Québec:Viel mehr als Frankreich in Kanada

Québec bietet Besuchern einen einzigartigen Mix. Die Metropole ist reich an Kultur, die gleichnamige Provinz ein lohnendes Ziel für Naturfreunde. Eine Reise von der Stadt Québec bis ins wilde Hinterland.

Von Ingrid Brunner

1 / 20
(Foto: Jean-François Bergeron, Enviro Foto)

Mit seinen Kirchen, Bürgerhäusern, Plätzen, Restaurants und Bistros wirkt Québec wie ein Stück Frankreich in Kanada. Wer seine Rundreise durch die ostkanadische Provinz Québec in der gleichnamigen Provinzhauptstadt startet, stellt fest, dass die Altstadt sehr europäisch, genauer französisch geprägt ist. Ein mächtiger Festungsring umschließt die historische Stadt, darüber thront das Château Frontenac, das heute eines der bekanntesten Luxushotels Kanadas beherbergt. Benannt wurde es nach Louis de Buade, Graf von Frontenac und Palluau, einem bedeutenden Gouverneur der Kolonie Neufrankreich. Ein Statement für Frankreich ebenso wie der Ort: Das Schloss wurde 1893 oberhalb der Plaines d'Abraham erbaut. Auf der Abraham-Ebene waren mehr als hundert Jahre zuvor, im Jahr 1759, die französischen Truppen von den Briten geschlagen worden. Damit begann die britische Herrschaft über Québec und ganz Kanada - doch die Einwohner der Stadt blieben frankophon.

2 / 20
(Foto: Ingrid Brunner)

Die alten Kanonen wehrten von der Abraham-Ebene aus herannahende Feinde ab. Das Prinzip einer wehrhaften Stadt war den indigenen Völkern Nordamerikas unbekannt und wurde auch später von den Siedlern nicht eingeführt. So ist die Altstadt von Québec die einzige noch erhaltene befestigte Stadt nördlich von Mexiko-Stadt. Vom 17. bis ins 19. Jahrhundert haben mal die Franzosen und dann wieder die Briten - je nachdem wer gerade über Stadt und Region herrschte - die Festungsmauern errichtet und verstärkt. Der Feind war jeweils die andere Kolonialmacht - gelegentlich auch die in dieser Region ansässigen Ureinwohner: Algonkin, Irokesen und Innu (Montagnais) lebten hier lange bevor die Europäer kamen.

3 / 20
(Foto: Ingrid Brunner)

Die Terrasse Dufferin, eine großzügige Flanier- und Aussichtsplattform mit Bänken, Crêpes-Ständen und Straßenmusikanten erstreckt sich vor dem Château Frontenac. Man erreicht sie entweder zu Fuß oder mit dem Funiculaire, einer kleinen Kabinenbahn, die im Viertel Petit-Champlain startet. Von oben bietet sich ein imposanter Ausblick auf die engen Gassen der Stadt und auf den mächtigen Sankt-Lorenz-Strom. Der drittgrößte Wasserlauf Nordamerikas wird von den Großen Seen gespeist, er mündet in den Atlantik. In den Anfängen der Stadt war der Sankt Lorenz ihre Lebensader als Transportweg für Güter und Menschen. Auf dem Strom reisten Soldaten, aber auch Pioniere und Missionare, die das riesige Land für die Europäer erschlossen.

4 / 20
(Foto: Yves Tessier, Tessima)

Oberstadt und Unterstadt, dieses soziale Konstrukt wurde aus Europa mitgebracht: Während oben - in frischer Luft und großzügigen Bauten - Adel sowie Klerus und die Vertreter der Kolonialmächte residierten, drängten sich zu deren Füßen die einfachen Leute - Handwerker, Kaufleute, Fellhändler und Matrosen, die auf Schiffen den Sankt-Lorenz-Strom befuhren. Heute pulsiert in den sanierten alten Häusern das Leben - und im Sommer auch auf der Straße. Cafés, Bistros und Boutique-Hotels sind in alte Wohn- und Speicherhäuser eingezogen. Typisch französisch: auch die Einwohner von Québec bleiben gerne auf ein Schwätzchen stehen oder treffen sich zum Aperitif in der Bar. Das Quartier Petit Champlain ist bekannt für seine Dichte an charmanten und originellen Ausgeh-Adressen.

