Tagestouren für den Herbst:Alpen für alle

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Mit dem Herbst beginnt die schönste Zeit in den Bergen. Wir haben acht Touren zusammengestellt - für Gipfelverweigerer, Kletterbegeisterte, Familien und Faule.

Einsam an der Fleischbank

Blick auf die Fleischbank im Wilden Kaiser (Foto: Foto: Herbke)

"Das Wetter ist prachtvoll, so ist Massenauftrieb in den Wänden der Steinernen Rinne. Aus allen Routen, Mauern, Kanten, Verschneidungen, Rissen, Kaminen hört man die Seilkommandos, die Stimmen, Rufe und Jodelkünste der Kletterer." So erinnert sich Hermann Buhl an einen Klettertag des Jahres 1948 im Wilden Kaiser.

Mittlerweile ist es still geworden in den Wänden des Kaisergebirges, und als wir einmal, wie lange Zeit vor uns der junge Buhl, durch die Fleischbank-Südostwand stiegen, da kam der Lärm von unten, wo Bataillone von Wanderern durch die Steinerne Rinne hinauf zum Ellmauer Tor marschierten. In der Wand selbst sahen wir keinen Menschen.

Staunen über die Leistung der Erstbegeher

Es ist eine großartige Route, elf Seillängen lang führt sie annähernd senkrecht durch bleichen Plattenkalk auf den 2187 Meter hohen Gipfel der Fleischbank. Die Schwierigkeiten liegen zwischen 5 und 6+, was schon mal nicht geschenkt ist.

Doch dann gerät man in der dritten Seillänge an diesen unerfreulichen Plattenquergang und in der sechsten an den verflixten Überhang und kann nur staunen über die Leistung der Erstbegeher.

Es ist ja auch eine Route mit Geschichte, deren Name sich mit zwei großen Alpinisten verbindet: Fritz Wiessner aus Dresden, der 1939 um ein Haar den K2 erstbestiegen hätte. Und Roland Rossi aus Innsbruck, der als Erster durch die Pelmo-Nordwand kletterte.

Im Nebel auf dem Gipfel

1925 durchstiegen sie gemeinsam die Fleischbank-Südostwand. Sie brauchten drei Tage. Heute sind in der "Wiessner Rossi" die Stände gebohrt und Zwischenhaken vorhanden - doch die Route hat nichts von ihrer Wucht verloren.

Auf dem Gipfel standen wir im Nebel und fühlten uns auch so; wir hatten vier Stunden gebraucht und trotzdem das Gefühl, eine Reise hinter uns zu haben.

Eine "Feuermauer aus hell leuchtendem Kaiserfels" hat Buhl die Wand genannt, die er im Alleingang meisterte. "Ich hänge an einem Haken, vom Fels gestützt, und wenn ich den Oberkörper weit nach außen lege, kann ich zum Einstieg hinuntersehen." Genau so ist es. Genau so schön.

Information Die Wiessner-Rossi-Route an der Fleischbank findet sich im Kletterführer Bayerische Nordalpen (Bergverlag Rother) oder unter www.bergsteigen.at.

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Im Pulk auf der Zugspitze

Auf dem Weg zum Zugspitz-Gipfel bietet sich die Höllentalangerhütte als Übernachtungsmöglichkeit an. (Foto: Foto: privat)

Die Zugspitze ist eine Liebe auf den zweiten Blick. Wer sich sechs bis zehn Stunden lang von Grainau durchs Höllental hochmüht, findet am verbauten Gipfel statt Frieden und Erhabenheit nur etwas, das der Schriftsteller Günter Herburger einmal treffend beschrieb als "übereinandergewürfelten Kaufhof mit viel Publikum und einer Rolltreppe in falscher Richtung".

Man muss Angst haben, beim Gipfelfoto von angeheiterten Sandalenträgern in den Abgrund geschubst zu werden, an den Grillschwaden von "Deutschlands höchster Bratwurst" zu ersticken und in Pressekonferenzen von Fußball-Nationaltrainern hineinzuplatzen.

Phantastischer Aufstieg, Horror auf dem Gipfel

Selbst den geduldigen Wirt des strapazierten Münchner Hauses, Hansjörg Barth, hört man an manchen Tagen nur noch "Seid's ihr alle narrisch?" ausrufen. Es ist der Horror. Einerseits. Andererseits ist der Weg nach oben phantastisch.

Es gibt hierzulande keine Tour, die derart viele abwechslungsreiche Situationen bietet: Wald, Klamm, Hochtal, Geröll, Gletscher, schließlich pittoresk erodiertes Kalkgestein mit Klettersteig und einem Ausblick auf den türkisfarbenen Eibsee, wie ihn sonst nur GPS-Satelliten haben.

