wir sind kein Reisebüro." Aber sie hoffen, dass ihre Verordnung trotz aller Probleme auch Positives bewirkt. Ein Finnland-Reisender hat das schon erlebt: Er bekam wegen Überbuchung keinen Platz mehr im Flugzeug, erhielt aber eine Entschädigung und ein Ticket für eine andere Strecke. Als der Mann sein Ziel erreichte, war er um 150 Euro reicher - und hatte sogar die Passagiere der ursprünglich gebuchten Maschine überholt.

© sueddeutsche.de/dpa - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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