5 / 20
(Foto: Luc-Antoine Couturier)

Kitsch und Künste stehen hier einträchtig nebeneinander: Die Straßenkünstler in der Rue du Trésor sorgen für ein wenig Montmartre-Ambiente und machen einen Bummel zum kurzweiligen Erlebnis. Viele Galerien stellen zeitgenössische Kunst aus, darunter Arbeiten von indigenen kanadischen Künstlern (inuit-art.ca).

6 / 20
(Foto: Ingrid Brunner)

Essen und Ausgehen ist wie im ehemaligen Mutterland ein wichtiges Thema. Die Restaurants sind teils fast so alt wie die Stadt selbst, man speist gern mit Blick auf die Passanten, während auf dem Trottoir ein Akkordeonspieler sein Geld verdient. Die Küche ist - selbstredend - stark französisch geprägt. Das kanadische Element sind Wildgerichte. Bemerkenswert: Das Engagement für den Artenschutz steht einer gehobenen Küche nicht entgegen. Seit 2009 zertifiziert das Siegel La Fourchette Bleue, die Blaue Gabel, Fische und Meeresfrüchte aus nicht überfischten Beständen. Auch Spitzenrestaurants wie das exzellente Le Panache beteiligen sich an dieser Aktion.

7 / 20
(Foto: Ville de Québec)

Die Place Royale ist ein Muss auf dem Stadtrundgang: An dieser Stelle wurde Québec am 3. Juli 1608 von Samuel de Champlain gegründet. Seit 1985 ist Québec-Stadt Weltkulturerbe. Die (je nach Definition) zweitälteste Stadt Kanadas ist stolz auf das französische Erbe.

8 / 20
(Foto: Jean-Pierre Sylvestre)

Nicht zufällig also wählte man das Motto "Je me souviens" - ich erinnere mich - für die Kfz-Kennzeichen in der Provinz Québec. Seit Generationen flammt immer wieder der Sprachenstreit auf - und in dessen Kielwasser die Forderung nach einem unabhängigen frankophonen Staat. Zuletzt zogen es jedoch die meisten vor, ein Teil von Kanada zu bleiben. Ausgestattet mit einem Höchstmaß an Autonomie ist man ohnehin schon: Seit 2006 ist Québec offiziell "Nation innerhalb eines geeinten Kanadas" - und die einzige Provinz, die offiziell einsprachig ist. "Ici, on parle français" - hier spricht man französisch - bekommen die kanadischen Landsleute aus anderen Provinzen nicht selten zu hören, wenn diese Englisch sprechen.

9 / 20
(Foto: Jean-Pierre Sylvestre)

Sprach- und Kulturdebatten spielen auf einem Roadtrip gen Osten entlang der Panoramaroute "Route des navigateurs" keine Rolle. In der Region Gaspésie stehen Natur und Tiere im Mittelpunkt - zu Lande und im Wasser. Und Wasser gibt es im Überfluss: Während der Sankt Lorenz sich nach Québec-Stadt stromabwärts zum Meer weitet und Salzwasser führt, beeindruckt die Landschaft im Landesinneren durch Sümpfe, Bäche, unregulierte Flüsse mit Wildlachsen - und durch die Wasserfälle. Letztere sind so zahlreich, dass Reisende es bald aufgeben, an jedem anzuhalten. Doch die größeren sind gut erreichbar und ideal für eine kleine Wanderung oder ein Picknick, wie etwa der Wasserfall Chute-Neigette beim Ort Saint-Anaclet-de-Lessard (nahe Rimouski).