Die legendären Mutproben heißen Leiter und Brett - eiserne Klammern und Stifte, die über rassige Abgründe führen. Und dann ist da noch die Randspalte des Gletschers, die man überspringen muss - nicht etwa um festen Boden, sondern eine Klammer des Klettersteigs zu erreichen. Je nach Schmelze und Lochgröße tun sich da - auch innere - Abgründe auf.

Hütte mit "Damenraum"

Überhaupt ist die Tour nur etwas für versierte Alpinisten ohne Höhenangst und Klaustrophobie. Letztere kann bereits bei der Übernachtung in der urigen, 1893 erbauten Höllentalangerhütte - mit putzigerweise heute noch in Frakturschrift so gekennzeichnetem "Damenraum" - einsetzen.

Über die zwei Kissen pro schmaler Matratze darf man sich nicht zu früh freuen - das zweite ist für den, der mitten in der Nacht noch hereinpoltern wird!

Doch wer unter der Woche wandert und bereits auf der Leiter stehend die Sonne aufgehen sieht, hat gute Chancen auf einen unvergesslichen Berggenuss, den nicht einmal der Gipfelschock trüben kann.

Information Touren auf die Zugspitze sind in vielen Büchern über Münchner Hausberge enthalten.

Auf der nächsten Seite finden Sie eine Tour für Gipfelverweigerer.

Auf ein Helles!

Es gibt nichts Nervigeres als Wanderkollegen, die einem davonlaufen. Während man sich noch in Sichtweite der Achenpassstraße befindet, haben die schon fast die Steigseile vom Buchstein in den Klauen.

Man verliert als Nachzügler dann immer sehr schnell die Lust, sich anzustrengen, schließlich kann man das Tempo ohnehin nicht mehr steigern, und dieser Rekordfetisch beim Laufen ist auch irgendwie die Pest.

Aber der Aufstieg zu Roß- und Buchstein ist der ideale Bergmarsch für Gipfelverweigerer, weil man nach dem etwa eineinhalbstündigen Anstieg durch den Wald auf eine herrliche Almwiese gerät und - was noch wichtiger ist: in den Verfügungsbereich der Roßsteinalm, wo man, sofern man ein Temperenzler ist, frisch gezapfte Kuhmilch trinkt.

Wer aber ein bekennender Städter ist und die Natur eher mit Gelassenheit erleben möchte, bestellt ein Helles, setzt sich auf die Terrasse und prostet dem bunten Ameisenzug zu, der sich langsam und gefahrvoll zum Buchstein (1701 Meter) hochquält.

Information Touren auf den Buchstein finden Sie in vielen Büchern über die Münchner Hausberge.

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Auf das Radl!

Um ehrlich zu sein: Der Weiler Altlach (805 m) liegt derart verlockend auf einer Lichtung am Südufer des Walchensees, dass man das Radl am liebsten in die Wiese schmeißen und sich auf unbestimmte Zeit in einem der Gästezimmer des stattlichen Hofs einmieten möchte.

Andererseits: Wer einmal den schweißtreibenden, weil in Teilen verdammt steilen Anstieg zum Altlacher Hochkopf bewältigt hat, wird reich entlohnt. Auf den Karten noch als "Diensthütte" eingetragen, hat die Alpenvereinssektion Vierseenland die geschichtsträchtige Hütte (1299 Meter), in der König Ludwig II. 1866 und 1878 Geburtstag feierte, liebevoll renoviert.

Der Blick von der Terrasse ins Wettersteingebirge ist gigantisch, und wer Lust hat, kann sich noch auf einen kurzen Fußmarsch zum Gipfel (1328 Meter) machen. Die Brotzeit muss man selbst mitbringen, die Hütte wird nicht bewirtschaftet.

Runter bieten sich mehrere Bike-Varianten an. Lohnenswert ist der Forstweg nach Niedernach, schon allein des Wirtshauses wegen.

Auf der nächsten Seite finden Sie eine Tour für Trittsichere mit guter Kondition.

Auf den Fels!

Der Große Priel (2515 Meter) ist der höchste Gipfel des Toten Gebirges in Oberösterreich, er ragt beeindruckend schroff in die Landschaft.

Die Namen von Wänden und Tälern in der Umgebung wirken nicht gerade einladend: Teufelsmauer, Dietlhölle, Fleischbanksattel. Und der Hüttenwirt des Prielschutzhauses heißt auch noch Harry Höll.

Ambitionierte Sportler erarbeiten sich den Gipfel über die höllisch steile Nordwand, eine senkrechte Kletterei im Schwierigkeitsgrad VI durch brüchige Kalkfelsen.

Am Süd- und am Nordwestgrat gibt es etwas leichtere Routen mit Passagen im IV. bis V. Grad. Das Großartige am Großen Priel ist aber, dass er so vielseitig ist: Auch trittsichere Wanderer ohne Helm, Seil und Gurt können ihn schaffen, eine sehr gute Kondition vorausgesetzt.

