Stadtplanung:Lost in Schanghai

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Weil in der chinesischen Boom-Metropole manche Straßennamen bis zu zehn Mal vorkommen, verlaufen sich hier Einheimische und Touristen häufiger als anderswo. Das soll nun besser werden.

Henrik Bork

Bis zum Jahresende will die ostchinesische Metropole 838 Straßen umbennenen, deren Namen verwirrend sind. Manche Straßennamen existierten bis zu zehn Mal, sagt der zuständige Beamte im Stadtplanungsbüro, Liu Bo. Durch die Doppelungen verlaufen sich Bewohner und Touristen derzeit häufiger als anderswo.

"Seit sich Schanghai Anfang der 90er Jahre zu entwickeln begann, haben wir immer mehr Beschwerden erhalten", sagt Liu Bo. "Ein Mann wollte im Taxi zur Meiyuan-Strasse im Stadtteil Jiading fahren, wurde aber auf der Meiyuan-Strasse in Zhabei abgesetzt. Das war 30 Kilometer weit weg. Er war noch wütend, als er bei uns anrief."

Den Namen "Yucai"-Straße (auf Deutsch etwa "Talent-Kultivierungs-Strasse") gibt es derzeit zehn Mal. Er ist besonders vor Schulen und Universitäten sehr beliebt. Seit im Jahr 1958 zehn Landkreise der Nachbarprovinz Jiangsu in das Stadtgebiet Schanghais eingegliedert wurden, gibt es einen riesigen Namens-Wirrwarr. Auch kommunizierten die einzelnen Stadtbezirke nicht miteinander, was die Benennung neuer Straßen betraf. "Erst seit 1998 haben wir alle Namen in einer Datenbank erfasst und so unter Kontrolle", sagt Liu Bo. Die doppelten Namen aber bereiteten "Anwohnern und Besuchern viele Unannehmlichkeiten".

Die Hafenstadt Schanghai hatte wegen ihrer traditionell ultralinken Stadtregierung in den achtziger Jahren zunächst den wirtschaftlichen Aufschwung verschlafen, der Chinas Küstenstädte und die Hauptstadt Peking seit Beginn der "Öffnungs- und Reformpolitik" Deng Xiaopings im Jahr 1979 zu verwandeln begann.

Erst nach einem ermutigenden Besuch des schon zittrigen, alten Deng in Schanghai Anfang der 90er Jahre setzte hier eine beispiellose Aufholjagd ein. Ein Immobilienboom und der Zuzug von Millionen Landbewohnern waren die Folge. Die Verwaltung ist oft überfordert - dafür ist das Chaos der Straßennamen nur ein Beispiel von vielen.

Klarheit für die Vororte

Für die riesige Umbennungsaktion müssen bis September Hunderte Straßenschilder geändert werden, wie die örtliche Zeitung Shanghai Daily berichtet. Auch müssen 36.000 Menschen ihre Personalausweise ändern lassen, die nur mit korrekter Wohnanschrift gültig sind. Für die Bürger solle das kostenlos sein, betont die Stadtverwaltung.

Die Beamten haben sich ein Jahr lang auf die Aktion vorbereitet. Umbenannt werden sollen vor allem "doppelte" Straßennamen in Vororten, nicht die im Stadtzentrum. So wird etwa die Xinzha-Strasse auf der Chongming-Insel in "Chongming-Xinzha-Strasse umbenannt, während die Xinzha-Strasse in der Stadtmitte ihren Namen behält. 154 kleinere Straßen, die für Verwirrung sorgten, sollen einfach mit größeren Straßen oder Parks "verschmolzen" werden.

© SZ vom 8.6.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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