10 / 20
(Foto: Jean-Pierre Sylvestre)

Der Sankt-Lorenz-Strom ist einer der besten Orte weltweit, um Wale zu beobachten. Während der Croisière aux baleines, so der französische Name für Whalewatching-Touren, kommen Teilnehmer den Walen manchmal näher als gedacht. Buckel-, Mink-, sogar Blauwale wandern im Frühsommer aus warmen tropischen Gewässern hierher, um sich den Speck für den nächsten Winter in der Karibik anzufuttern: Bis zu 70 Zentimeter Blubber, so nennt man den Walspeck, legen die Meeressäuger zwischen Juni und September in den kalten und nährstoffreichen Gewässern zu. Der Sankt-Lorenz-Strom hat zwar bei Sonnenschein die gleiche Farbe wie das Mittelmeer, doch die Temperatur liegt auch im Sommer lediglich bei etwa fünf Grad Celsius. Deshalb warnen Veranstalter die Gäste: "You fall in the water, you stay in the water!" Viele Wale kommen jedes Jahr. Experten identifizieren sie an unverwechselbaren Merkmalen. Der Buckelwal namens Blanchneige etwa hat eine weiße Schwanzflosse. Mit etwas Glück sieht man vom Boot aus, wie sich Blanchneige oder sein Kumpel Tic Tac Toe spektakulär aus dem Wasser katapultieren.

11 / 20
(Foto: Jean-Pierre Sylvestre)

Das ganze Jahr über leben die Belugas in den flacheren und etwas wärmeren Ufergewässern des Sankt Lorenz. Die Meeressäuger sind meistens in Schulen unterwegs - manchmal sind es Hunderte, die zusammen die Küste auf und ab wandern. Deshalb sprechen die Einheimischen oft scherzhaft vom Beluga Highway. Die Tiere heißen auch Weißwale und zählen zur Unterfamilie der Delfinartigen. Die grauen Beluga-Kälber sind immer ganz nah bei der Mutter. Erst im Alter von circa fünf Jahren werden sie weiß.

12 / 20
(Foto: Jean-Pierre Sylvestre)

Der Rocher Percé ist das Wahrzeichen des Küstenortes Percé ganz im Osten der Halbinsel Gaspésie bereits am Sankt-Lorenz-Golf. Als der französische Kapitän Jacques Cartier hier 1534 ankam, erblickte er noch einen großen Kalksteinfelsen mit zwei Durchbrüchen. Mittlerweile hat die Erosion das Gestein in zwei Brocken geteilt, die oft von Nebel umhüllt sind. Dieser spielt auch in der Legende der Blanche de Beaumont eine wichtige Rolle: Demnach wurde das Schiff, auf dem die blutjunge Blanche ihrem Verlobten nach Neu-Frankreich folgte, von Piraten gekapert. Um sich vor Vergewaltigung zu retten, sollte sie den Kapitän ehelichen. Doch während der Trauung stürzte sie sich ins Wasser und ertrank. Am Tag darauf umgab dichter Nebel den Fels, auf dem Matrosen Blanche zu sehen glaubten, wie sie die Arme hob und Piraten und Schiff verfluchte, die sich daraufhin in Stein verwandelten. Es gibt etliche Versionen dieser Geschichte. Sie soll zum Gruselfilm "The Fog - Nebel des Grauens" inspiriert haben.

13 / 20
(Foto: Jean-Pierre Sylvestre)

In der realen Welt bilden Percé und die vorgelagerte Insel Bonaventure einen Nationalpark. Wer mit dem Boot zur Insel übersetzt, fährt ganz nah am Rocher Percé vorbei. Bonaventure ist eine unbewohnte Vogelinsel, lediglich Naturschützer und Ornithologen dürfen über Nacht in den sorgsam restaurierten Häusern auf der Insel bleiben. Am Landesteg empfangen Park-Ranger die Besucher, von denen einige mit schwerer Ausrüstung anreisen: Fotografen aus aller Welt nehmen den Weg auf sich, denn dort lässt sich eine der größten Kolonien von Basstölpeln in der nördlichen Hemisphäre von ganz nah beobachten.