Eine machbare Variante führt vom Almtal aus über die Welser Hütte auf gesicherten Steigen zum roten Gipfelkreuz (Gehzeit: mindestens acht Stunden). Es ist übrigens der Normalfall, dass Wanderer das Tote Gebirge lebend wieder verlassen.

Information Der Große Priel ist in Bruckmanns Gipfelatlas Alpen beschrieben.

Auf der nächsten Seite finden Sie eine Tour für sportliche Bergwanderer bis alpine Kletterer.

Mehr Adrenalin

Ein gewisser Magnus hat sich am kürzlich eröffneten Zwei-Länder-Sportklettersteig an der Kanzelwand übernommen: "Zehn bis 20 Klimmzüge sollte man schon draufhaben", schreibt er in einem Internetforum für Bergsportler.

Zweimal sei er in den Gurt gekracht, worauf ihn Forumsbesucher BB aus B. als "Jammerlappen" bezeichnete. Außerdem sei der Steig, so BB, mit der Einstufung D (sehr schwierig) noch überbewertet. Die Wahrheit liegt irgendwo zwischen den beiden Forumseinträgen.

Gänzlich ohne Armkraft ist der Steig jedenfalls nicht zu meistern; entsprechend wird in Broschüren auf einen gewissen Anspruch, den fehlenden Notausstieg und senkrechte Passagen verwiesen.

Auch ist das etwa 40 Gehminuten von der Kanzelwand-Bergstation beginnende Stahlseil über 550 Meter Länge und 250 Höhenmeter keinesfalls nur nötige Hangelhilfe für Landschaftsgenießer. Die kommen kaum auf ihre Kosten. Vielmehr ist es die künstliche Naht zwischen alpiner Kletterroute und sportlichem Bergwandern.

Information Den Zwei-Länder-Klettersteig finden Sie unter www.das-hoechste.de

Auf der nächsten Seite finden Sie eine Tour für Stadtmenschen.

Mehr Endorphine

Stadtmenschen neigen dazu, ihr Leben straff wie den Alltag eines Soldaten zu organisieren. Auf einen Berg wandern? Danke, keine Zeit. Dauert zu lange. Nein, dauert es nicht. Denn es gibt Berge, die für Stadtmenschen geschaffen wurden.

Das Burgberger Hörnle im Allgäu ist so ein Gipfel, der sich eignet, um bei minimaler Auf- und Abstiegszeit eine maximale Anzahl an Alpenendorphinen auszuschütten. Das Gipfelkreuz befindet sich auf 1496 Metern Höhe, rechts unterhalb des bekannteren Grünten, und wer es erstürmen will, muss keine 60 Minuten einplanen.

Das Schöne ist, dass auf dem Weg dorthin jedes Profil geboten wird, das Wandern interessant macht. Es gibt flache Passagen, steile, kurvige, gerade, man kann schlendern oder sich verausgaben, die Sicht ist herrlich, und Könner dürfen sich an einem Klettersteig bewähren.

Im Gipfelbuch tauchen manche Namen 50 mal und öfter im Jahr auf. Dieser Berg wird nie langweilig und bietet eine perfekte Kosten-Nutzen-Rechnung. Genau richtig für Stadtmenschen.

Information Das Burgberger Hörnle wird im Alpenvereinsführer Allgäuer Alpen (Bergverlag Rother) beschrieben

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Mehr Vitamine

Im Gegensatz zu ihren bekannteren Nachbarn Blomberg, Brauneck oder Benediktenwand taucht die Sonntraten (1096 Meter) im oberbayerischen Voralpenland bei Gaißach zwischen Bad Tölz und Lenggries in kaum einem Wanderführer auf.

Wahrscheinlich ist sie gerade deshalb ein wirklich toller Berg für Familien - die 350 Höhenmeter lohnen vor allem aus Kindersicht. Da ist der kleine Bach zum Plantschen und Steinewerfen, da gibt es Kühe aus nächster Nähe und - was vielleicht entscheidend ist - den Steig hinauf säumen, je nach Saison, haufenweise Walderdbeeren, Himbeeren und Brombeeren. Klar, dass Eltern und Großeltern sich auf längere Wartezeiten einstellen müssen.

Was aber nicht tragisch ist, denn der Blick ins Isartal und aufs Karwendel ist herrlich. Statt eines Gipfelkreuzes signalisieren zwei Hütten auf einem sonnigen Plateau, dass man oben ist. Nun heißt es Brotzeit auspacken. Oder verlängern. Durch den Wald erreicht man den um 300 Meter höheren Rechelkopf (1328 Meter).

Information Die Sonntraten ist auf www.tourentipp.de beschrieben

© SZ vom 04.09.2008 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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