Probebetrieb am neuen Berliner Flughafen:Kleine grüne Männchen in der Hauptstadt

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Damit bei der Eröffnung des neuen Berliner Flughafens alles funktioniert, wird auf der Baustelle mit Hunderten Komparsen geprobt. Diese sind mit Koffern, Bordkarten und "Ereigniskarten" ausgestattet. Nur wegfliegen können sie noch nicht.

Jasmin Off, Berlin

Nach Helsinki geht es noch nicht an diesem Morgen. Auch nicht nach Oslo, Wien oder Budapest. Nur nach Berlin, von der Hauptstadt in die Hauptstadt, wenn auch mit kleinen Hindernissen. Dienstagmorgen auf der Baustelle des neuen Berliner Großflughafens "Willy Brandt". Draußen herrschen sibirische Temperaturen, drinnen fliegen Funken. Hier schweißen Bauarbeiter und Blaumänner rollen Kabel aus, hier wird mit Hochdruck an einem Bauwerk gearbeitet, das Europas modernster Flughafen werden soll. Alle Abläufe werden bis zur Eröffnung am 3. Juni von 10.000 Komparsen ausgiebig getestet. Nur Flugzeuge werden keine abheben.

Neuer Flughafen in Berlin
:Probebetrieb in der Baustelle

Wie gut funktioniert die Orientierung, wie klappt die Abfertigung und wie schnell kommen Passagiere durch die Sicherheitskontrollen? Erstmals prüften 250 Komparsen den Hauptstadtflughafen in Berlin, der im Juni eröffnet werden soll.

Daniela Dau

Eine Testerin ist Monika Tänzler, die 61-jährige Berlinerin ist neugierig auf die Riesenbaustelle und hat sich gleich für zwei Tage zum Probetraining angemeldet. Geld gibt es keines, aber Tänzler hat ohnehin einen anderen Wunsch: "Ich habe heute Morgen zu meinem Mann gesagt, dass ich heute gerne nach China fliegen würde. Also fiktiv."

Im Moment sitzt Tänzler allerdings noch im Baustellenzelt, um sie herum 250 weitere offizielle "Flughafen-Tester". Es sind Berliner und Brandenburger, die sich als Komparsen gemeldet haben, der Ansturm war riesig. Jetzt sitzen sie hier, auf dem Kopf grüne Bauhelme, über der Kleidung grüne Sicherheitswesten, und lassen sich die Regeln des Testtags erklären: Die Wege der Mega-Baustelle selbständig verlassen? Untersagt. Eigenmächtig einen Passagier mit Extrawünschen spielen? Untersagt. Sich genau umsehen und später Feedback geben, was schief ging? Unbedingt.

Bis zum Sommer werden die Komparsen 500 verschiedene Szenarien durchspielen: Abflug, Ankunft, Nachtflüge, Evakuierung. Außerdem erhalten einige Tester sogenannte "Ereigniskarten", die sie während der Simulation ausspielen sollen: sich ein Upgrade in eine teurere Klasse wünschen oder die Bordkarte verlieren.

Start der Simulation ist in der Schalterhalle des Terminals, die bereits fertiggestellte Halle wirkt imposant. Durch die Glasfassade flutet Licht auf die Holzwände der Check-In-Schalter und die Sandsteinplatten, auf denen noch so manches Baustellenmaterial herumliegt.

Doch für die Architektur scheinen die Komparsen an diesem Tag keinen Blick zu haben. Zielstrebig steuern sie auf ihre ersten Aufgabe zu: Aus einem riesigen Koffer-Berg zerren sie ausgebeulte Trolleys und alte Rucksäcke hervor und eilen zur Anzeigetafel. Suchende Blicke. Fingerzeige. Dann geht es in Richtung Check-In-Schalter.

Acht solcher Inseln mit mehreren Schaltern gibt es am neuen Flughafen, die Beschilderung wirkt gut durchdacht. Große Tafeln weisen den Weg, schnell finden die Passagiere an ihr Ziel. Die Mitarbeiter - "echtes" Personal anderer umliegender Flughäfen - agieren mit routinierter Gelassenheit: Haben Sie schon ihre Bordkarte? Haben Sie nur das eine Gepäckstück? Leider sind keine Fensterplätze mehr verfügbar. "Macht nichts", sagt Komparse Henri Schulmeister, der heute schon zum zweiten Mal hier ist, "den Fensterplatz hatte ich schon beim ersten Probedurchlauf."

Kurze Wege werden zu verschlungenen Wegen

Ein paar Meter weiter warten die ersten Test-Passagiere an der Sicherheitsschleuse. Die Technik ist auf dem neuesten Stand, die Bordkarte wird digital gescannt. Jetzt ist die Fluggesellschaft darüber informiert, wann und wo der Passagier die Kontrollzone betreten hat. Sorgfältig packt Susanne Martens Jacke und Tasche in den Korb auf dem Laufband, leert ihre Hosentaschen. Ihre Schuhe darf sie heute ausnahmsweise anbehalten, erklärt ihr die - ebenfalls echte - Beamtin der Bundespolizei. Auch der Bauhelm bleibt auf dem Kopf.

Hinter der Sicherheitsschleuse wird der "Flughafen der kurzen Wege" mit einem Mal zu einem der verschlungenen Pfade. Rechts und links der Gänge bohren Handwerker, von der Decke hängen Kabel, improvisierte Pappschilder weisen die Richtung. Im Baustellenlabyrinth suchen die Tester ihren Abflugbereich, die ersten verirren sich. Durchsagen rufen zur Eile für den Flug nach Hurghada. Dabei wollen die meisten hier nach München fliegen, an Schalter B12 bildet sich eine lange Schlange.

"Guten Flug" wünscht der Servicemitarbeiter höflich und reißt das Ticket ab. Erst jetzt ist zum ersten Mal nichts wie bei einer normalen Reise. Denn ein Flugzeug ist nicht in Sicht. Statt also ihrem Traumziel entgegenzufliegen, drehen die Tester an dieser Stelle um und holen sich den nächsten Koffer.

Wie viele der Komparsen hat auch Monika Tänzler am Ende viel Lob für den neuen Flughafen übrig, spricht aber auch kritische Punkte an: Die Beschilderung sei im Abflugbereich zu klein, die Gänge ein wenig verwirrend gewesen. Für den ersten Testtag zieht sie dennoch ein positives Fazit. "Ich muss zugeben, es war doch ganz schön aufregend." Vor lauter Aufregung hat sie sogar vergessen, bei der gespielten Umbuchung nach einem Fensterplatz zu fragen. "Wenn ich das erste Mal echt von hier losfliege, werde ich das aber auf jeden Fall machen."

© SZ vom 8.2.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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