14 / 20
(Foto: Jean-Pierre Sylvestre)

Ein Fußweg führt von der windabgewandten Seite der Insel zu den steil abfallenden Klippen. Dort überwältigt den Besucher der Anblick von etwa 150.000 Basstölpeln die dort Jahr für Jahr nisten. Nicht nur die schiere Anzahl ist atemberaubend: Die unzähligen Vögel veranstalten einen gewaltigen Lärm. Unentwegt verteidigen sie lautstark ihr winziges Revier, das nicht viel größer ist als ihr Nest. Vor allem aber ist es der beißende Gestank des Vogeldungs, der sich Jahr um Jahr höher schichtet, der einem die Luft abschnürt. Doch der faszinierende Anblick macht das mehr als wett. Fußwege und Aussichtstürme führen ganz dicht an die Vögel heran. In der Kolonie herrscht ein ständiges Kommen und Gehen, die Vögel segeln geschickt um die steilen Felsen, stechen hinab ins Meer, kehren zurück mit Algen für den Nestbau oder Fisch für die Jungtiere.

15 / 20
(Foto: Jean-Pierre Sylvestre)

Anfang Juni kann man die Basstöpel bei der Paarung beobachten, ein Biss in den Nacken des Weibchens ist der uncharmante Abschluss der Begattung. Ringsum tobt unterdessen das Leben, mit Nestbau, Partnersuche, Abflügen und Ankünften. Kehrt ein Partner zum Nest zurück, begrüßen sich die Vögel lang und innig. Die Basstölpel sind die größte Art in der Familie der Tölpel, sie werden bis zu 3,4 Kilogramm schwer und erreichen eine Spannweite bis 180 Zentimeter. Das reinweiße Gefieder kontrastiert mit der eleganten schwarzen Zeichnung um die Augen. Anders als es ihr Name suggeriert sind sie Flugkünstler und sehr geschickte Taucher.

16 / 20
(Foto: Jean-Pierre Sylvestre)

Nahe Percé am östlichen Ende der Halbinsel Gaspésie liegt der Nationalpark Forillon. Er besticht durch seine landschaftliche Schönheit, die das Maritime, den Wald und die Berge vereint. Wanderwege erschließen den Park, oft mit Blick auf die zerklüftete Felsküste und führen bis zum Cap Gaspé, dem östlichsten Ende der Halbinsel Gaspésie. So ist es keine Seltenheit, an der Straße oder auf kleinen Pfaden auf Schwarzbären zu treffen. Eine Bärin mit gleich drei Jungtieren zieht derzeit durch Forillon. Die Mutter bleibt gelassen, während die Jungen geschickt in den Baumwipfeln klettern und junge Triebe abknabbern. Allerdings nur so lange, wie die Menschen respektvoll Abstand halten. Besucher sollten sich niemals zwischen sie und den Bärennachwuchs stellen - oder diese gar streicheln. Sonst verliert selbst die entspannteste Schwarzbärin die Nerven und das könnte unschön für die Menschen enden.

17 / 20
(Foto: Jean-Pierre Sylvestre)

Biber sind grandiose Architekten. Ihre Bauten erreichen teils die Größe von Fußballfeldern. Im Nationalpark Forillon lassen sie sich beobachten, wie sie unermüdlich Material sammeln und ihren Bau ausbessern. Auch wenn nahe am Biberbau eine große Straße vorbeiführt, scheint sie das nicht zu stören. Männliche und weibliche Tiere sind gemeinsam bei der Arbeit. Im Maul haben sie zuweilen riesige Zweige, die sie mit ihren Vorderfüßen am Damm befestigen.

18 / 20
(Foto: Jean-Pierre Sylvestre)

Vorsicht, Stachelschwein! Die Nagetiere, die korrekt Baumstachler oder Neuweltstachelschweine heißen, laufen eher schwerfällig über Wiesen und Wege. Fühlen sie sich bedroht, stellen sie ihre Stacheln auf, um sich größer zu machen, um sich dann - eher watschelnd als rennend - aus dem Staub zu machen. Das sieht zunächst nicht sehr sportlich aus.

19 / 20
(Foto: Jean-Pierre Sylvestre)

Dieser Eindruck ändert sich schlagartig, wenn die Stachelschweine im Wald sind - ganz klar ihr Revier: Blitzschnell klettern sie die Bäume hoch. Von dort aus signalisieren sie mit vorwurfsvollem Blick : Auch die menschlichen Besucher dürfen sich nun gerne wieder trollen.

20 / 20
(Foto: N/A)

Weitere Informationen zum Beispiel unter www.quebecregion.com und www.quebecmaritime.ca.

© SZ.de - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: